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       # taz.de -- Feiernde in München: Die Last des Partyvirus
       
       > Auf der Suche nach der EM-Stimmung in München landet man schnell in einem
       > Party-Hotspot. Viele in der Stadt finden das gar nicht witzig.
       
   IMG Bild: Das Wort Party war seinerzeit noch positiv besetzt. Diese Zeiten sind vorbei
       
       Herrscht jetzt etwa EM-Stimmung in der Stadt? Zwei Frauen in nagelneuen
       Italientrikots suchen auf dem Orleansplatz, der Dauerbaustelle gegenüber
       dem Münchner Ostbahnhof, einen schönen Hintergrund für ein Selfie. Sie sind
       unterwegs in einen der Schankgärten, jenen eingezäunten Freischankflächen,
       die die Wirte in München seit dem vergangenen Coronasommer als Ausgleich
       für im Lockdown entgangene Geschäfte auf ehemaligen Parkplätzen vor ihren
       Gasthäusern bewirtschaften dürfen.
       
       Von diesen Trinkerzoos her schallt aus nicht selten sehr großen
       Fernsehgeräten seit EM-Beginn der typische großstädtische Turniersound
       durch die Straßen. Tom Bartels oder Claudia Neumann kann nicht entkommen,
       wer in der Stadt unterwegs ist.
       
       Das kann man schön finden oder unerträglich. Es ist jedenfalls ein zu
       Fußballgroßzeiten bekanntes Geräusch. Neu für [1][die Münchner] sind die
       Zusammenkünfte junger Menschen im öffentlichen Raum. Die Boulevardmedien
       haben schon im vergangenen Sommer eine neue Ethnie in der Stadt entdeckt:
       das Partyvolk. Solches versammelt sich in Ermangelung der coronabedingt
       geschlossenen Klubs im öffentlichen Raum, hat nicht selten batteriestarke
       Boxen dabei, mit deren Hilfe Plätze und Straßen bis tief in die Nacht
       beschallt werden, trinkt Bier oder Radler aus der Flasche und geht oft erst
       dann nach Hause, wenn mit Helmen bewehrte Polizeibeamte beginnen, die
       Zusammenkünfte aufzulösen.
       
       Gäbe es massenweise EM-Touristen aus aller Damen und Herren
       Teilnehmerländer in der Stadt, sie würden ihren Augen nicht trauen. So
       lässig, so gut gelaunt, so frei hätten sie sich die bayerische
       Landeshauptstadt gewiss nicht vorgestellt. Vielleicht hätten sie sich daran
       erinnert, was man über die Fußball-WM 2006 in Deutschland erzählt.
       
       ## Erinnerungen an 2006
       
       Jener Monat im Sommer gilt als einer der heitersten in der Geschichte der
       Bundesrepublik und nicht wenige Deutsche wunderten sich selbst über ihre
       eigene Lässigkeit und darüber, dass sie sich nicht daran gestört haben, als
       WM-Gäste aus fernen Ländern Plätze und Straßen zum Feiern okkupiert haben.
       [2][Das Wort Party war seinerzeit noch positiv besetzt]. Diese Zeiten sind
       vorbei.
       
       Partys werden mit ähnlichen Vokabeln belegt wie Seuchen. Lange galt der
       Gärtnerplatz unweit des Viktualienmarkts als heißester Party-Hotspot
       Münchens. Die vom Feiervirus Infizierten sind längst weitergezogen. Der
       aktuelle Hotspot befindet sich im Univiertel westlich der prächtigen
       Ludwigstraße. Maxvorstadt nennt sich der Bezirk, dessen
       Verwaltungsausschuss nun ein Alkoholverbot ab 22 Uhr fordert und findet,
       dass stimmt, was in den Boulevardpostillen steht. Dort wird die Gegend um
       die Uni als neues Glasscherbenviertel bezeichnet.
       
       Nun bleibt abzuwarten, was passiert, wenn der täglichen Party eine gute
       Portion Fußballstimmung beigemixt wird, was dann der Fall sein könnte, wenn
       das deutsche Team weit kommt. Ob die Fan-Partys dann wohl auch so negativ
       beschrieben werden?
       
       21 Jun 2021
       
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