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       # taz.de -- Kunst im Impfzentrum: Kein Warten ohne Werbung
       
       > Im ehemaligen Flughafen Tegel, jetzt ein Impfzentrum, hängen nun Poster
       > berühmter Gemälde. Verziert sind sie etwas eigenwillig.
       
   IMG Bild: Für ein letztes steriles Stück Lebenszeit: Impfzentrum (hier in Stuttgart, ohne Kunst)
       
       Man wartete viel in dieser Pandemie. Auf den Paketboten, die
       Essenslieferung, auf die erlösende Mitteilung des hoffentlich negativen
       PCR-Testergebnisses oder den Rücktritt von korrupten Unionsabgeordneten.
       
       Selbst jetzt, am scheinbaren Abflauen der Krise, ist der Wartemodus
       allgegenwärtig. Wir warten auf den Impftermin. Und, wenn dann der große Tag
       gekommen ist, warten wir ebenfalls: auf den Shuttlebus, in der Schlange
       vorm Eingang, nach der Impfung im Beobachtungsraum.
       
       [1][Auch im ehemaligen Flughafen Tegel,] jetzt ein Impfzentrum, wird wieder
       gewartet. Im Terminal sitzen wie damals auch heute Menschen auf Stühlen und
       lassen gedankenverlorene Blicke durch die Halle schweifen.
       
       Früher, vor Ende des Flugbetriebs, wartete man auf den Flieger gen Süden,
       jetzt auf den langersehnten Piks in Richtung Normalität. Beides ein
       Freiheitsversprechen, beides die verdammte Warterei wert, würde man meinen.
       Braucht es da noch Ablenkung oder gar vorfreudige Hinweise auf die
       Möglichkeiten, die das Reiseziel, respektive das irgendwann postpandemische
       Berlin bietet?
       
       ## Hashtags verdecken Kunst
       
       Schaden kann es vermutlich nicht und darum hängen in Tegel und den anderen
       Berliner Impfzentren jetzt Poster von Kunstobjekten aus Berliner Museen.
       Schöne Sache eigentlich, wären da nur nicht diese riesigen pinken
       #Hashtags, die die Hälfte der Kunst überdecken und sie zur schnöden Werbung
       verkommen lassen.
       
       Die Museen seien „endlich wieder offen für #travelgram“, steht da zum
       Beispiel. Was das bedeuten soll, bleibt unklar, aber irgendwo unter der
       Schrift vergraben können die Wartenden immerhin ein wunderschönes Gemälde
       ausmachen.
       
       Nun ist die Idee wahrlich nicht neu: Überall dort, wo Menschen warten
       müssen und ihre reizarme Umgebung mustern, lässt sich prima Aufmerksamkeit
       für allerlei Dinge erzeugen. An den weißen Wartehallenwänden eines
       Flughafenterminals hängen zum Beispiel auch oft Werbeplakate. Für Autos
       vielleicht, oder Dubai-Reisen oder irgendeinen Herrenduft.
       
       Erklärtes Ziel der Kampagne der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist es,
       [2][die Menschen zurück in die Museen zu locken.] Im Impfzentrum soll
       gezeigt werden, was da alles so in der Museumsinsel hängt.
       
       ## Berlinale im Testzentrum
       
       Doch warum hier schon aufhören? Dieser Tage werden auf jedem verfügbaren
       Quadratmeter Erdgeschoss Schnelltests durchgeführt, [3][die Berlinale läuft
       auch gerade] – wie wäre es also mit Kurzfilmvorführungen? 20 Minuten
       Wartezeit auf das Testergebnis, 20 Minuten Kurzfilm, passt zusammen!
       
       Auch telefonische Lesungen für alle, die seit der Aufhebung der
       Impfpriorisierung in den endlosen Warteschlangen der Hausärzt*innen am
       Hörer hängen, könnten den Menschen Lust machen auf Bücher. Literatur in
       kleinen Dosen, frei Haus.
       
       Wobei, vielleicht ist das gar nicht mal so eine gute Idee, den Alltag
       jenseits der Pandemie so weit in sein pandemisches Pendant hineinzulassen.
       Vielleicht wären sogar gerade die Impfzentren ein guter Ort, um in ihnen
       ein letztes steriles Stück Lebenszeit zu verbringen, so ganz ohne Kunst.
       Als Zeichen: Hier endet die monatelange Abstandhalterei, Desinfiziererei
       und Zimmerwände-Anstarrerei; hier kann man sie noch ein letztes Mal
       betrachten, die Coronarealität (jedenfalls in europäischen Gefilden).
       
       Doch so weit ist es für viele ohnehin noch nicht: Wer jung, ohne
       Vorerkrankungen oder Hausärzt*innen im Freundeskreis ist, wartet noch
       auf seine*ihre Erstimpfung. Und muss sich vorerst weiter in einer
       anderen Kunstform üben – der Geduld.
       
       13 Jun 2021
       
       ## LINKS
       
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   DIR [2] /Ausstellung-am-Berliner-Kulturforum/!5772950
   DIR [3] /Macher-des-Berlinale-Films-Anmassung/!5773307
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Julian Sadeghi
       
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