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       # taz.de -- Wahlprogramm von CDU und CSU: Nix Genaues weiß man nicht
       
       > Im Wahlprogramm der Union bleibt vieles offen – etwa beim Klimaschutz.
       > Wirtschaft und Gutverdienende werden entlastet. Ein taz-Check.
       
       CDU und CSU haben ihr [1][gemeinsames Wahlprogramm für die Bundestagswahlen
       im September] vorgestellt. Was hat sich die Union für Klima, Verkehr,
       Steuerpolitik und Soziales etwa beim Wohnungsbau vorgenommen? Wie steht sie
       zur Inneren Sicherheit, zu Migration, zur Außen- und Verteidigungspolitik?
       Und wie will sie die Digitalisierung vorantreiben?
       
       Und was davon wird die Partei mit dem derzeit wahrscheinlichsten
       Koalitionspartner, den Grünen, voraussichtlich umsetzen können? Der
       taz-Check:
       
       ## Klimaschutz
       
       Beim Klimaschutz bekennen sich CDU und CSU – wie schon zuvor in der
       Bundesregierung – zum Ziel, Deutschland bis 2045 komplett klimaneutral zu
       machen. Auf die Frage, wie das gehen soll, geben sie hingegen – ebenfalls
       wie bisher – wenig konkrete Antworten. Der Ausbau der erneuerbaren Energien
       soll „deutlich schneller“ werden, heißt es im Programm. Zahlen werden aber
       nicht genannt, obwohl die genaue Ausbaumenge eine zentrale Stellgröße ist.
       
       Interessant: Nachdem führende Unionsvertreter zuvor scharfe Kritik an den
       Grünen geübt hatten, weil diese den CO2-Preis für Wohnen und Verkehr
       schneller erhöhen wollen als von der Regierung geplant, kündigt die Union
       das jetzt ebenfalls an – allerdings mit einer Formulierung, die offenbar
       möglichst schwer verständlich sein soll, um die eigene Klientel möglichst
       nicht zu beunruhigen: „Wir werden den Aufwuchspfad der CO2-Bepreisung
       straffen“, heißt es im Programm. Zahlen und Daten fehlen aber auch hier.
       
       Beim Thema Wasserstoff will die Union nicht nur auf sogeannten „grünen“
       setzen, der mit erneuerbarem Strom erzeugt wird, sondern auch auf „blauen“,
       der aus fossilem Erdgas mit CO2-Abscheidung gewonnen wird. Um zu
       verhindern, dass die heimische Industrie unter den Klimaschutz-Auflagen
       leidet, setzt die Union auf Differenzverträge, bei denen der Staat die
       Mehrkosten erstattet, und auf einen „CO2-Grenzausgleich“, also eine Art
       CO2-Abgabe für Importe.
       
       Klappt das auch? Ja – beim Klimaschutz dürfte es in einer schwarz-grünen
       Koalition keine unüberwindbaren Hindernisse geben. Über das Ziel besteht
       Einigkeit, zum Weg schweigt die Union weitgehend. In der Praxis würde das
       wohl bedeuten, dass über die Maßnahmen weitgehend die Grünen bestimmen
       könnten, die Union sich das aber durch Zugeständnisse in anderen Bereichen
       teuer bezahlen lassen wird.
       
       Konflikte zeichnen sich vor allem bei der Frage ab, wie schnell und wie
       stark der CO2-Preis erhöht wird und wie die Einnahmen an die Bevölkerung
       zurückgegeben werden. Und auch bei der geplanten staatlichen Unterstützung
       für den klimafreundlichen Umbau der Industrie [2][dürfte es Streit um die
       Frage geben, wie diese finanziert werden soll] – denn Steuererhöhungen
       lehnt die Union ja ebenso ab wie neue Schulden. Malte Kreutzfeldt
       
       ## Verkehr
       
       Das will die Union: Die Union spricht sich strikt gegen ein Tempolimit auf
       Autobahnen aus. „[3][Ein Dieselfahrverbot] lehnen wir ebenso ab wie ein
       generelles Tempolimit auf Autobahnen“, heißt es im Programm. Die
       Christdemokrat:innen wollen Bahn und ÖPNV ausbauen, etwa die
       Digitalisierung der Bahn vorantreiben und Nachtzüge zum Bestandteil des
       Mobilitätsmix machen.
       
