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       # taz.de -- Die Bahn im Klimacheck: Grüne Streifen, keine grüne Firma
       
       > Die Deutsche Bahn präsentiert sich gern als besonders klimafreundliches
       > Unternehmen. Dabei bleibt sie vielfach hinter ihrem Potenzial zurück.
       
   IMG Bild: Grüner Zierstreifen am Waggon eines ICEs am Berliner Hauptbahnhof signalisiert: 100% Ökostrom
       
       Berlin taz | Plötzlich waren die [1][Streifen grün]. Die ursprünglich rote
       Farbe der Zierleisten an den ICEs unterstrich schließlich nicht die
       Botschaft, dass der Fernverkehr der Deutschen Bahn mit 100 Prozent Ökostrom
       fährt. Das zu betonen, wenigstens am ersten und letzten Waggon, war dem
       Staatskonzern aber wichtig. Dann also grün.
       
       Das war 2019. Erst kürzlich, Mitte Juni, ist die Bahn mit einer neuen
       Klima-Botschaft an die Öffentlichkeit gegangen: [2][Sie will 2040
       klimaneutral werden], zehn Jahre früher als zuvor geplant. Das alte Ziel
       hätte allerdings auch schwerlich mit den neuen deutschen Klimazielen im
       Einklang gestanden. Denn im frisch reformierten Klimaschutzgesetz steht
       schließlich, dass ganz Deutschland bereits 2045 klimaneutral sein soll. Und
       die Bahn ist zu 100 Prozent in Staatsbesitz. „Nachhaltigkeit ist unser
       Markenkern“, sagte Unternehmenssprecher Achim Strauß zu den neuen Plänen.
       
       Wie grün ist die Bahn heute? Die Werbung mit den 100 Prozent Ökostrom im
       Fernverkehr ist zweischneidig: Praktisch fährt natürlich jeder Zug einfach
       mit dem Strom, der gerade im Bahnstromnetz ist. Und das ist nicht nur
       Ökostrom.
       
       Wenn man rechnerisch dem gesamten Fernverkehr nur Ökostrom zuschreibt, dann
       werden eben die anderen Zugfahrten klimaschädlicher. Andererseits ist der
       Bahnstrom schon grüner als das öffentliche Stromnetz in Deutschland. Da
       kamen im vergangenen Jahr knapp über 50 Prozent des Stroms aus erneuerbaren
       Energien. Die Bahn liegt nach eigener Auskunft bei 61 Prozent.
       
       ## Deutschlands größter Ökostromnutzer
       
       Dass die Bahn, womit sie auch wirbt, Deutschlands größter Ökostromnutzer
       ist, hängt zudem auch damit zusammen, dass sie einfach insgesamt viel Strom
       benötigt. Pro Jahr verbraucht sie ungefähr zehn Terawattstunden. Das ist
       ein ordentlicher Anteil an den 544 Terawattstunden, die Deutschland im
       vergangenen Jahr insgesamt genutzt hat.
       
       Die Rolle als Großabnehmer auf dem Strommarkt führt nicht immer dazu, dass
       der Strom grüner wird. Dass in Deutschland mit Datteln 4 noch im
       vergangenen Jahr ein neues Kohlekraftwerk ans Netz gegangen ist, hängt wohl
       ziemlich direkt mit der Bahn zusammen. Die hatte sich nämlich in
       langfristigen Verträgen 2007 mehr als ein Drittel der Leistung gesichert.
       
       Ohne diese Zusage ist fraglich, ob sich die Inbetriebnahme für Betreiber
       Uniper nach zahlreichen Pannen und Verzögerungen gelohnt hätte – bei
       steigenden CO2-Preisen im europäischen Emissionshandel und ausgerechnet in
       dem Jahr, in dem Deutschland den Kohleausstieg gesetzlich besiegelte.
       
       ## „Vergleichbar mit der deutschen Fußballherrenmannschaft“
       
       Perspektivisch wird die Stromleitung der Bahn mit Fortschreiten der
       Energiewende aber immer sauberer. Das gilt natürlich nicht für die Loks,
       die nach wie vor mit Diesel unterwegs sind – denn nur knapp über 61 Prozent
       des Bundesschienennetzes sind elektrifiziert, wie auch die Bahn-Fans der
       Organisation Allianz pro Schiene beklagen.
       
       Die Bilanz des Verkehrsforschers Andreas Knie in Bezug auf den Klimaschutz
       bei der Bahn ist insgesamt gemischt. „Die Bahn hätte schon viel früher auf
       regenerative Energien umstellen können“, sagt er. Der Soziologe forscht am
       Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, kennt aber auch die Bahn
       gut von innen. Neben seiner Forschungstätigkeit war er von 2001 bis 2016
       Bereichsleiter bei einer Bahn-Tochter.
       
       „Der Anteil der Erneuerbaren ist daher zu gering und die Elektrifizierung
       überhaupt nicht vorangekommen“, kritisiert der Verkehrsexperte. „Die Bahn
       hat ihr Potential nicht ausgeschöpft, zu wenig Mut bewiesen und sich auf
       Lorbeeren ausgeruht: Die Deutsche Bahn AG ist daher vergleichbar mit der
       deutschen Fußballherrenmannschaft.“
       
       2 Jul 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Deutsche-Bahn-will-besser-werden/!5552210
   DIR [2] https://www.deutschebahn.com/de/presse/pressestart_zentrales_uebersicht/Neues-Ziel-2040-Die-Deutsche-Bahn-wird-zehn-Jahre-frueher-klimaneutral--6242548?contentId=1204030
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Schwarz
       
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