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       # taz.de -- Spieler-Protest bei der EM: Politisches Knien
       
       > Der Kniefall als Protestzeichen gegen Rassismus ist eher eine
       > Randerscheinung bei dem Turnier, auch wenn die Uefa den Aktionismus
       > gutheißt.
       
   IMG Bild: Unterschiedliches Verhalten: Belgiens Lukaku kniet, Alexander Golowin von Russland steht
       
       Sie haben es nicht getan. Die Spieler der französischen Nationalmannschaft
       haben vor dem Anpfiff des Spiels gegen Deutschland am Dienstag kein Knie
       auf den Boden gesetzt, um gegen Rassismus zu protestieren. Viele hatten
       erwartet, dass zumindest ein Teil des französischen Teams auf die Knie
       gehen würde.
       
       [1][Der Gleitschirmbruchpilot, der für Greenpeace im Einsatz] gegen fossile
       Brennstoffe unterwegs war, kam genau in dem Moment kurz vorm Anpfiff ins
       Stadion getrudelt, der sich in anderen Spielen als idealer Zeitpunkt für
       antirassistische Kniefallaktionen erwiesen hatte. Doch die Spieler waren
       keineswegs abgelenkt vom Aktivistenabsturz und haben darüber ihre Aktion
       vergessen, wie in Frankreich zunächst gemutmaßt wurde. Die Franzosen hatten
       nie vor, auf die Knie zu gehen.
       
       Nationaltorhüter Hugo Lloris erklärte das nach dem Spiel so: „Das Knie auf
       den Boden zu setzen, das muss eine gemeinsame Entscheidung sein. Wenn wir
       das tun sollen, dann müssen das die anderen auch tun, und zwar mit
       Unterstützung der Uefa.“ Das sei in England so, wo sich die Premier League,
       in der Lloris bei Tottenham Hotspur spielt, auf ein einheitliches Vorgehen
       geeinigt habe. Auch Verteidiger Raphaël Varane vermisst die Einigkeit unter
       den Nationen. Grundsätzlich unterstütze das Team das Anliegen. Wenn aber
       nicht alle Nationen mitmachten, führe das nur zu Spannungen. Der
       Vizekapitän der Auswahl meinte, man habe in der Mannschaft über das Thema
       gesprochen und sei sich einig.
       
       Spannungen dürften all diejenigen gespürt haben, die das Auftaktspiel der
       belgischen Auswahl in Sankt Petersburg gegen Russland erlebt haben. Als die
       Belgier vor dem Anpfiff ein Knie auf den Rasen gesetzt hatten, schallte ein
       gellendes Pfeifkonzert durch die Arena. Die Uefa selbst, die sich sonst
       schwertut, politische Botschaften im Fußball zu tolerieren, steht hinter
       den Teams, die auf diese Art gegen Rassismus protestieren, eine Aktion, die
       einst der US-amerikanische Footballspieler Colin Kaepernick in der NFL
       etabliert hatte, woraufhin er als Spieler nicht mehr gefragt war, als
       Werbeikone für einen Sportartikelhersteller aber umso mehr.
       
       ## Erlaubte Demonstration
       
       Die Uefa jedenfalls möchte keinen Spieler bestrafen, der ein Knie auf den
       Rasen setzt. „Jeder Spieler, der eine Gleichstellung von Menschen fordert,
       indem er kniet, hat die Erlaubnis dazu“, erklärt der Verband dazu und
       klopft sich selbst als Kampforganisation wider den Rassismus auf die
       Schulter. Und so kommt es, dass sich auch Schiedsrichter an der mahnenden
       Aktion beteiligen. Während die russischen Spieler vor der Partie gegen
       Belgien stehen blieben, kniete sich das Schiedsrichterteam um den Spanier
       Antonio Mateu Lahoz nieder.
       
       Explizit gegen das Hinknien hat sich der ungarische Fußballverband
       ausgesprochen und legt die Regeln der Uefa und Fifa, wonach politische
       Äußerungen nicht erlaubt sind, strenger aus als der europäische
       Kontinentalverband selbst. Das geht aus einem [2][Statement des Verbands]
       hervor. Auch im kroatischen Fußballverband [3][sieht man das so]. Man wolle
       den Spielern nichts verbieten, schon gar nicht vorschreiben, sich
       hinzuknien. Zugleich stellt der Verband klar, dass so etwas nicht zur
       Kultur in Kroatien gehöre.
       
       Viele Teams kommen am Ende nicht zusammen, wenn man die Mannschaften
       aufzählt, die sich für die mittlerweile eingeübte Protestform ausgesprochen
       haben. Neben Belgien ist Wales eine dieser Mannschaften. Die Waliser haben
       in ihren beiden Gruppenspielen gegen die Schweiz und gegen die Türkei auch
       ihre Gegner dazu bewegen können, vor dem Spiel auf die Knie zu gehen. Die
       Schotten wollen mitmachen, wenn sie am Freitag gegen England spielen (21
       Uhr, ZDF). Das englische Team hat eh klargestellt, dass es die Geste mit
       dem Knie vor jedem Spiel zeigen wird. Für diese haben sie vor der EM in
       Testspielen auch vom eigenen Publikum Pfiffe geerntet. Vom eingeschlagenen
       Weg soll das die Mannschaft indes nicht abbringen. Nur eines hat Trainer
       Gareth Southgate angeordnet: Die Spieler sollen keine Fragen mehr zu diesem
       Thema beantworten.
       
       Auch in Frankreich ist der symbolische Kniefall längst ein Politikum – kein
       Wunder so kurz vor den Regionalwahlen am Sonntag, bei denen der rechte
       Rassemblement National auf Stimmengewinne setzt. Thierry Mariani,
       RN-Kandidat in der Region Provence-Alpes-Côte-d’Azur, wetterte vor dem
       Deutschlandspiel gegen den befürchteten Kniefall. Unter dem Hashtag
       #BoycottEquipeDeFrance hatten sich Gegner des Kniefalls auf Twitter
       formiert. Darunter toben sich Rassisten weiter aus, obwohl es nun ja keinen
       weltmeisterlichen Kniefall gab.
       
       17 Jun 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Missglueckte-Aktion-von-Umweltschuetzern/!5776926
   DIR [2] https://www.mlsz.hu/hir/marco-rossi-javulast-var-a-valogatottol-az-irek-ellen
   DIR [3] https://www.total-croatia-news.com/sport/53703-croatian-football-federation-statement-on-kneeling
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Rüttenauer
       
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