       Gleichzeitig bleibt die Union Autofahrer:innenpartei. Sie will einen
       Umstieg auf emissionsfreie Mobilität. Dabei setzt sie auch auf synthetische
       Kraftstoffe. Sie hält am Bau von Umgehungsstraßen fest. „Und wo es häufig
       Stau gibt, werden wir unsere Bundesstraßen und Autobahnen erweitern“,
       kündigen die Parteien an. Außerdem will die Union nichts gegen billiges
       Fliegen tun: „Wir wollen, dass die Luftfahrt ein preislich
       wettbewerbsfähiger Verkehrsträger ist und der Luftverkehrsstandort
       Deutschland erhalten bleibt.“
       
       Klappt das auch? Tempolimit, Straßenbau und Fliegen – bei diesen
       Themenfeldern gibt es zwischen Union und den Grünen erhebliches
       Konfliktpotenzial. Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck hat die Einführung
       von Tempo 130 auf Autobahnen zur Voraussetzung einer grünen
       Regierungsbeteiligung gemacht.
       
       Während die Grünen sämtliche Projekte des Bundesverkehrswegeplans auf
       Klima- und Umweltverträglichkeit prüfen und gegebenenfalls stoppen wollen,
       setzen CDU und CSU ungebrochen auf weiteren Straßenbau. Die Vorstellungen
       der Union zum Fliegen beißen sich mit den grünen Forderungen nach einem
       Abbau von umweltschädlichen Subventionen im Luftverkehr und dem Ende von
       Finanzhilfen für unwirtschaftliche Regionalflughäfen. Anja Krüger
       
       ## Steuern & Soziales
       
       Das will die Union: „Keine neuen Belastungen für Unternehmen“, „stabile
       Lohnzusatzkosten“, so lauten die Leitsätze zur Sozialpolitik im
       Wahlprogramm 2021 der Union. Das Programm ist ein Entlastungsprogramm für
       die Wirtschaft und für Spitzenverdiener:innen: Der Solidaritätszuschlag
       soll für alle abgeschafft und Unternehmenssteuern auf 25 Prozent gedeckelt
       werden. Kleine und mittlere Einkommen sollen ebenfalls steuerlich entlastet
       werden, genaue Zahlen gibt es dazu aber nicht im Programm.
       
       Die neuen Sozialleistungen bleiben überschaubar: Das Elterngeld wird um
       zwei Monate verlängert. Für eine neue Altersvorsorge von Geburt an, eine
       sogenannte „Generationenrente“ will die Union einen staatlichen monatlichen
       Zuschuss lediglich „prüfen“. Pflegegeld und Pflegeleistungen sollen
       entsprechend der Lohnentwicklung „dynamisiert“ werden.
       
       Einiges wird liberalisiert: Die Verdienstgrenze für Minijobs soll von 450
       auf 550 Euro angehoben, die tägliche Höchstarbeitszeitgrenze von 10 Stunden
       soll fallen und durch Begrenzungen der Wochenarbeitszeit ersetzt werden.
       
       Die Hartz-IV-Sanktionen will die Union beibehalten. „Vertraute
       Wohnsituationen“ sollen geschützt werden, wenn jemand nach einer langen
       Arbeitsphase seinen Job verliert und Hartz IV beantragen muss. Dies könnte
       an die aktuelle Regelung anknüpfen, nach der die Angemessenheit der Wohnung
       beim Erstbezug von Hartz IV für die ersten sechs Monate nicht in Frage
       gestellt wird.
       
       Die großen Verteilungsfragen etwa bei Rente, Pflege und Hartz IV bleiben
       damit ausgespart. Interessant ist, dass in den vorherigen Entwürfen zum
       Unions-Wahlprogramm, die in der vergangenen Woche bekannt wurden, erheblich
       konkretere, aber eben auch konfliktträchtigere Ankündigungen enthalten
       waren.
       
       So wurde in einem früheren Entwurf die Verdienstgrenze für Minijobs sogar
       auf 600 Euro erhöht, gleichzeitig sollten die Minijobs aber
       rentenversicherungspflichtig werden, wenn sie nicht von Schüler:innen,
       Student:innen oder Rentner:innen ausgeübt werden. Damit hätten etwa
       durch Minijobs hinzuverdienende Ehefrauen höhere Abgaben gehabt, aber eben
       auch einen kleinen Rentenanspruch erworben.
       
