URI: 
       # taz.de -- taz Talk zur Wahl in Sachsen-Anhalt: Kenia-Kumpels wider Willen
       
       > Allen Reibereien zum Trotz signalisieren Politiker von SPD, Grünen und
       > CDU im taz Talk Koalitionsbereitschaft. Nur die Linke kritisiert das
       > Vorhaben.
       
   IMG Bild: Kenia 1.0: Unterzeichnung des Koalitionsvertrages im Landtag von Sachsen-Anhalt im Jahr 2016
       
       Berlin taz | In der Kenia-Männerrunde liegt fast schon eine etwas
       kumpelhafte Laune in der Luft. Mal abgesehen von dem ungeliebten
       Fraktionsvorsitzenden der Linken, Thomas Lippmann, scheint man sich in dem
       schwarz-rot-grünen Zweckbündnis schätzen gelernt zu haben – trotz aller
       Differenzen. Am Donnerstagabend im taz Talk, moderiert von
       taz-Landeskorrespondentin Ost Sarah Ulrich, signalisieren die Vertreter von
       SPD, CDU und Grünen jedenfalls Koalitionsbereitschaft.
       
       Es könnte ein Kopf-an-Kopf-Rennen werden bei der Landtagswahl in
       Sachsen-Anhalt am kommenden Sonntag: [1][Sollte die AfD vor der CDU
       liegen], wie es zumindest eine INSA-Umfrage von Ende Mai nahelegt, reicht
       es wohl nicht für eine Kenia-Koalition. Dann müsste eine andere
       Konstellation herhalten. Wird die CDU jedoch stärkste Kraft, wie von
       anderen Umfrageinstituten prognostiziert, ist eine Neuauflage des
       schwarz-rot-grünen Zweckbündnisses wahrscheinlich.
       
       Die Kenia-Koalition stand in der vergangenen Legislaturperiode immer wieder
       vor dem Bruch. Marco Tullner (CDU), Bildungsminister im Kabinett Haselhoff,
       will dennoch an einem Zweckbündnis zur Verhinderung einer
       AfD-Regierungsbeteiligung festhalten. Dafür schlägt der CDU-Mann sogar
       einen ziemlich versöhnlichen Tonfall an: „Bei allen Raufereien und
       Konfliktlinien hat das gut funktioniert“, meint er.
       
       Mit dieser Einschätzung ist Tullner an diesem Abend jedoch allein. Als
       Oppositionspolitiker kritisiert Lippmann die Koalition unter CDU-Führung
       scharf. „Man weiß nicht, was die CDU eigentlich in den nächsten Jahren vor
       hat – außer regieren zu wollen.“ Außerdem habe sie fast alle Projekte der
       Koalition blockiert. Und insgesamt sei der Umgang im Regierungsbündnis
       schlimm gewesen. Lippmann blickt deshalb mit Sorge auf die kommenden fünf
       Jahre.
       
       ## Wie weit rechts steht die CDU?
       
       Etwas zurückhaltender klingt es hingegen bei Grünen und SPD. Sie würden mit
       der CDU weiterregieren, stellen aber auch Bedingungen. Andreas Schmidt,
       Co-Vorsitzender der SPD, verbucht einige Erfolge für seine Partei in der
       Kenia-Koalition, darunter das Azubi-Ticket und die Abschaffung der
       Straßenausbaubeiträge. Für die Zukunft will er aber ein klares
       [2][Bekenntnis der CDU] zur aktiven Gestaltung des Landes: „Wir müssen raus
       aus dem guten Verwalten und dem Korrigieren vergangener Fehler.“ Es müsse
       um eine deutliche Entwicklung des Landes gehen.
       
       Sebastian Striegel sieht das ähnlich. Der Landesvorsitzende der Grünen gibt
       sich angriffslustiger als Schmidt: Die CDU habe sich in den letzten fünf
       Jahren als nicht besonders verlässliche Partnerin erwiesen. Sie sei immer
       wieder nach rechts ausgeschert. So zum Beispiel mit der Einladung
       Hans-Georg Maaßens in Tullners Kreisverband: „Sie muss sich an dieser
       Stelle klar aufstellen, und das muss bedeuten, eine klare Grenze zur AfD zu
       ziehen“.
       
       Das ist wohl das wichtigste Thema an diesem Abend. Wie weit rechts stehen
       die Christdemokraten in Sachsen-Anhalt? Zumindest ein Teil der CDU biedert
       sich der AfD an, darin sind sich alle einig. Nur CDU-Bildungsminister
       Tullner verteidigt einen „Kurs der Mitte“.
       
       „Auf der einen Seite muss eine Partei wie die CDU auf ein AfD-Wahlergebnis
       besonders reagieren. Wir müssen gucken, dass wir die Wähler zurückholen“,
       sagt Tuller. Insofern verstehe er, dass einige Kollegen etwas konservativer
       auftreten würden. Trotzdem koaliere man mit Rot-Grün.
       
