URI: 
       # taz.de -- Angriffe auf grüne Kandidatin Baerbock: Kratzer auf der Oberfläche
       
       > Die Fehler der grünen Kanzlerkandidatin Baerbock werden von üblichen
       > Verdächtigen hochgejazzt. Leider passen sie zu gut zum Klischee der
       > „Generation Selbstinszenierung“.
       
   IMG Bild: Annalena Baerbock in einer Fernsehdebatte
       
       Annalena Baerbocks Vergehen sind Kleinigkeiten. Sie hat ihren Lebenslauf
       aufgehübscht. Sie hat vergessen, Geld, das sie als Parteichefin verdiente,
       beim Bundestagspräsidenten korrekt anzugeben. Sie hat ein Buch geschrieben,
       bei dem ein paar Sätze aus anderen Texten übernommen wurden und bei dem
       mehr Sorgfalt günstig gewesen wäre. Diese Fehler werden von den üblichen
       Verdächtigen kampagnenhaft zu schwerwiegenden Vergehen hochgejazzt.
       
       Der Fall trifft die Grünen hart. Warum eigentlich? Hätte Olaf Scholz etwas
       geliftet und mal unsauber zitiert – alle hätten kurz die Augenbraue hoch
       gezogen und sich dem nächsten Thema zugewandt. Bei Baerbock nicht. Weil sie
       eine Frau ist? Vielleicht. Bestimmt aber, weil sie jung und eine Newcomerin
       ist. Jung, energisch und unverbraucht (und für viele unbekannt) zu sein war
       ein Bonus, nun ist es zum Malus geworden.
       
       Denn Baerbocks Fehler scheinen zu einem skeptischen Bild der Generation 30
       plus – oder vielmehr ihres akademischen Teils – zu passen. Die gilt als
       individualistisch, sie neigt zum Ich-Zentrierten und ist sehr von sich
       überzeugt. [1][Ihr Aufstieg nach oben war leicht.] Baerbocks
       Nachlässigkeiten, die leicht geliftete Biographie und ein paar übernommene
       Sätze scheinen die Vorbehalte gegen [2][diese Generation
       Selbstinszenierung] zu bekräftigen – nicht seriös genug.
       
       Zudem wirkte Baerbock bislang immer wie [3][eine Mrs. Perfect]. Immer
       sprechfähig und gut vorbereitet, ehrgeizig und furchtlos. Ihre Oberfläche
       war glatt poliert. Deshalb sieht nun jeder Kratzer wie eine Wunde aus.
       
       Dass die CSU nun über „Schummel-Baerbock“ herzieht, „die Nebeneinkünfte
       verschleiert und ein Buch in Teilen zusammenkopiert“ habe, ist nicht nur
       maßlos übertrieben. Denn sie hat nichts Illegales verschleiert, sondern
       legal erworbenes Geld zu spät angegeben.
       
       Eine Partei, in der Volksvertreter mit Maskendeals dreist Geld abzocken,
       sollte da nicht mit Steinen werfen. Und in der Kunst des raffiniert
       verheimlichten Ideenklaus ist CSU-Mann Guttenberg unerreicht. Die
       Doktorarbeit des Lügenbarons bestand zum Gutteil aus illegalem
       Gedankendiebstahl. [4][Minister Scheuer hat seinen in Prag erworbenen
       Doktor vorsichtshalber zurückgegeben]. Eine Partei mit einem so intimen
       Verhältnis zur Hochstapelei hat kein Recht, den Moralrichter zu spielen.
       
       Und nun? Der Wahlkampf wird hart. Das Überraschendste an dem Fall ist, wie
       überrascht die Grünen wirken. Es war doch klar, dass man nicht im
       Schlafwagen ins Kanzleramt kommt und auch nicht mit der Debattenkultur
       evangelischer Akademien. Die Grünen wirken, als hätten sie all das nicht
       erwartet. Und ziemlich ratlos.
       
       1 Jul 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /PolitikerInnen-Karrieren/!5777386
   DIR [2] /Baerbocks-Lebenslauf/!5773393
   DIR [3] /Buchvorstellung-von-Annalena-Baerbock/!5777064
   DIR [4] https://de.wikipedia.org/wiki/Andreas_Scheuer
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Reinecke
       
       ## TAGS
       
   DIR Annalena Baerbock
   DIR Bündnis 90/Die Grünen
   DIR GNS
   DIR Annalena Baerbock
   DIR Kolumne Der rote Faden
   DIR Annalena Baerbock
   DIR Plagiatsverdacht
   DIR Plagiatsverdacht
   DIR Annalena Baerbock
   DIR Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Vorwürfe gegen Annalena Baerbock: Hinschmeißen muss sie nicht
       
       Die zentrale Aufgabe einer Kanzlerin ist Krisenmanagement – Baerbock lernt
       genau das gerade. Learning by doing, darin liegt ihre Chance.
       
   DIR Gedanken zum Wahlkampf: Wo Özdemir Außenminister wär
       
       Ein Paralleluniversum bräuchte es, um Fehler ungeschehen zu machen. Und um
       Wunschkandidaten auf Wunschposten zu befördern.
       
   DIR Vorwürfe gegen Annalena Baerbock: Gezielte Infantilisierung
       
       Wir wissen jetzt: Annalena Baerbock ist keine Heilige. Eine gute Kanzlerin
       könnte sie trotzdem sein. Denn ihre Fehler sind Lappalien.
       
   DIR Plagiatsvorwurf gegen Kanzlerkandidatin: Parteikollege verteidigt Baerbock
       
       Bundesgeschäftsführer Kellner spricht von „bewussten Falschbehauptungen“
       gegen die Kanzlerkandidatin. Baerbock hat erstmals Stellung bezogen.
       
   DIR Plagiatsvorwürfe gegen Baerbock: In der Klemme
       
       Die Grünen beklagen eine Rufmord-Kampagne gegen ihre Kanzlerkandidatin
       Annalena Baerbock. Ein Plagiatsjäger will ihr Buch weiter checken.
       
   DIR PolitikerInnen-Karrieren: Parteiloyale Konformität
       
       Die Biografien jüngerer PolitikerInnen werden immer gleichförmiger. Das ist
       schädlich für die Demokratie und den Parlamentarismus.
       
   DIR Baerbocks Lebenslauf: Generation Selbstoptimierung
       
       Annalena Baerbocks frisierte Vita zeigt ein karriereorientiertes
       Verständnis von Lebensläufen. Gerade Grüne sollten es anders machen.