       Gestrichen wurde auch der Vorschlag, für das Ansparen einer
       „Generationenrente“ einen monatlichen staatlichen Zuschuss von 100 Euro ab
       Geburt für jeden jungen Menschen bis zum 18. Lebensjahr zu gewähren.
       Ebenfalls weggefallen ist der Passus, dass Geringverdiener:innen
       künftig verpflichtend eine staatlich bezuschusste zusätzliche betriebliche
       Altersvorsorge hätten abschließen müssen.
       
       Der Wunsch der CSU, die „Mütterrente“ aufzustocken für Kinder, die vor dem
       Jahre 1992 geboren wurden, steht nicht im Wahlprogramm – es wäre ein teures
       Versprechen gewesen.
       
       Das Wahlprogramm glänzt letztlich im Sozialen vor allem durch seine
       Leerstellen. Die Wirtschaftsförderung erinnert an die Wirtschaftsförderung
       in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit um die Nullerjahre. Genau dieses
       Problem der Massenarbeitslosigkeit gibt es im Moment aber nicht in
       Deutschland.
       
       Klappt das auch? Bei der Forderung der Grünen, den Mindestlohn anzuheben
       und Sanktionen für Hartz-IV-Empfänger:innen abzuschaffen, wird die Union
       wohl nicht mitmachen. Barbara Dribbusch
       
       ## Wohnen
       
       Das will die Union: Einen bundesweiten Mietendeckel wird es mit der Union
       nicht geben. „Wir setzen nicht auf rechtlich fragwürdige und ungeeignete
       Eingriffe, wie den Mietendeckel“, heißt es im Wahlprogramm. Überraschend
       ist das nicht: Schließlich haben Union und FDP den Berliner Mietendeckel
       auch vor das Bundesverfassungsgericht gebracht. Statt Mieten zu begrenzen,
       setzt die Union auf schnelleres Bauen, Nachverdichtung in Städten und ein
       stärker bebautes Umland. Nur wenn das Wohnungsangebot steige, könnten
       Mieten stabil bleiben. Bis 2025 sollen über 1,5 Millionen neue Wohnungen
       entstehen.
       
       Steuerliche Investitionsanreize sollen bei der Umsetzung helfen: Wer neue
       Mietwohnungen schafft, soll auch nach Ende 2021 fünf Prozent der
       Anschaffungs- und Herstellungskosten zusätzlich von der Steuer absetzen
       können. Zudem soll Bauen schneller und unkomplizierter werden: Die Anzahl
       der Bauvorschriften soll signifikant verringert werden. Wenn ein
       vollständiger Bauantrag nach zwei Monaten nicht bearbeitet wurde, soll er
       als genehmigt gelten. Bauland soll flexibel ausgewiesen werden.
       
       Die energetische Sanierung von Gebäuden bezeichnet die Union als „ein
       Muss“, um die Klimaziele zu erreichen. Mieter:innen sollen zeitgleich
       aber vor finanzieller Überbelastung geschützt werden. Dafür will die Union
       die Wohnungsbaugesellschaften „in die Pflicht“ nehmen. Zudem soll die
       steuerliche Förderung der energetischen Sanierung, insbesondere von
       Betriebsgebäuden und von vermieteten Wohnungen, weiter verbessert werden.
       
       Die Union will auch den sozialen Wohnungsbau fördern, Wohnraum müsse „auch
       für Menschen mit geringem Einkommen bezahlbar sein“. Mit den Ländern will
       die Union erörtern, ob sie auf jeden Bundes-Euro mindestens einen Euro
       drauflegen und zweckgebunden einsetzen. Das Wohngeld soll zudem ab 2022
       regelmäßig angepasst werden – was „regelmäßig“ konkret bedeutet, steht aber
       nicht im Programm. Damit Menschen möglichst lange in ihrem angestammten
       Wohnumfeld bleiben können, soll der altersgerechte oder barrierefreie Umbau
       über Programme der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) unterstützt werden.
       
       Der Traum vom Eigenheim darf bei der Union nicht fehlen. Mithilfe der KfW
       sollen Familien mit Kindern durch Darlehen, Tilgungszuschüsse oder
       Zinsverbilligungen profitieren. Erstkäufer:innen sollen zudem bei der
       Grunderwerbsteuer entlastet werden, wenn der Wohnraum selbst genutzt wird.
       Den Ländern soll deshalb ermöglicht werden, einen Freibetrag bei der
       Grunderwerbssteuer zu gewähren: 250.000 Euro pro Erwachsenen plus 100.000
       Euro pro Kind. Mietkaufmodelle sollen es „vor allem jungen Menschen mit
       geringerer Kapitalausstattung ermöglichen, Wohneigentum zu erwerben.“ In
       diesem Zusammenhang will die Union die Unterstützung genossenschaftlicher
       Wohnmodelle „prüfen“.
       
