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       # taz.de -- Vorwürfe gegen Rapper Bushido: Hauptsache austeilen
       
       > Ein Video zeigt, wie Rapper Bushido vor 16 Jahren eine mutmaßlich
       > Minderjährige sexuell bedrängt. Doch in der Debatte spielt #MeToo kaum
       > eine Rolle.
       
   IMG Bild: Am vergangenen Wochenende hat sich Bushido für sein Verhalten gegenüber Frauen entschuldigt
       
       Vor einer Woche dachte man noch, das kollektive Schweigen in der
       [1][Rapszene sei gebrochen worden]. Die Influencerin Nika Irani hatte den
       Rapper Samra beschuldigt, sie in seinem Tonstudio bedrängt und vergewaltigt
       zu haben. Samra bestreitet bis heute die Vorwürfe und will juristisch gegen
       sie vorgehen.
       
       Bald darauf hatten zahlreiche Frauen unter dem Hashtag #deutschrapmetoo
       ähnliche Erlebnisse mit bekannten Musikern geschildert. Einige
       HipHop-Journalistinnen und Rapperinnen erzählten außerdem öffentlich davon,
       dass Misogynie nicht nur Bestandteil von Rap-Texten ist, sondern bis heute
       zum Lifestyle vieler Rapper gehört. Viele Frauen wurden also laut, sie
       solidarisierten sich untereinander. Sie forderten, was längst überfällig
       ist: eine ernsthafte Auseinandersetzung mit #MeToo in der Rap-Szene.
       
       Bei den männlichen Rap-Kollegen hingegen blieb es ruhig. Bis vergangenen
       Samstag dann die nächsten Vorwürfe gegen einen bekannten Rapper öffentlich
       wurden. In einem rund 16 Jahre alten Video, das nun auftauchte, ist zu
       sehen, wie der damals 26-jährige Rapper Bushido eine mutmaßlich
       Minderjährige sexuell bedrängt. Bushido kniet in einem Hotelzimmer
       oberkörperfrei vor dem Mädchen, das auf seinem Bett sitzt. Sie wisse nicht,
       was sie jetzt machen wolle, sagt das Mädchen mehrfach. „Willst du dich
       anziehen und gehen? Wohin willst du denn gehen? Draußen in den Wald?“,
       entgegnet Bushido. Und setzt sie dann weiter unter Druck: „Ich hab keinen
       Bock, hier wach zu sein und wie so ein Idiot vor meinem Bett zu hocken.“ Es
       ist zu vermuten, dass es an dieser Stelle um Sex geht. Dann sagt er noch:
       „Soll ich dich mal wohin schicken, wo du mal richtig Krise schieben
       kannst?“ Unklar bleibt die Identität der Betroffenen, die im Video
       verpixelt gezeigt wird und ihr tatsächliches Alter.
       
       Bushido hat die Echtheit der Aufnahme bereits bestätigt. Am Samstag
       veröffentlichte er auf seinem Instagramprofil als Reaktion [2][ein
       28-minütiges Entschuldigungsvideo]. Darin räumt er ein, dass zu seinem
       „Lebensstil“ und „Rapstyle“ Konzerte und „Mädels abschleppen“ dazugehört
       hätten. „Die Art und Weise wie man damals mit Mädchen, mit Frauen
       umgegangen ist, ist absolut nicht in Ordnung. Ich möchte mich an dieser
       Stelle, nicht nur, aber vor allem bei dem Mädchen entschuldigen.“ Es sei
       ausschließlich sein Fehler und seine Schuld gewesen, was dem Mädchen „im
       Hotelzimmer verbal angetan wurde“. Dafür übernehme er persönlich die
       Verantwortung.
       
       ## Eigenes Ego im Zentrum
       
       Sonntagabend legte Bushido mit einem [3][Livevideo auf Twitch nach]. In
       diesem zeigte er weitere Minuten der Situation im Hotelzimmer, die bis
       dahin noch nicht öffentlich waren. Zu sehen ist, dass noch weitere Männer
       anwesend waren, darunter der Rapper Gino Gazino, die das Mädchen auch dann
       noch filmten, als dieses sie aufforderte es zu lassen.
       
