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       # taz.de -- Pride Month und Klaus Wowereit: Ich bin schwul – ist das gut so?
       
       > Wowereits berühmter Satz „Ich bin schwul, und das ist auch gut so“ hat
       > mich damals bewegt. Erst später hörte ich von Pride – doch ich fühle das
       > „Gut-so“.
       
   IMG Bild: Klaus Wowereit spricht seinen berühmten Satz am 10. Juni 2001
       
       Vor zwanzig Jahren hat der Berliner SPD-Politiker Klaus Wowereit auf einem
       Parteitag gesagt: [1][„Ich bin schwul – und das ist auch gut so.“] Da war
       ich ein Pre-Teen, weit weg in der Provinz und noch weiter weg davon, meine
       Sexualität öffentlich breitzutreten. Aber der Satz hat mich beschäftigt.
       Dass Klaus Wowereit danach Berliner Bürgermeister wurde, konnte uns, in
       Restland, egal sein. Und es war auch weniger die Person Wowereit, die mich
       aufmerken ließ, als die Botschaft selbst.
       
       Für die Berliner Politik war der erste Satzteil der entscheidende: „Ich bin
       schwul.“ Wowereit sollte ja Spitzenkandidat werden. „Mir war wichtig“,
       sagte Wowereit [2][diese Woche dem Tagesspiegel], „dass hinterher niemand
       sagt, er hätte mich gar nicht erst nominiert, wenn er das gewusst hätte.“
       Außerdem war Springer schon dabei, Wowis Privatleben abzuklopfen. Es war
       also Strategie, auch wenn Wowereit Wert darauf legt, dass der Satz selbst
       ihm „aus dem Bauch heraus“ gekommen sei.
       
       Damit zum zweiten Teil der Botschaft: „und das ist auch gut so.“ Für mich
       war das damals unerhört. Ich kannte schwul nur als das Negative, das es zu
       beheben galt. Oder als Kreuz, das man eben trug und damit möglichst
       niemandem zur Last ging. Außer man stellte sein schwul in den Dienst der
       Bundesbespaßung im Unterhaltungsfernsehen. „Das ist auch gut so“, war im
       exakten Wortsinn un-ver-schämt.
       
       Erst viel später habe ich von Pride gehört. „Stolz“ sein aufs Queersein,
       das machte nicht sofort Sinn für mich, denn in einer Leistungsgesellschaft
       lernt man ja, dass man stolz ist auf etwas, das man tut, und nicht auf
       etwas, das man ist. Gemeint ist natürlich etwas anderes, nämlich das stolz
       erhobene Haupt in Richtung derer, die dich beschämen wollen. Trotzdem hat
       Pride bis heute etwas Formalistisches für mich. Ganz anders das Gut-so. Das
       Gut-so, das fühle ich.
       
       Das Gut-so trägt mich, wenn ich wieder mal spüre, dass einige von Ihnen da
       draußen zwar mit Queerness okay sind, aber möglichst nicht davon gestört
       werden möchten. Nicht schon wieder, nicht so laut und nicht so schrill,
       bitte! Oder: Bitte erst, wenn die Umverteilungsfragen geklärt sind! Oder
       Sie sind empört, weil Sie extra dran gedacht haben, uns nach einer „Plus
       eins“ zu fragen und wir dann trotzdem Ihre Traumhochzeit ruinieren, indem
       wir den Brautstrauß klauen und essen.
       
       Manche Queers sagen, dass sie lieber normal sein wollen als stolz,
       besonders, special oder gut-so. Aber während Normieren bei Kopierpapier,
       Bierflaschen und Steckdosen hervorragend ist, ist das Normieren von
       Menschen eine Scheißidee. Ich glaube auch nicht, dass Normalität uns
       weiterhilft, weil normal nämlich nicht neutral bedeutet, sondern besser als
       andere. Das sieht man daran, welche politische Partei kürzlich [3][die
       Parole „normal“ aus Opas Wehrmachtskoffer] gezogen hat. Ich verzichte. Ich
       bin keine Steckdose und muss nicht normal sein. Dann doch lieber: Gut-so.
       
       10 Jun 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Wowereits-Outing-vor-20-Jahren/!5773346
   DIR [2] https://plus.tagesspiegel.de/gesellschaft/queerspiegel/20-jahre-coming-out-von-klaus-wowereit-ich-bin-ein-bisschen-stolz-darauf-was-das-fuer-andere-bewirkt-hat-157769.html
   DIR [3] /Die-AfD-und-ihr-Normalitaetsbegriff/!5771233
       
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   DIR Peter Weissenburger
       
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