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       # taz.de -- Krise der Zentralafrikanischen Republik: Russland schickt die Söldnerplage
       
       > In der Zentralafrikanischen Republik schützen brutale russische Kämpfer
       > die Regierung. Dabei legen sie sich mit Frankreichs Verbündetem Tschad
       > an.
       
   IMG Bild: Keine französischen, sondern nun russische Söldner im zentralafrikanischen Bangui; 04, Januar 2021
       
       Berlin taz | Es ist ein kleiner, aber symbolischer Schritt: Frankreich hat
       seine Militär- und Finanzhilfe für die Zentralafrikanische Republik
       gestoppt. Kein einziger französischer Militärausbilder dient mehr im
       Verteidigungsministerium in der Hauptstadt Bangui, bestätigte die Regierung
       in Paris am Montag. Das französische Training ist ausgesetzt, 10 Millionen
       Euro Budgethilfe sind „ suspendiert“.
       
       Es ist eine Zeitenwende. Bis Mitte der 1990er Jahre führte Frankreich von
       Bangui und der großen Militärbasis Bouar aus Kriege gegen Libyen und in
       Ruanda. Doch dann zog sich Frankreich auf Tschad zurück und lenkte seine
       Aufmerksamkeit auf [1][Islamisten in der Sahelzone], während die
       [2][Zentralafrikanische Republik in Bürgerkriegen versank] und als
       Stabilitätsanker ausfiel.
       
       Heute stehen in Bouar und Bangui keine Franzosen mehr, sondern Russen. Von
       mehreren Hundert auf einige Tausend wird die Anzahl der russischen
       „Berater“ und „Spezialkräfte“ geschätzt, die teils in offizieller Mission,
       teils für private Sicherheitsdienste in der Zentralafrikanischen Republik
       unterwegs sind. Und sie standen in den letzten Monaten an vorderster Front
       gegen Rebellen, hinter denen die zentralafrikanische Regierung wiederum
       Tschad und Frankreich wittert.
       
       Unter dem 2016 erstmals gewählten [3][Präsidenten Faustin Touadéra] ist
       Moskau zum wichtigsten Verbündeten Banguis aufgestiegen. Seine Wahl sollte
       das Land befrieden, aber unzählige Rebellen kämpften weiter, während ein
       UN-Waffenembargo weiter gilt. Russland sprang in die Bresche und lieferte
       ab 2018 mit UN-Sondergenehmigung Waffen, begleitet von Militärberatern.
       
       ## Söldner für Russlands Interessen
       
       Touadéras oberster Sicherheitsberater ist heute der ehemalige russische
       Militärgeheimdienstoffizier Valeri Zakharow. Dessen Dolmetscher Dmitri
       Syti steht unter US-Sanktionen als Angestellter des Putin-Freundes Jewgeni
       Prigozhin, dessen Söldnerunternehmen „Wagner-Gruppe“ in
       [4][Bürgerkriegsländern wie Libyen] und Syrien russische Interessen auf
       unorthodoxe Weise sichert.
       
       Syti ist französischen Berichten zufolge Gründer der russischen Firma
       „Lobaye Invest“, die Goldminenrechte im Nordwesten der Zentralafrikanischen
       Republik hält. Genau in dieser Region sind die russischen Kämpfer am
       aktivsten, seit eine neue Rebellenkoalition im Dezember 2020 zu den Waffen
       griff.
       
       Als die Rebellen auf Bangui vorrückten, entsandte Russland 300
       „Militärberater“. Sie schlugen die Rebellen zurück und Moskau verkündete
       ihren Abzug. Dann rief Präsident Touadéra am 21. Januar den Ausnahmezustand
       aus und zwei Tage später berichteten lokale Medien von „Hunderten
       schwerbewaffneten Russen“, die gerade auf dem Flughafen von Bangui gelandet
       seien.
       
       Wenige Monate später gab Moskaus Botschaft in Bangui die Zahl der
       russischen „Ausbilder“ bei den zentralafrikanischen Streitkräften mit 535
       an. Am 10. Mai unterrichtete Russland den UN-Sicherheitsrat über die
       Entsendung von 600 weiteren „Ausbildern“.
       
       In den Monaten dazwischen eroberten die Russen im Nordwesten des Landes
       einen Ort nach dem anderen von den Rebellen zurück. Die UN-Expertengruppe
       über illegale Söldnereinsätze berichtete Ende März von
       „Massenhinrichtungen, wahllosen Festnahmen, Folter bei Verhören,
       Verschwindenlassen, Zwangsvertreibung der zivilen Bevölkerung, Angriffen
       auf zivile Einrichtungen, Verletzungen des Rechts auf Leben und zunehmende
       Angriffe auf humanitäre Akteure“ bei diesem Feldzug.
       
       ## „Spezieller Begriff von Sicherheit“
       
       Lokale Medien berichten, die fremden Kämpfer würden die Schweine der Bauern
       erschießen und essen, Mädchen vergewaltigen, Häuser verwüsten, auch
       Motorräder stehlen und nur gegen Geld wieder hergeben. Die russische
       Botschaft in Bangui nannte das im Mai „Früchte einer kranken Fantasie“ und
       „Dreck“, aber UNO und lokale Behörden haben Untersuchungen eingeleitet.
       
       Pikant dabei: Die russischen Kräfte kooperieren offiziell mit der
       [5][UN-Blauhelmmission in der Zentralafrikanischen Republik], die erst vor
       wenigen Wochen auf 14.400 Blauhelme aufgestockt wurde. Ein
       „Informationsaustauschmechanismus“ zwischen den „bilateralen“ Kräften aus
       Russland und den Blauhelmen soll verhindern, dass man sich gegenseitig in
       die Quere kommt. UN-Sanitärflugzeuge sollen sogar verwundete russische
       Kämpfer evakuiert haben.
       
       „Russland hilft einem Regime, nicht dem Land“, kritisierte der
       oppositionelle ehemalige Premierminister Martin Ziguélé in einem Interview.
       „Es leistet keinen Wiederaufbau, es schützt die Interessen einer Macht. Es
       hält zweifellos an einigen Orten eine Bedrohung fern, aber mit einem sehr
       speziellen Begriff von Sicherheit.“
       
       Der russische Sicherheitsbegriff sorgt nun auch international für Probleme.
       Ende Mai überquerten russische Kämpfer bei der Rebellenjagd die Grenze nach
       Tschad und töteten im Dorf Soubou einen Soldaten. Tschads Armee jagte die
       „Söldner aus Zentralafrika“ nach eigenen Angaben über die Grenze zurück. In
       einem zentralafrikanischen Dorf seien dann fünf Soldaten aus Tschad
       verschleppt und hingerichtet worden. Tschad spricht von einem
       „Kriegsverbrechen“, das „nicht ungesühnt“ bleiben werde. Die
       Zentralafrikanische Republik zeigt sich „überrascht“.
       
       So wird die Zentralafrikanische Republik jetzt zum Frontstaat in der neuen
       geopolitischen Konfrontation zwischen Paris und Moskau in Afrika.
       [6][Tschad ist Frankreichs wichtigster Militärverbündeter] in Afrika.
       Anfang Mai waren tschadische Rebellen, die zuvor in Libyen an der Seite
       russischer Wagner-Kräfte gedient hatten, in Tschad einmarschiert. An der
       Front gegen sie war [7][Tschads Langzeitherrscher Idriss Déby zu Tode
       gekommen].
       
       10 Jun 2021
       
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