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       # taz.de -- Gentrifizierung in Friedrichshain: Co-Working-Space statt Tanzfläche
       
       > Dem Nuke Club in Friedrichshain wurde überraschend gekündigt.
       > Kultursenator Klaus Lederer verspricht, Druck auf den Vermieter
       > auszuüben.
       
   IMG Bild: Rumstehen: Die Clubszene in Berlin trotzt nicht nur Corona
       
       Berlin taz | Ende September soll es eigentlich [1][wieder so richtig
       losgehen] mit Konzerten im Friedrichshainer Nuke Club. Für den Einstand in
       den Neustart wurden die ungarischen Thrash-Metal-Veteranen Ektomorf
       gebucht, die bekannt seien für ihre “auf-die-Fresse-Mentalität“, wie es in
       der Ankündigung heißt. Es soll demnach ein Konzert ganz nach Art des Hauses
       werden. Der Nuke Club, der 2017 in die Räumlichkeiten des ehemaligen Clubs
       K17 zog, hat sich in Berlin einen Namen gemacht als Konzert- und Partyort
       für die Metal- und Gothicszene.
       
       Doch so wie es aktuell aussieht, wird der Auftritt der Ungarn ins Wasser
       fallen müssen. Nicht etwa wie üblich wegen Corona, sondern weil dem Club
       soeben überraschend gekündigt wurde. Und da der Mietvertrag mit dem
       Eigentümer des Geländes, auf dem sich der Nuke Club befindet, lediglich
       eine sechswöchige Kündigungsfrist vorsieht, soll der Laden bereits Ende
       Juli zumindest an seinem derzeitigen Standort in der Pettenkofer Straße
       16-18 Geschichte sein. 15 Monate im Lockdown und dann, wenn langsam die
       Hoffnung wiederkehren könnte, das tragische Ende.
       
       Tino Zaddach, der Betreiber des Nuke Clubs, sagt, rein rechtlich sei gegen
       die Kündigung wohl nichts einzuwenden. Man habe auch von Anfang an gewusst,
       dass man hier nur zur Zwischennutzung sei. “Aber menschlich wäre es seitens
       des Eigentümers fair gewesen, uns rechtzeitig zu sagen: Hört mal, es gibt
       nun ein Bauprojekt, bei dem euer Club nicht mehr mit eingeplant ist.
       Kümmert euch bitte jetzt schon um eine neue Location.“ Der Schock,
       überhaupt raus zu müssen, sei das eine. So unvermittelt raus auf die Straße
       gejagt zu werden eine echte Katastrophe. Es sei einfach verdammt schwer und
       zeitaufwendig, in Berlin eine Ausweich-Location von für den Bedarf des Nuke
       Clubs angemessener Größe zu finden.
       
       Er wirft dem Eigentümer vor, zu keinem Zeitpunkt mit offenen Karten
       gespielt zu haben. Dass dieser nun offensichtlich vorhabe, auf dem Gelände
       Büroflächen und Co-Working-Spaces zu errichten, habe er erst aus einem
       Artikel im Tagesspiegel erfahren, sagt er. Ihm gegenüber fiel in diversen
       Gesprächen, die es vor allem in der [2][schwierigen Corona-Zeit gegeben
       habe], dazu kein Wort. Dass verschleppte Mietzahlungen, die es während der
       Pandemie gegeben hat, wie er einräumt, zumindest auch ein Grund für die
       Kündigung sei, verneint er. Davon stehe im Kündigungsschreiben auch nichts.
       Außerdem sei dem Club erst vor kurzem eine neue Brandschutzanlage vom
       Vermieter bezahlt worden: “Was wir als Signal gedeutet haben, dass man uns
       auch längerfristig hier haben möchte.“
       
       ## Kultursenator will Druck ausüben
       
       Gespräche mit der S Immo Germany GmbH, die nach der ausgesprochenen
       Kündigung geführt wurden, verliefen ergebnislos, so Zaddach. Es bleibe
       dabei: Ende Juli soll Schluss sein.
       
       [3][Inzwischen gibt es eine Petition], die bereits fast zehntausend Mal
       unterschrieben wurde, in der die Aussetzung der Kündigung gefordert wird
       oder wenigstens eine Fristverlängerung bis mindestens Ende des Jahres. Und
       die Politik wird darin aufgefordert, bei diesem Versuch, einen Kulturort zu
       verdrängen, zu intervenieren.
       
       Was diese auch tut. Florian Schmidt, Baustadtrat von
       Kreuzberg-Friedrichshain, zeigt sich gegenüber dem “Tagesspiegel“ empört
       über das Vorgehen des Vermieters. Kultusenator Klaus Lederer verspricht,
       [4][richtiggehend Druck auf diesen ausüben zu wollen]. In der Clubszene,
       für die sich Lederer besonders engagiert, hat die S Immo AG sowieso nicht
       den besten Ruf, seit sie Anfang 2020 dem beliebten Neuköllner Club
       Griessmühle gekündigt hat. Lederer spricht nun von “gnadenloser
       Gentrifizierung“, der der Nuke Club zum Opfer falle.
       
       Während und wegen Corona musste bislang kein Berliner Club aufgeben. Nun
       erwischt es augenscheinlich doch noch einen, aber aus anderen Gründen.
       Vielleicht ist das ja auch ein Ausdruck für die langsame Rückkehr zur
       Normalität: Die Interessen von Immobilienkonzernen sind endlich wieder
       gefährlicher für den Erhalt der Clubszene als die Pandemie.
       
       Zaddach hört sich im Gespräch nicht so an, als würde er noch ernsthaft
       glauben, auf längere Sicht in der Pettenkofer Straße bleiben zu können.
       Aber wenigstens für eine Gnadenfrist möchte er kämpfen, sagt er. “Um hier
       vernünftig abschließen zu können.“
       
       24 Jun 2021
       
       ## LINKS
       
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