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       # taz.de -- Die Wahrheit: Bärenporno vom Allerfeinsten
       
       > Tagebuch einer Freilichtguckerin: Wie so oft im Leben kommt alles anders,
       > verlässt man das Haus. Und jenseits von Sex, wartet so manche
       > Parallelwelt.
       
   IMG Bild: Wird dieses Jahr bereits im Februar wieder ausgerollt: der Rote Teppich
       
       Über viele Jahre war ich eine durch zwölfstündige Sondervorführungen,
       Dauerfrost bei minus zwanzig Grad und andere Strapazen abgehärtete
       Berlinale-Besucherin. Alles kann ich souverän ertragen, aber bei einem
       ziehe ich die Grenze, und das ist Freilichtkino. Mal davon abgesehen, dass
       zwischen hellen Sommernächten und einer Leinwandprojektion eine gewisse
       Unverträglichkeit besteht, rangiert es auf der Liste meiner Abneigungen
       gleich nach verregneten Konzerten, über denen der Duft von Dixie-Klos und
       grottenschlechter Sound schweben.
       
       Aber dann kommt, wie so oft im Leben, alles anders. Vermutlich aus
       Entzugsgründen kann ich mir plötzlich nichts Schöneres vorstellen, als mir
       beim nachgeholten Festival im Liegestuhl vor einer Leinwand fröstelnd
       Nackenstarre, Rücken und Blasenentzündung zu holen.
       
       Gleich ab der ersten Filmminute wird vom Hof des Schlossparks
       Charlottenburg der benachbarte Kiez mit Versautem beschallt. Gestöhnt wird
       auf Rumänisch mit deutschen Untertiteln, denn es handelt sich um den in
       Bukarest spielenden Bären-Gewinnerfilm „Bad Luck Banging or Loony Porn“,
       was so viel heißt wie „Pech beim Bumsen oder durchgeknallter Porno“. Der
       Titel hält gleich am Anfang, was er verspricht, bevor er sich sehr
       vergnüglich den Konsequenzen für eine beteiligte Lehrerin an dem
       versehentlich im Internet gelandeten Heimporno widmet.
       
       Mich beschäftigt derweil die Frage, was arglos des Nachts vor unserem
       herrschaftlichen Schloss promenierenden Rumänen so durch den Kopf geht,
       wenn ihnen plötzlich in ihrer Landessprache ein „Ja! O jaaa, gib’s mir, ich
       will alles!“ entgegenschallt. Glauben sie sich zu Hause? Oder in einem
       heimatlichen Paralleluniversum?
       
       Mit dem Siegeszug von Corona sind ja reichlich Parallelwelten entstanden,
       eine besonders interessante ist die LucaApp. Zur Zeit trägt eine Freundin
       das gelbe Trikot für geduldiges Ausharren und längste Aufenthaltsdauer
       dort, sie verweilte zunächst zwölf Stunden im KaDeWe, steigerte sich an den
       Folgetagen auf vierzehn Stunden im Café Einstein und schließlich – Rekord!
       – siebzehn Stunden in unserer Kiezbar.
       
       Wir rätseln noch, wie sie es dabei geschafft hat, halbwegs nüchtern zu
       bleiben, gleichzeitig ihrem Beruf nachzugehen, die Wohnung nicht
       verwahrlosen zu lassen und Fußball zu gucken, sind aber relativ sicher,
       dass LucaApp-Nutzer anders als wir in einer Matrix leben, in der Zeit keine
       Rolle spielt. Den Film „Matrix“ habe ich schon damals nicht verstanden,
       fand ihn aber irgendwie cool; ungefähr so geht es mir auch jetzt.
       
       Ich vergeude derweil meine Zeit im Paralleluniversum der Uefa beim
       Futschiboll, wie der Brasilianer das passenderweise nennt, und warte, wer
       nach Portugal, Frankreich und Schland als nächstes futschi ist. In meiner
       Welt heißt der Europameister verdientermaßen endlich Borussia
       Mönchengladbach mit seiner Parallelmannschaft, der Schweiz.
       
       1 Jul 2021
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Pia Frankenberg
       
       ## TAGS
       
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