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       # taz.de -- Protest gegen Flussbad: Thierse will nicht baden gehen
       
       > Die Initiatoren der Einheitswippe wehren sich gegen die Freitreppe samt
       > Aufzug und Fahrradständer an der Spree: Sie seien ein „Stinkefinger“
       
   IMG Bild: So soll es einmal werden mit dem Flussbad. Das Einheitsdenkmal fehlt auf der Simulation
       
       Berlin taz | Wolfgang Thierse ist ungehalten. „Wir wehren uns gegen die
       bauliche Verachtung dieses Denkmals durch die Berliner Baubehörden“,
       grantelt der ehemalige Bundestagspräsident. Neben ihm steht Günter Nooke
       von der CDU, auch er schimpft. „Das Bauvorhaben des Senats ist ein
       Stinkefinger gegen das Denkmal.“ Dann fallen auf der provisorischen
       Pressekonferenz am Donnerstag zwischen Humboldt-Forum und Spree noch Worte
       wie „übergriffig“ und „Misshandlung“.
       
       Thierse (SPD) und Nooke sind nicht nur ehemalige Bürgerrechtler. Sie sind
       auch Mitinitiatoren der Einheitswippe, weniger salopp auch als [1][Berliner
       Freiheits- und Einheitsdenkmal] „Bürger in Bewegung“ bekannt. Das wird in
       der Berliner Öffentlichkeit zwar eher schulterzuckend zur Kenntnis
       genommen. Was Thierse und Nooke aber nicht daran hindert, bestimmen zu
       wollen, was rund um die Wippe sein darf und was nicht. Der Aufzug
       jedenfalls, der hinunter zum geplanten [2][Flussbad] im Spreekanal führt,
       soll nicht dürfen. Und auch keine Fahrradständer.
       
       Vielleicht könnte man über derlei Empörungen hinwegsehen, wären sie nicht
       eine neuerliche Auflage eines Kulturkampfes, den 2015 schon Hermann
       Parzinger angefacht hatte, der Präsident der Stiftung Preußischer
       Kulturbesitz. In einem [3][Gastbeitrag] im Tagesspiegel hatte der seiner
       Abneigung gegenüber dem Flussbad freien Lauf gelassen. „Hier werden
       Hunderte nicht nur baden, sondern feiern wollen“, schrieb er. „Ich empfehle
       einen Besuch am Schlachtensee oder in den Freibädern von Neukölln,
       Kreuzberg oder Pankow, dort ist die Situation längst gekippt. Unmengen von
       Müll, Polizei, Anwohnerklagen, Dauerparty, gute Nacht, Museumsinsel!“
       
       Die Protestierenden, die am Donnerstag gegen den Aufzug ihr Wort erhoben,
       teilen diese Befürchtung. Zwar betonte Thierse, er habe nichts gegen ein
       Flussbad. „Aber muss es ausgerechnet hier sein?“ Nooke sprach von einem
       „Spaßbad“, das ausgerechnet vor dem Stadtschloss entstehen soll.
       
       Zuvor hatten Thierse, Nooke und 60 weitere Unterzeichner in einem Schreiben
       an Berlins Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) gefordert,
       „entweder die Flussbadtreppe direkt neben dem Denkmal in Gänze oder
       zumindest deren übergriffige und die Wirkung des Denkmals schmälernde
       Gestaltung zu stoppen“. Zu den Unterzeichnern gehören auch Grüne wie der
       ehemalige Abgeordnete Wolfgang Wieland. Der Übergriff, das ist ein
       Fahrstuhl, der vom Spreeufer auf die Schlossfreiheit führen soll, wo das
       Denkmal entsteht. Für öffentliche Bauten – wie auch die Fahrradständer –
       eine Selbstverständlichkeit. Für Thierse und seine Mitstreiter nun eine
       willkommene Gelegenheit, gegen die Treppe und das Flussbad zu wettern.
       
       In einem Schreiben wehren sich die Vorstandsmitglieder des Vereins Flussbad
       Berlin inzwischen gegen die Vorwürfe. „Es ist nachvollziehbar, dass Sie
       sich als Initiatoren dieses ambitionierten Denkmalprojektes für dessen
       konzeptionelle und visuelle Integrität einsetzen“, heißt es an die Adresse
       von Thierse und Co. „Allerdings wenden wir uns dagegen, dass über die
       erkennbaren eigentlichen Belange hinaus wahllose und haltlose Behauptungen
       gegen das mit dem Bau der Freitreppe assoziierte Flussbad Berlin-Projekt
       verbreitet werden.“
       
       Die Freitreppe, deren barrierefreie Ergänzung der Aufzug ist, ist Teil der
       baulichen Maßnahmen, mit denen der Zugang zum Spreekanal geschaffen werden
       soll, um nach der Sanierung darin schwimmen zu können. Wie die
       Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen auf einer freigeschalteten
       Internetseite am Mittwoch informierte, soll sie vor dem Humboldt-Forum im
       Rahmen des Programms [4][„Nationale Projekte des Städtebaus 2019“]
       realisiert werden. Zuvor hatte der Bund in diesem Programm die
       konzeptionelle Weiterentwicklung des Flussbades gefördert. „Die Freitreppe
       leistet einen wichtigen städtebaulichen Beitrag zur Aufwertung des
       öffentlichen Raums und zur Stärkung der Aufenthaltsqualitäten in diesem
       Bereich der Spreeinsel“, heißt es bei der Verwaltung von Senator Sebastian
       Scheel (Linke).
       