       Auch das Leben auf dem Land soll berücksichtigt werden. Strukturschwache
       Regionen und ländliche Räume sollen verlässlich gefördert und zu
       „Innovationsräumen“ werden. „Wir wollen, dass Startups leerstehende
       landwirtschaftliche Gebäude und ehemalige Stallungen nutzen können“ heißt
       es etwa im Wahlprogramm. Neben massivem Breitbandausbau auf dem Land sollen
       auch Co-Working-Spaces kreatives Arbeiten fördern. Innenstädte sowie
       Dorfkerne sollen durch Förderprogramme attraktiver werden.
       
       Klappt das auch? Für die Union ist der bestehende Mieterschutz ausreichend.
       Sie setzt vor allem auf Bauen und Eigentumsbildung. Die Grünen wollen zwar
       auch den Erwerb von Wohneigentum erleichtern, aber insgesamt ist ihr
       Programm in puncto Wohnen sehr viel mieterfreundlicher und
       gemeinwohlorientierter. Das Recht auf Wohnen soll etwa ins Grundgesetz
       geschrieben und ein „Nationales Aktionsprogramm zur Vermeidung und
       Bewältigung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit“ aufgelegt werden.
       
       Zudem wollen die Grünen eine „Neue Gemeinnützigkeit für sozialen Wohnraum“,
       Mietobergrenzen im Bundesgesetz ermöglichen, ein Immobilienregister der
       Eigentümer:innen soll Spekulation entgegenwirken und zu mehr
       Transparenz führen. Aber ob nach Verhandlungen mit der Union viel davon
       übrig bleibt? Eher nicht. Allein 2020 flossen durch Großspenden 1,25
       Millionen Euro aus der Immobilienbranche zur CDU. Jasmin Kalarickal
       
       ## Innere Sicherheit
       
       Das will die Union: Einen starken Staat und „Null Toleranz“ für
       Gesetzesbrüche. Vereine und Symbole von Extremisten sollen verboten,
       Einreise- und Aufenthaltsverbote verhängt werden, ebenso Abschiebungen und
       „Grundrechtsverwirkungen“. Neuer Lieblingsgegner sind die „kriminellen
       Clans“. Arabische Familien und zuletzt auch der Grundrechtereport
       kritisieren hier schon heute eine Stigmatisierung. Obwohl die Union an
       anderer Stelle festhält, was man so früher nicht las: „Der
       Rechtsextremismus bleibt die größte Bedrohung für unsere offene
       Gesellschaft.“
       
       Für die Bekämpfung soll Technik her. Bodycams für Polizist:innen,
       Vorratsdatenspeicherung im Kampf gegen Kindesmissbrauch, Gegenattacken bei
       Cyberangriffen („Hackbacks“) oder Quellen-Telekommunikationsüberwachung für
       Handys und Laptops und Onlinedurchsuchungen. Angekündigt ist auch
       „intelligente“ Videoüberwachung, inklusive automatisierter
       Gesichtserkennung – wozu Pilotprojekte bisher allerdings durchwachsene
       Resultate lieferten.
       
       Die Sicherheitsbehörden sollen mit noch mehr Personal, Ausstattung und
       Befugnissen ausgerüstet werden. Für Angriffe auf Polizist:innen soll es
       Strafen bis zu 10 Jahren Haft geben. Und rechtsextreme Vorfälle bei den
       Sicherheitsbehörden? Dazu wird nur zur Bundeswehr vermerkt: „Für
       Extremisten ist in der Bundeswehr kein Platz.“
       
       Klappt das auch? Mehr Personal für die Polizei und eine konsequente
       Überwachung von Gefährdern wollen auch Grüne oder SPD. Während die Grünen
       aber einen „Neustart“ für den Verfassungsschutz wollen, lehnt die Union
       hier „jede Form der Schwächung“ explizit ab. Bei der Technik wird es noch
       schwieriger.
       
