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       # taz.de -- Korruption in Bulgarien: Rote Karte aus Washington
       
       > Die USA verhängen Sanktionen gegen mehrere Bulgaren samt deren Firmen.
       > Grundlage dafür ist ein Gesetz, das auf Ex-Präsident Obama zurückgeht.
       
   IMG Bild: Zwei der inkriminierten Bulgaren auf der OFAC-Liste: die Oligrachen Wassil Boschkow (l.) und Deljan Peewski
       
       Berlin taz | Nicht kleckern, sondern klotzen: Die USA haben am Mittwoch
       gegen drei Bulgaren sowie deren Netzwerk aus 64 Firmen Sanktionen wegen
       Korruptionsvorwürfen verhängt. Die USA stünden an der Seite aller
       Bulgar*innen, die versuchten gegen Korruption vorzugehen, indem sie dafür
       einträten, Personen zur Verantwortung zu ziehen, die die Wirtschaft und
       demokratische Institutionen in Bulgarien untergraben, heißt es in einer
       Erklärung des Amtes zur Kontrolle von Auslandsvermögen (OFAC), einer
       Behörde des US-Finanzministeriums.
       
       Grundlage für die Strafmaßnahmen, wie zum Beispiel das Einfrieren von
       Konten, ist der sogenannte [1][Global Magnitsky Act] aus dem Jahre 2016.
       Das Gesetz, das bereits unter US-Präsident Barack Obama auf den Weg
       gebracht worden war, zielte anfangs auf russische Beamte, die für den Tod
       von Sergej Magnitzki verantwortlich gewesen sein sollen. Der damals
       37-jährige Anwalt war 2009 in einem Moskauer Gefängnis nach schweren
       Misshandlungen zu Tode gekommen. Neben Verantwortlichen für
       Menschenrechtsverletzungen können weltweit auch Personen mit Sanktionen
       belegt werden, die sich der Korruption schuldig gemacht haben.
       
       Einer der drei inkriminierten Bulgaren auf der OFAC-Liste ist der
       Geschäftsmann Wassil Boschkow, einer der reichsten Männer Bulgariens. Der
       64-Jährige mit dem Spitznamen Tscherepa („Schädel“), der unter anderem
       durch Glücksspielgeschäfte zu Geld gekommen war, hatte Bulgarien im Januar
       2020 verlassen und hält sich derzeit in Dubai auf. Gegen ihn sind mehrere
       Klagen im Zusammenhang mit Morden, Geldwäsche und Steuerhinterziehung
       anhängig.
       
       So soll er in mehreren Fällen Beamte aus dem Umfeld der Regierung bestochen
       haben. Die von ihm 2020 gegründete Partei Bürgerplattform Bulgarischer
       Sommer kam bei der Parlamentswahl am 4. April dieses Jahres auf weniger als
       drei Prozent der Stimmen und verpasste den Einzug ins Parlament.
       
       ## Auf der schwarzen Liste
       
       Auch der Medienmogul und ehemalige Parlamentsabgeordnete Deljan Peewski
       sowie der Regierungsbeamte Ilko Zeljaskow, der für das Nationale Büro zur
       Kontrolle spezieller Mittel für geheimdienstliche Ermittlungen (NBKSRS)
       tätig ist, stehen auf Washingtons schwarzer Liste. Der 40-jährige Peewski,
       der für die Partei der türkischen Minderheit Bewegung für Rechte und
       Freiheiten (DPS) zwei Legislaturperioden im Parlament saß, hielt bis zum
       vergangenen Jahr große Anteile am bulgarischen Medienmarkt.
       
       Er sei in zahlreiche Korruptionsaffären verstrickt gewesen. Zudem habe er
       seinen Einfluss geltend gemacht, um wichtige Institutionen und Sektoren in
       der bulgarischen Gesellschaft zu kontrollieren sowie sich selbst vor
       Überprüfungen zu schützen, heißt es in einer Stellungnahme des
       US-Finanzministeriums.
       
       So soll er beispielsweise vor der Kommunalwahl 2019 eine positive
       Berichterstattung über Politiker im Austausch gegen Schutz vor
       strafrechtlichen Ermittlungen gegen ihn sicher gestellt haben. Zeljaskow
       soll bei der Zahlung entsprechender Bestechungsgelder freundschaftliche
       Hilfe geleistet haben.
       