       ## Treppe soll bald fertig sein
       
       Scheels Sprecherin Katrin Dietl bekräftigte gegenüber der taz noch einmal
       die Unterstützung für das Projekt. Die Freitreppe sei die Startmaßnahme für
       das Flussbadprojekt und solle bis 2023 fertiggestellt sein. Das gesamte
       Vorhaben sei für einen Zeitrahmen von 15 Jahren angelegt.
       
       Dass viele Fragen rund um das Flussbad bislang noch unklar sind, liegt für
       Mitinitiator Jan Edler auch daran, dass bislang nur das vom Bund geförderte
       und 2019 fertiggestellte „Städtebauliche Konzept für die Aktivierung des
       Spreekanals“ vorliegt. „Ein nächster Schritt wäre nun die Umsetzung des
       Konzepts in einem Planfeststellungsverfahren“, sagt Edler der taz.
       „Allerdings wollen wir vorher noch eine Reihe von Punkten klären.“ Edler
       verweist in diesem Zusammenhang auf die Komplexität des Projekts. Er könnte
       aber auch sagen, dass das Berliner Flussbad ein Pionierprojekt ist, auf das
       die geltenden Verordnungen wie etwa die Badegewässerverordnung nur
       unzureichend vorbereitet sind. Die sieht zum Beispiel vor, dass in
       unmittelbarer Nähe von Brücken nicht gebadet werden darf.
       
       Deshalb ist die Strategie Edlers durchaus nachvollziehbar, mögliche
       Probleme bei der Genehmigung im Vorfeld auszuräumen. Erst danach soll es zu
       einem Planfeststellungsverfahren kommen, bei dem die Verwaltung von
       Umweltsenatorin Regine Günther (Grüne) Genehmigungsbehörde ist. Dass es
       noch keinen Planfeststellungsbeschluss gibt, gehört zu den Kritikpunkten
       von Thierse und Nooke.
       
       Mit ihrem Brief an den Regierenden Bürgermeister versuchen die Initiatoren
       der Einheitswippe, das Thema Flussbad auch zum Wahlkampfthema zu machen.
       „Sie wissen als Regierender Bürgermeister, dass der Bau des Freiheits- und
       Einheitsdenkmals auch mit den Stimmen der Berliner Bundestagsabgeordneten
       von der SPD, der CDU und von Bündnis 90/Die Grünen beschlossen wurde“,
       heißt es in dem Schreiben. „Deshalb protestieren wir (…) gegen das
       bisherige Vorgehen der zuständigen Senatsverwaltung.“ Offenbar soll hier
       auch ein Keil in die rot-rot-grüne Koalition getrieben und der Linkspartei
       unterschwellig der Vorwurf gemacht werden, gegen die Erinnerung an
       Mauerfall und Einheit zu agieren.
       
       Bei den Grünen beißen die Demonstranten allerdings auf Granit. „Das
       Flussbad ist ein Projekt, auf das die Welt gucken wird. Das haben wir schon
       unterstützt, als wir noch in der Opposition waren“, sagt deren
       Fraktionsvorsitzende Antje Kapek. Für die Grünen verbindet das Flussbad
       stadtentwicklungspolitische und ökologische Ziele. „Bei einem solchen
       Projekt muss auch die Badegewässerverordnung angepasst werden“, fordert
       Kapek.
       
       Über den Protest wundert sie sich nicht. „Dass der Widerstand heftig werden
       wird, war klar.“ Am Donnerstag hat nun der Architekt der Einheitswippe
       angedroht, gegen den Fahrstuhl und die Fahrradständer Klage einzureichen.
       Der Kulturkampf geht weiter.
       
       24 Jun 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.milla.de/projekte/freiheits-und-einheitsdenkmal
   DIR [2] https://www.flussbad-berlin.de/
   DIR [3] https://www.tagesspiegel.de/kultur/welterbe-contra-badespass-flussbad-an-der-museumsinsel-bitte-nicht/12041200.html
   DIR [4] https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/forschung/programme/zip/nps/2018/foerderprojekte-2018/steckbriefe/berlin-schlossfreiheit.html?nn=2544806
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Uwe Rada
       
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