       Bei der Technik wird es noch schwieriger. Bei Staatstrojanern und dem
       Infiltrieren von technischen Geräten machen die Grünen nicht mit. Die
       Vorratsdatenspeicherung wird dort als anlasslose Massenüberwachung
       abgelehnt, automatisierte Gesichtserkennung als Abschaffung der Anonymität
       im öffentlichen Raum. Sollten diese Maßnahmen dennoch kommen, dürften sie
       von Gerichten geprüft werden – und womöglich wieder kassiert. Konrad
       Litschko
       
       ## Migration
       
       Das will die Union: CDU und CSU wollen die Migration in die EU und nach
       Deutschland künftig noch stärker regulieren. „Wir setzen unsere
       Anstrengungen fort, damit die Zahl der nach Deutschland und Europa
       flüchtenden Menschen nicht nur dauerhaft niedrig bliebt, sondern sich
       weiter reduziert“, heißt es im Wahlprogramm der Union. Dafür will sie
       bereits bestehende Instrumente der Migrations- und Asylpolitik fortführen
       beziehungsweise verschärfen.
       
       So verspricht die Union, die Europäische Grenzschutzagentur Frontex zu
       „einer echten Grenzpolizei und Küstenwache mit hoheitlichen Befugnissen
       ausstatten“ und deren Personal „deutlich aufstocken“ zu wollen.
       Asylentscheidungen sollen künftig in „europäisch verwalteten
       Entscheidungszentren an den EU-Außengrenzen“ erfolgen. Gleichwohl spricht
       sich die Union für eine „grundlegende Reform“ des europäischen Asylsystems
       und eine „faire und solidarische Verteilung der Kosten und Lasten“ aus.
       
       Die Union bekennt sich zum Grundrecht auf Asyl, will aber die Anreize für
       „illegale Migration“ senken. Dazu sollen unter anderem
       „Bleiberechtsmöglichkeiten“ von Geduldeten künftig von
       Integrationsnachweisen abhängig gemacht werden. Die Union verspricht auch,
       konsequenter abzuschieben.
       
       So sollen neue „Gewahrsamseinrichtungen“ an Flughäfen Sammelabschiebungen
       erleichtern, Ausreisegewahrsam und Abschiebungshaft „prasxistauglicher“
       werden. Wer im Asylprozess falsche Angaben zu seiner Identität macht, soll
       nach Wunsch der Union den Anspruch auf Duldung verlieren. Falschaussagen
       gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) sollen künftig
       strafbar sein.
       
       Zudem möchten CDU/CSU mit einem juristischen Kniff weitere sogenannte
       sichere Herkunftsstaaten „festlegen“, um Asylbewerber:innen „leichter
       und schneller“ in ihre Heimat zurückführen zu können. In der Vergangenheit
       scheiterte dies mehrfach am Widerstand von Grünen und Linken im Bundesrat.
       Die Union strebt deshalb das Konzept des „kleinen sicheren
       Herkunftsstaates“ an. Eine Einstufung dazu soll ohne Zustimmung des
       Bundesrats möglich sein.
       
       Auch beim Thema Fachkräfte setzt die Union auf „gesteuerte und gezielte“
       Zuwanderung. Als Beispiele für „erfolgreiche Einwanderungsgeschichten“
       führt die Union die beiden Biontech-Gründer:innen Uğur Şahin und Özlem
       Türeci an. Gleichzeitig stellt sie klar, dass Zuwanderung nur dann „ein
       Gewinn und eine Chance für unser Land ist, wenn sie von gelungener
       Integration begleitet ist“.
       
       Klappt das auch? Mit der SPD als Koalitionspartner hat die Union in der
       Vergangenheit ziemlich viele Asylrechtsverschärfungen durchbekommen. Ob das
       auch auch mit den Grünen geht, die bei der Flüchtlingspolitik auf
       humanitäre Werte pochen, ist fraglich. Differenzen gibt es zuhauf: Die
       Grünen wollen mehr legale Migration, sind gegen Abschiebungen nach
       Afghanistan und würden zivile Seenotretter:innen mit EU-Geldern
       fördern. Das alles ist mit CDU/CSU nicht zu machen.
       