       In einem Bericht von 2020 bezeichnete Marshall Harris, ein ehemaliger
       Mitarbeiter des US-Außenministeriums, Peewski als Chef-Oligarchen und als
       einen Hauptarchitekten des demokratischen Niedergangs in Bulgarien.
       
       ## Offener Brief
       
       In einer ersten Stellungnahme wies Peewski alle Vorwürfe zurück. In einem
       offenen Brief, den bulgarische Medien veröffentlichten, bezeichnete er die
       Sanktionen als „inakzeptabel“. Diese würden dem Buchstaben und dem Geist
       des Magnitsky-Acts widersprechen und enthielten keinen Funken Wahrheit.
       „Ich habe keine international anerkannten Menschenrechte verletzt, ich bin
       kein Staatsbediensteter und nicht an Korruption beteiligt“, schrieb Peewski
       und kündigte an, mit juristischen Mittel gegen die Strafmaßnahmen vorgehen
       zu wollen.
       
       Teile der bulgarischen Opposition begrüßten die Sanktionen. „Peewski und
       Boschkow sind an wichtigen Korruptionsfällen beteiligt, derer man sich
       annehmen muss. [2][Bojko Borissow] (bis zum 21. Mai 2021 Regierungschef in
       Bulgarien, Anm. d. Red.) muss von der politischen Bühne abtreten“, sagte
       Hristo Iwanow, Chef der Anti-Korruptionspartei Ja, Bulgarien. Mit dem
       Oppositionsbündnis Demokratisches Bulgarien (DB) hatte er bei der
       Parlamentswahl auf Anhieb 9,5 Prozent erzielt.
       
       Diese Sanktionen machten die Notwendigkeit tiefgreifender Reformen einmal
       mehr deutlich, sagte Maja Manolowa, ehemalige Ombudsfrau und eine der
       Vorsitzenden des Parteienbündnisses Aufstehen! Mafia raus! (ISMV, 4,7
       Prozent bei der Parlamentswahl im April).
       
       Das dürften auch viele Bulgar*innen so sehen. Immerhin war die effektive
       Bekämpfung der grassierende Korruption bis in höchste Regierungskreise
       eines der zentralen Anliegen Tausender Demonstrant*innen, die 2020
       wochenlang landesweit auf die Straßen gegangen waren. Die Proteste
       richteten sich auch gegen [3][den damaligen Ministerpräsidenten Bojko
       Borissow] und seine Partei Bürger für eine demokratische Entwicklung
       Bulgariens (GERB).
       
       ## Neuwahl im Juli
       
       Bei der [4][Parlamentswahl am 4. April] dieses Jahres wurde die GERB mit
       26,1 Prozent zwar stärkste Kraft, eine Regierungsbildung scheiterte jedoch.
       Derzeit führt eine Übergangsregierung die Geschäfte, für den 11. Juli ist
       eine Neuwahl angesetzt.
       
       Die US-Sanktionen gegen Bulgarien sollten auch die EU auf den Plan rufen.
       14 Jahre nach dem Beitritt ist das Balkanland wirtschaftlich immer noch
       Schlusslicht, führt dafür aber den EU-weiten [5][Korruptionsidex von
       Transparency International] unangefochten an. In Brüssel ist es seit Jahren
       ein offenes Geheimnis, dass EU-Gelder in Millionenhöhe in die Taschen
       zwielichtiger Gestalten fließen.
       
       Doch konkret unternommen wurde nichts. Stattdessen hielten
       EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Bundeskanzlerin Angela
       Merkel stets ihre schützende Hand über Bojko Borissow. Der erfreut sich
       überdies immer noch eines starken Rückhalts in den Reihen der konservativen
       Europäischen Volkspartei (EVP). Doch durch Wegsehen, wie bisher, wird sich
       der Problemfall Bulgarien nicht lösen lassen, im Gegenteil: Jüngste
       Umfragen sehen die GERB bei 24 Prozent und damit erneut auf dem ersten
       Platz. Fortsetzung folgt.
       
       3 Jun 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Aussenpolitik-der-Europaeischen-Union/!5648405
   DIR [2] /Bulgarien-nach-der-Parlamentswahl/!5764600
   DIR [3] /Parlamentswahl-in-Bulgarien/!5764070
   DIR [4] /Bulgarien-nach-den-Parlamentswahlen/!5758872
   DIR [5] https://www.transparency.org/en/countries/bulgaria
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Barbara Oertel
       
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