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       # taz.de -- Nach der Libyen-Konferenz: Die Bewährungsprobe
       
       > Die Lage in Libyen hat sich deutlich verbessert. Trotzdem muss
       > Deutschland auch mit Blick auf den erhofften Sitz im UN-Sicherheitsrat
       > mehr leisten.
       
   IMG Bild: Eine Man schwenkt die libysche Fahne am Jahrestag der Revolution, am 17. Februar 2020
       
       Seit der damalige [1][US-Außenminister James Baker] 1991 vorschlug,
       Deutschland solle womöglich einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat
       erhalten, haben sich viele Bundesregierungen mal mehr, mal weniger für
       dieses Ziel engagiert. Zwar spricht derzeit nichts dafür, dass das höchste
       Gremium bei den UN reformiert wird. Trotzdem hat [2][Bundesaußenminister
       Heiko Maas] das deutsche Engagement bei den Vereinten Nationen
       hochgefahren.
       
       Deutschland engagiert sich mit viel Geld, bei Blauhelmeinsätzen und
       zunehmend auch auf diplomatischem Parkett. Die [3][Libyen-Konferenz] diese
       Woche in Berlin kann man so auch als diplomatische Bewährungsprobe
       betrachten. Die Krise in dem nordafrikanischen Land ist schließlich eine
       der explosivsten und kompliziertesten weltweit. Leider jedoch ist die
       Aussicht auf Erfolg ähnlich gering wie die auf den ersehnten permanenten
       Sitz im Sicherheitsrat.
       
       Zwar hat Maas recht, wenn er feststellt, dass sich die Lage in Libyen seit
       der ersten Berliner Konferenz Anfang 2020 deutlich verbessert hat. Da galt
       es noch als undenkbar, dass eine Übergangsregierung Wahlen für Ende dieses
       Jahres vorbereiten könnte. Nach dem [4][Waffenstillstand vom Oktober]
       vertrat Premierminister Abdul Hamid Dbaiba sein Land in Berlin. Ein
       immenser Fortschritt. Doch solange [5][Soldaten und Söldner fremder Mächte]
       auf libyschem Boden sind, droht die Gefahr, dass ein Wahlverlierer den
       Krieg von Neuem beginnt.
       
       Deutschland ist es nicht gelungen, den für den Abzug nötigen Druck vor
       allem auf die Türkei, die Vereinigten Arabischen Emirate und Russland zu
       organisieren. Angeblich wollen Russland und die Türkei je 300 der auf
       20.000 geschätzten Söldner abziehen. Umso mehr hätte Maas andere Themen
       aufbringen müssen, allen voran die Menschenrechte. Doch die kommen erst
       ganz am Ende der Abschlusserklärung vor. Dort heißt es, man werde „die
       libyschen Behörden, sofern erforderlich, bei der Entwicklung eines
       umfassenden Ansatzes zum Umgang mit Migration unterstützen“. Sofern
       erforderlich?
       
       ## In Berlin nur allgemeine Aufrufe
       
       Die Organisation [6][Ärzte ohne Grenzen] hat die medizinische Versorgung
       von Flüchtlingen in zwei Internierungslagern der Regierung kürzlich wegen
       der überbordenden Gewalt eingestellt. Bis zu vier Flüchtende teilen sich
       dort einen Quadratmeter Fläche, es gibt Berichte über Folter, Hunger und
       Willkür. Mehr als 650.000 Geflüchtete sollen derzeit unter furchtbaren
       Bedingungen in Libyen leben, 6.000 von ihnen in Lagern.
       
       Deutschland machte das in Berlin zu wenig zum Thema, vermutlich auch, weil
       allein in diesem Jahr 14.000 Flüchtende von Libyens „Küstenwache“ vom
       Mittelmeer zurück in diese Hölle gebracht wurden. Bezahlt wird sie von der
       EU. Die Krise in Libyen droht zudem noch viel mehr Menschen in die Flucht
       zu treiben. Kenia, Niger und Tunesien warnten im Sicherheitsrat, aus Libyen
       abziehende Söldner und ihre Waffen drohten den ganzen Sahel zu
       destabilisieren.
       
       Im April wurde Tschads Präsident [7][Idriss Déby] von aus Libyen
       angreifenden Kämpfern getötet. Der sogenannte Islamische Staat oder Boko
       Haram sind ebenfalls mit Hilfe von Ex-Söldnern aus Libyen gewachsen. Wenn
       eine künftige libysche Regierung ihr Staatsgebiet besser schützt, ist die
       Gefahr groß, dass bitterarme und instabile Staaten mit denen zu kämpfen
       haben, die dann Libyen verlassen. Dieser Gefahr muss schon jetzt begegnet
       werden, mit internationaler Hilfe. In Berlin gab es dazu nur allgemeine
       Aufrufe.
       
       Deutschland als ständiges Mitglied im Sicherheitsrat, das wünschen sich
       Unterstützerstaaten auch deshalb, weil sie sich davon eine neue Dynamik
       erhoffen. Eine Diplomatie, die die Menschen und ihre unveräußerlichen
       Rechte in den Mittelpunkt stellt und bisher unüberwindbar scheinende Hürden
       bei der Beendigung teils jahrzehntelanger Konflikte einreißt. Um diesen
       Ansprüchen gerecht zu werden, muss Deutschland noch zulegen. Die nächste
       Bewährungsprobe kommt bestimmt.
       
       25 Jun 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.diplomatisches-magazin.de/artikel/wie-deutschland-einen-staendigen-sitz-im-un-sicherheitsrat-verspielte/
   DIR [2] /Heiko-Maas-in-Libyen/!5757320
   DIR [3] /Nach-der-Libyen-Konferenz/!5782973
   DIR [4] /Nach-Vereinbarung-in-Genf/!5723263
   DIR [5] /Krieg-in-Libyen/!5668759
   DIR [6] https://www.aerzte-ohne-grenzen.de/unsere-arbeit/einsatzlaender/libyen
   DIR [7] /Krieg-in-Tschad/!5768050
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marc Engelhardt
       
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