       Umgekehrt dürften die grünen Linien zum Beispiel den „sicheren“
       Drittstaaten liegen. In vielen Punkten verfolgen Union und Grüne die
       gleichen Ziele: beide wollen Fluchtursachen bekämpfen, Ausreisepflichtige
       abschieben, Zuwander:innen integrieren. Ralf Pauli
       
       ## Außenpolitik und Militär
       
       Das will die Union: Die Bundeswehr soll öfter schießen: Deutschland solle
       international „mehr Verantwortung“ übernehmen, auch bei „robusten
       Einsätzen“. An welchen Konflikten sich das deutsche Militär konkret
       beteiligen sollten, listen CDU und CSU im Wahlprogramm nicht auf.
       
       Aber: Mehr Geld brauche die Bundeswehr auf jeden Fall. Die Union hält am
       Zwei-Prozent-Ziel der Nato fest, was darauf hinausliefe, dass die deutschen
       Militärausgaben weiter steigen. Sie will Kampfdrohnen für die Bundeswehr
       besorgen und die „notwendigen Mittel“ für die „Fortsetzung der nuklearen
       Teilhabe innerhalb der Nato“ bereitstellen – sprich: neue Atombomber kaufen
       oder die altersschwachen Tornado-Jets noch länger in Betrieb halten.
       
       Innerhalb der Bundesregierung will die Union einen „Nationalen
       Sicherheitsrat“ einrichten, der die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik
       koordiniert. Das wäre eine der wenigen Innovationen in diesem Bereich;
       ansonsten setzt die Union außenpolitisch vor allem auf „Weiter so“.
       Deutschland soll Russland „konstruktiv und entschlossen begegnen“ (die
       Pipeline Nordstream 2 wird im Programm nicht erwähnt) und China „auf
       Augenhöhe begegnen“ (kein Wort zu Menschenrechtsverletzungen in Hongkong
       oder Xinjiang).
       
       Apropos Menschenrechte: Strengere Regeln für Rüstungsexporte erwähnen CDU
       und CSU nicht. Damit schließen sie Verschärfungen aber zumindest nicht
       explizit aus.
       
       Deutlich ist die Union hingegen bei der EU-Politik: Der Coronatopf, aus dem
       die Mitgliedsländer kreditfinanzierte Wirtschaftshilfen erhalten, soll eine
       einmalige Sache bleiben: „Sie ist kein Einstieg in eine Schuldenunion und
       darf es nie werden.“ So schnell wie möglich sollen die EU-Staaten wieder
       zur Sparpolitik zurückkehren. Die „Fiskalregeln des Stabilitäts- und
       Wachstumspakts“ wolle man „zügig wieder in Kraft setzen“ und Verstöße
       „konsequent sanktionieren“. Europäische Sozialversicherungen lehnen CDU und
       CSU ab.
       
       Klappt das auch? In der EU-Politik wollen die Grünen das Gegenteil: die
       Währungsunion „zu einer Sozialunion ausweiten“ und das „neu geschaffene
       Wiederaufbauinstrument verstetigen“. Hier könnten in schwarz-grünen
       Koalitionsgesprächen größere Hürden liegen. In den anderen Bereichen sind
       Kompromisse eher denkbar, zumal die Grünen vor allem in militärischen
       Fragen zuletzt von Maximalforderungen abgelassen haben.
       
       Das Zwei-Prozent-Ziel könnte sich allerdings durch einfache Mathematik
       erledigen: Wenn die Union Steuern für Reiche senken will und keine neuen
       Schulden aufnehmen möchte, ist ein deutlicher Anstieg der Militärausgaben
       wohl kaum finanzierbar. Tobias Schulze
       
       ## Digitalisierung
       
       Das will die Union: Modern soll das Land werden, ganz vorne dabei sein in
       Sachen Künstlicher Intelligenz und digitaler Infrastruktur, mit einer
       Verwaltung, die online läuft, mit der die Bürger:innen nicht an
       Zettelwirtschaft und Endloswartezeiten bei den Behörden verzweifeln. Die
       Devise lautet: Digitale Transformationsoffensive in Wirtschaft und
       Gesellschaft.
       
       Unternehmen und Behörden sollen besser ausgestattet werden. Aber die Union
       will auch Tech-Giganten in die Schranken weisen. Schließlich sollen
       digitale Plattformen ein Treiber für Wirtschaftswachstum sein. Wie diese
       Regeln aussehen werden, wird sich zeigen.
       
