# taz.de -- Austritt aus Istanbul-Konvention: „Wir geben nicht auf“
> In Istanbul demonstrieren Tausende für den Verbleib der Türkei in der
> Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen – und auch für
> Minderheitenrechte.
IMG Bild: Türkische Frauen demonstrieren am Samstag gegen die Regierung
Istanbul taz | „Wir geben nicht auf“ und „Wir kämpfen um unser Leben“ stand
auf den Plakaten, die vorwiegend von Demonstrantinnen am Samstagnachmittag
in den Himmel von Istanbul gereckt wurden. Mehrere tausend DemonstrantInnen
waren aus dem ganzen Land an den Bosporus gekommen, um noch einmal deutlich
zu machen, was sie von der Entscheidung von Staatspräsident Recep Tayyip
Erdogan halten, [1][die Türkei aus der Istanbul-Konvention herauszulösen]:
„Es ist ein Skandal und ein Schlag ins Gesicht aller Frauen“, sagte eine
Teilnehmerin in einem Post auf YouTube.
Die Demonstration fand im asiatischen Stadtteil Maltepe statt, in einem
großen Park, der auf einem ins Meer aufgeschütteten Gelände liegt und
häufig für Demonstrationen der Opposition genutzt wird.
Insgesamt 131 Institutionen, Vereine, LGBTI-Verbände, Gewerkschaften, und
Parteien hatten zu der Kundgebung aufgerufen. Obwohl niemand ernsthaft
damit rechnet, dass Erdogan seine Entscheidung noch einmal revidiert,
wollen die TeilnehmerInnen nicht aufgeben.
„Bis zum 1.Juli, wenn der Austritt aus der Konvention in Kraft treten soll,
machen wir weiter“, sagte eine Vertreterin der Plattform „Wir werden
Femizide stoppen“. „Selbstverständlich werden wir auch danach den Kampf
gegen Gewalt gegen Frauen fortsetzen“.
## Auch die LGBTI-Community demonstriert mit
Nach der Zählung der Gruppe sind im letzten Jahr über 300 Frauen von ihren
Partnern, Ex-Partnern oder männlichen Familienangehörigen ermordet worden.
Einige Morde sind als Selbstmorde getarnt, deshalb ist die Zahl immer etwas
strittig. Einige Frauen werden auch von Männern umgebracht, die nicht zu
ihrem Umfeld gehören, auch dann bestreitet die Polizei häufig, dass es sich
um einen Femizid handelt. Allein im Jahr 2021 sollen bereits wieder 177
Frauen ermordet worden sein.
Ebenfalls von zunehmender Gewalt betroffen sind alle Mitglieder der
LGBTI-Community. Viele von ihnen waren am Samstag ebenfalls bei der
Kundgebung in Maltepe, vereinzelt versuchte die Polizei sogar ihre Fahnen
zu beschlagnahmen.
Während die Regierung von Präsident Erdogan Gewalt gegen Schwule, Lesben
und Transsexuelle propagandistisch legitimiert und jede nicht
heterosexuelle Lebensweise als „unislamisch“ verunglimpft, verurteilt sie
zwar verbal Gewalt gegen Frauen, tut aber nur wenig dagegen.
## Frauenbild der AKP legitimiert Gewalt gegen Unangepasste
Tatsächlich, sagen KritikerInnen, trägt das von der AKP propagierte
Frauenbild dazu bei, Gewalt gegen Frauen, die sich nicht an das islamische
Frauenbild halten, zu legitimieren. „Die Frauen sind selbst schuld“ heißt
es dann hinter vorgehaltener Hand.
Mit dem Beitritt zur [2][Istanbul-Konvention], die so heißt, weil sie 2011
in der türkischen Metropole auf einer Konferenz des Europarates
verabschiedet wurde, wollte Erdogan eigentlich diesem Eindruck
entgegentreten.
Im letzten Jahr gab er dann der Kritik von Islamisten und Konservativen
nach, die immer wieder moniert hatten, die internationale Vereinbarung zum
Schutz von Frauen und Minderheiten führe dazu, dass der häusliche Friede
durch aufsässige Frauen gefährdet würde. Das Patriarchat darf in Erdogans
Partei nicht infrage gestellt werden.
20 Jun 2021
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## AUTOREN
DIR Jürgen Gottschlich
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