       ## In die Zukunft blicken, weg von der „Mangelwirtschaft“
       
       Ähnlich dissonant präsentiert sich die Lage in Bezug auf Marco Wanderwitz'
       Aussage zur Verwurzelung undemokratischer und rechtsextremer Tendenzen in
       Ostdeutschland. Grünen-Landesvorsitzender Striegel stimmt Wanderwitz zu:
       „Wir haben im Osten Deutschlands – und nicht nur da – ein manifestes
       Rechtsextremismus-Problem.“
       
       Das sei sowohl auf die Diktaturerfahrung in der DDR zurückzuführen als auch
       auf die gescheiterte Transformation der 90er-Jahre. Für Lippmann ist der
       Nährboden für rechtes Gedankengut dagegen [3][eher nach der Wende als vor
       der Wende entstanden].
       
       Zumindest Schmidt und Tullner sind sich einig: Wanderwitz habe
       pauschalisiert, und das sei wenig hilfreich. „Gerade als Volkspartei der
       Mitte besteht unsere Aufgabe darin, Leute einzuladen“, betont der
       CDU-Bildungsminister.
       
       Fast wäre bei dem ganzen Gerede über die CDU ein wichtiges Thema unter den
       Tisch gefallen: Wie genau wollen die Parteien eigentlich Sachsen-Anhalts
       Zukunft gestalten? Während Tullner für die CDU wenig Eindeutiges
       beizutragen hat, wird Linken-Fraktionschef Lippmann konkreter: Die Defizite
       in Gesundheit, Bildung und der Finanzierung von Kommunen müssten angegangen
       werden. „Es dürfen keine fünf Jahre der Mangelwirtschaft werden.“
       Stattdessen müsste Geld in die Hand genommen werden.
       
       Obwohl an diesem Abend vieles unklar bleibt, ist zumindest eine Sache
       deutlich geworden: Was auch immer in Sachsen-Anhalt in den kommenden fünf
       Jahren auf die Agenda kommt, einfach wird es nicht. Kenia-Koalition hin
       oder her, ein Zweckbündnis gegen die AfD wird es allemal. Reibereien sind
       da vorprogrammiert, vor allem unter Kumpels. Die Alternative wäre nicht
       auszudenken.
       
       4 Jun 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /CDU-in-Sachsen-Anhalt-im-Sinkflug/!5775539
   DIR [2] /SPD-Politikerin-ueber-Erstarken-der-AfD/!5775638
   DIR [3] /Linkspartei-in-Sachsen-Anhalt/!5775198
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Julian Jestadt
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Landtagswahl in Sachsen-Anhalt
   DIR Marco Wanderwitz
   DIR Sachsen-Anhalt
   DIR Kenia-Koalition
   DIR Schwerpunkt Landtagswahl in Sachsen-Anhalt
   DIR Schwerpunkt Landtagswahl in Sachsen-Anhalt
   DIR Schwerpunkt Landtagswahl in Sachsen-Anhalt
   DIR Schwerpunkt Landtagswahl in Sachsen-Anhalt
   DIR DDR
   DIR Schwerpunkt Landtagswahl in Sachsen-Anhalt
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Landtagswahl in Sachsen-Anhalt: Da ginge mehr
       
       Kein Bundesland hat ein höheres Durchschnittsalter als Sachsen-Anhalt. Doch
       wie blicken die jungen Menschen dort auf das Land?
       
   DIR Vor der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt: Die guten Jahre von Kenia
       
       Die Magdeburger Koalition aus CDU, SPD und Grünen war eine der Notwehr –
       gegen die AfD. Sie war besser als ihr Ruf und könnte erneuert werden.
       
   DIR Die Wahl in Sachsen-Anhalt in Zahlen: Kann er weitermachen?
       
       Am Sonntag wählt Sachsen-Anhalt einen neuen Landtag. Wird sich die CDU
       gegen die AfD durchsetzen? Die Wahl-Umfragen in Grafiken.
       
   DIR CDU in Sachsen-Anhalt im Sinkflug: Die Hochburg bröckelt
       
       Die Altmark, seit Bismarcks Zeiten konservativ, ist CDU-Stammland.
       Eigentlich. Denn ein Wahlbetrug hat der Partei viel Glaubwürdigkeit
       gekostet.
       
   DIR Identität in Sachsen-Anhalt: Ewig auf Suche nach dem Wir
       
       Das Image als Schlusslicht prägt Sachsen-Anhalt. Nicht mal mit glorreicher
       Historie kann man sich trösten. Aber vielleicht ist anderes wichtiger.
       
   DIR Landtagswahl in Sachsen-Anhalt: Es geht ums Eingemachte
       
       Wer vom Osten Deutschlands spricht, spricht oft über Nazis. Viel wichtiger
       wäre es aber, über die soziale Schieflage und gerechte Umverteilung zu
       reden.