       Die Pandemie hat schmerzhaft gezeigt, dass Deutschland in vielen Bereichen
       digitales Neuland ist. Den missglückten Start der Corona-Warn-App, den
       Stress beim digitalen Impfausweis oder dem elektronischen Personalausweis
       hätte man sich gerne erspart. Deshalb soll es ein eigenes Ministerium
       geben, wenn die Union wieder in der Regierung ist. Dessen Aufgabe:
       Digitalisierung und Technologie auf allen Ebenen voranzubringen.
       
       Ehrliche Aussagen gibt es beim Datenschutz. Digitale Informationen der
       Bürger:innen jeglicher Art, also auch aus den Bereichen Gesundheit oder
       Versicherungen, sollen verstärkt genutzt werden können. Eine übertriebene
       Auslegung von Datenschutzanforderungen dürfe nicht dazu führen,
       Innovationen zu hemmen und Verfahren bürokratisch zu verlangsamen, heißt es
       im Wahlprogramm.
       
       Klappt das auch? Hohe Anschlussfähigkeit mit der FDP und den Grünen. Bei
       letzteren wird es allerdings Gerangel um die Auslegung des Datenschutzes
       geben. Ohne mit der Wimper zu zucken, alle Informationen der
       Bürger:innen digital zu erfassen und zu sammeln, das wird nicht im Sinne
       der Grünen sein. Die Forderung Datenschutz und Datenschatz modern denken
       und die Auslegung „Datenschutz ist kein Super-Grundrecht“ wird also zu
       heftigen Debatten und Auseinandersetzungen führen. Tanja Tricarico
       
       21 Jun 2021
       
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       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Grundrechtereport 2023: Das „Nie wieder“ des Grundgesetzes
       
       Die Ex-Verfassungsrichterin Susanne Baer nennt das Grundgesetz eindeutig
       antirassistisch. Erstaunlicherweise sei das kaum wahrgenommen worden.
       
   DIR Umweltexperte zu Nordstream2: „Entweder Pipeline oder Klimaziele“
       
       Als Brücken-Rohstoff für den Kohle- und Ölausstieg ist Erdgas nicht
       geeignet, sagt DUH-Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner.
       
   DIR Podcast „Bundestalk“: Ist der grüne Höhenflug vorbei?
       
       Das Wahlprogramm der CDU ist schwammig, die Grünen wirken zur Zeit eher
       ratlos. Was bedeutet das für den anstehenden Bundestagswahlkampf?
       
   DIR Bauen und Wohnen: Kampf um Grund und Boden
       
       Die Ressource Land ist endlich. Das sorgt oft für Streit – auch in
       Neuenhagen. Von Wildschweinen, Verkehrslärm und der Frage: Wie wollen wir
       leben?
       
   DIR Merkels letzte Regierungserklärung: Als wäre alles wie immer
       
       Angela Merkel spricht ein letztes Mal im Bundestag – ganz ungerührt, so
       scheint es. Dann folgt ein Schaulaufen der drei KanzlerkandidatInnen.
       
   DIR Rhetorik im Wahlkampf: Zuspitzen statt Wegducken
       
       Die CDU macht mit Verbotsszenarien bei Arbeitern Stimmung gegen die Grünen.
       So wird das im Wahlkampf nun weitergehen. Außer man probiert es mal anders.
       
   DIR Höhere Rüstungsausgaben: Keine Kohle für Kampfjets
       
       Der Bundestag hat Militärausgaben von 16 Milliarden Euro bewilligt. Woher
       das Geld dafür kommen soll, beantwortet zumindest die Union nicht.
       
   DIR Wahlprogramm von CDU und CSU vorgestellt: Laschet will „Modernisierungsschub“
       
       Die Union garantiere „Sicherheit und Zusammenhalt“, sagt der
       Kanzlerkandidat. Auch soziale Fragen und Klimapolitik wollen CDU und CSU
       für sich entdeckt haben.
       
   DIR Entwurf des CDU-Wahlprogramms: Weitgehende Leere
       
       Die CDU bleibt beim Klimaschutz wolkig. In der Asyl- und Innenpolitik setzt
       sie dagegen auf Härte. Für ein etwaiges schwarz-grünes Bündnis verheißt das
       nichts Gutes.
       
   DIR Wahlprogramm der Union: Klima? Eine wolkige Angelegenheit
       
       Ein Entwurf für das Wahlprogramm der Union bleibt bei der Klimapolitik
       vage. Klarer positioniert die Partei sich bei der Inneren Sicherheit.