       Die alte Aufnahme wurde zuerst von [4][Rapper Cashmo] auf Youtube
       veröffentlicht. Nun könnte man sagen, es ist gut, dass nach und nach solche
       Fälle publik werden. Dass belastendes Material veröffentlicht wird. Sich
       also auch bei den Rappern selbst etwas bewegt und sie nun in den eigenen
       Reihen aufräumen wollen. Schön wäre es. Doch im Falle Cashmo steht das
       eigene Ego und der Wunsch gegen Bushido auszuteilen im Vordergrund, nicht
       aber MeToo-Fälle im Rap sichtbar zu machen oder gar Betroffenen zu helfen.
       Cashmo selbst hatte Samra verteidigt und angekündigt gegen die „wahren
       Täter“ in den „Krieg ziehen“ zu wollen. Die Veröffentlichung des
       „Enthüllungsvideos“, wie er es bezeichnete, hatte er auch wie ein Event
       inszeniert. Sobald er 100.000 Follower auf Instagram habe, werde er einen
       „Sündenbock“ entlarven. Später kommentierte Cashmo [5][das Video live vor
       der Kamera].
       
       „Ihr habt kein Interesse daran, das Problem im Deutschrap zu ändern“, sagte
       Bushido deshalb auch in seinem Entschuldigungsvideo. Und man muss ihm an
       dieser Stelle Recht geben. Während bei den Vergewaltigungsvorwürfen gegen
       Samra noch kollektives Schweigen unter den Rappern herrschte oder
       relativiert wurde, schossen sich nun viele auf Bushido ein. Und zwar
       offensichtlich diejenigen, mit denen der Rapper sowieso aktuell Stress hat,
       allen voran Rapper Fler und Clanchef Arafat Abou-Chaker. Mit Letzterem
       streitet Bushido wegen vergangener Geschäftsbeziehungen vor Gericht.
       
       ## Klar gegen Frauenhass
       
       Natürlich ändert all das nichts an der Tatsache, dass sich Bushido vor 16
       Jahren einer mutmaßlich Minderjährigen abscheulich gegenüber verhalten hat.
       Und klar ist auch: Bushido ist in seiner gesamten Karriere mit sexistischen
       Äußerungen und auch gewalttätig aufgefallen.
       
       2006 stand groß auf dem Bravo Cover: „Bushido Exklusiv! Das Geständnis! Ich
       hatte 500 Frauen!“ 200 davon hätte er „im Puff“ gehabt, erklärte er der
       Bravo damals. Erinnern könne er sich jedoch nur teilweise. Damals ist
       Bushido 28 Jahre alt. 2014 schlug Bushido seine Frau Anna-Maria Ferchichi.
       Sie trennte sich daraufhin von ihm. Darüber sagt Bushido in seinem
       Instagramstatement, er habe auch seine Ehefrau lange Zeit nicht
       respektiert, was ihm sehr leid tue. Heute könne er sagen: „Diese Zeiten
       sind vorbei.“
       
       Was man Bushido anrechnen muss, ist, dass er sich seiner Verantwortung
       gestellt hat. Anders als der Rapper Samra, gestand er sich ein, falsch
       gehandelt zu haben. Er positionierte sich klar gegen Frauenhass und wirkte
       dabei reflektiert. Jedoch konnte auch er es nicht lassen, gegen seine
       Rap-Kollegen auszuteilen, die nun gegen ihn hetzen. Und beendete sein Video
       mit: „Es werden Mütter gefickt.“
       
       ## Eines von vielen Spielchen
       
       „Ihr habt kein Interesse daran, das Problem im Deutschrap zu ändern“, sagte
       Bushido auf Instagram. Das Problem gebe es, seit es Rap gebe, „und euch lag
       da nichts dran“. Am Ende ist die Aufregung innerhalb der Rap-Szene um das
       16 Jahre alte Video auch nur eines der vielen Spielchen: Hauptsache, zu
       allen Seiten austeilen.
       
       Zwar geben manche der beteiligten Rapper vor, ihr Schweigen gebrochen zu
       haben. Im Zentrum ihres Sprechens aber stehen nur sie selbst. Für
       betroffene Frauen haben sie nichts getan.
       
       28 Jun 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /MeToo-in-deutscher-Rapszene/!5780080
   DIR [2] https://www.instagram.com/tv/CQmBhylKKTf/?utm_medium=copy_link
   DIR [3] https://www.twitch.tv/videos/1069476262
   DIR [4] /Vermeintlicher-Rassismus-gegen-Deutsche/!5722520
   DIR [5] https://www.youtube.com/watch?v=SP7NYp7IA0U&t=555s
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Erica Zingher
       
       ## TAGS
       
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