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       # taz.de -- Regierungspläne in der Kritik: Streit um Klagen gegen Atomanlagen
       
       > Die Bundesregierung will Klagen gegen Atomanlagen auf Grund von
       > Terrorgefahr erschweren. Das ist nicht nur für AKWs relevant.
       
   IMG Bild: Kernkraftwerke müssen gegen Terror-Angriffe geschützt werden
       
       Freiburg taz | In dieser Woche sollen Klagemöglichkeiten gegen die
       Terrorgefahr von Atomanlagen beschnitten werden. Das sieht ein
       Gesetzentwurf vor, den die Bundesregierung beschließen will.Atomanlagen
       müssen nicht nur gegen technische Defekte geschützt werden, sondern auch
       gegen gezielte Angriffe, zum Beispiel von Terrorist:innen.
       
       Diesen Schutz gegen „Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter“ soll
       die 17. Novelle des Atomgesetzes neu regeln. Es werden derzeit zwar keine
       neuen AKWs mehr genehmigt, aber es gibt noch ungenehmigte Zwischenlager.
       Auch für Atomtransporte und das künftige Endlager ist die Änderung
       relevant.
       
       Für die Schutzmaßnahmen gegen Terror ist der jeweilige Betreiber zuständig,
       genehmigt werden sie vom Staat. Wenn Anwohner:innen klagen, weil sie
       den Schutz nicht für ausreichend halten, entsteht nach Ansicht der
       Bundesregierung ein Problem. Weil Anti-Terror-Maßnahmen geheim bleiben
       müssen, können zentrale Dokumente dem Gericht nicht vorgelegt werden.
       Deshalb bestehe die Gefahr, dass die Behörden entsprechende Prozesse
       verlieren.
       
       ## Koalitionsvertrag 2018 sah andere Lösungen vor
       
       Die Lösung der Bundesregierung ist wenig bürgerfreundlich. Sie will die
       Frage, ob der Schutz von Atomanlagen gegen Terrorgefahren ausreichend ist,
       allein den Behörden überlassen. Polizei und Verfassungsschutz seien bei
       Terrorgefahren viel sachkundiger als Richter:innen. [1][Gerichte sollen die
       Entscheidung der Behörden in der Regel nicht mehr überprüfen könnnen.] Die
       Regierung spricht von einem „Funktionsvorbehalt“ für die Behörden.
       
       Einen entsprechenden Funktionsvorbehalt hat die Rechtsprechung zwar bereits
       entwickelt, er bezieht sich bisher aber nur auf die Bewertung von Gefahren
       und Schutzkonzepten. Nun soll er auch die zugrundeliegenden Daten und
       Informationen umfassen – um geheime Dokumente nicht mehr offenlegen zu
       müssen.
       
       Im schwarz-roten Koalitionsvertrag von 2018 war noch eine andere Lösung
       vorgesehen. Danach sollte zumindest das entscheidende Gericht die geheimen
       Unterlagen prüfen können. Eine derartige Prüfung unter Ausschluss von
       Öffentlichkeit und Verfahrensbeteiligten nennt man „In-Camera-Verfahren“.
       
       ## Grüne verweisen auf Koalitionsvertrag
       
       Inzwischen hat sich auch der Bundesrat für ein solches Verfahren
       ausgesprochen, um ein Mindestmaß an gerichtlicher Kontrolle
       sicherzustellen. Und bei einer Anhörung im Bundestag war auch eine Mehrheit
       der Sachverständigen dafür.
       
       Die Grünen haben daher einen Änderungsantrag eingebracht, der die Große
       Koalition in Verlegenheit bringen soll. Sie beantragen jetzt die Einführung
       des im Koalitionsvertrags vorgesehenen In-Camera-Verfahrens und nutzen
       dabei die vom Bundesrat vorgeschlagene Formulierung. Die Atomgesetz-Novelle
       soll in der Nacht von Donnerstag auf Freitag im Bundestag beschlossen
       werden.
       
       Die Bundesregierung ist allerdings vom Vorschlag aus dem Koalitionsvertrag
       abgerückt. Gegen das In-Camera-Verfahren bestünden „verfassungsrechtliche
       Bedenken“, weil hier der klagende Bürger nicht erfahre, welche Unterlagen
       dem Gericht vorgelegt werden. Für die Atomexpertin der Grünen, Sylvia
       Kotting-Uhl, ist das aber immer noch besser, als wenn das Gericht den
       Behörden ganz ohne Dokumente vertrauen müsste.
       
       8 Jun 2021
       
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