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       # taz.de -- Nach der Präsidentschaftswahl in Peru: Aneinander vorbei demonstriert
       
       > Keiko Fujimori will ihre knappe Wahlniederlage nicht eingestehen. Wie der
       > Wahlsieger Castillo mobilisiert sie ihre Anhänger in Lima.
       
   IMG Bild: Anhänger der unterlegenen Keiko Fujimori demonstrieren am Samstag in Lima
       
       Lima taz | Perus Wahlbehörde ONPE hat inzwischen alle Stimmen ausgezählt
       und internationale wie nationale Wahlbeobachter haben die Wahl für
       rechtmässig deklariert. Der Dorfschullehrer und Gewerkschaftsführer
       [1][Pedro Castillo] aus dem ländlichen Nordperu hat demnach die
       [2][Präsidentschaftswahl vom 6. Juni gewonnen]. Er bekam 44 240 Stimmen
       mehr als Keiko Fujimori.
       
       Doch die Tochter des vormaligen Autokraten Alberto Fujimori weigert sich,
       den Sieger anzuerkennen. In bekannter Trump-Manier schickte sie eine Armee
       von Juristen los, um die Annullierung von 945 Wahltischen beim Nationalen
       Wahlrat zu beantragen. In einem Wahllokal gibt es mehrere Wahltische, an
       denen je drei vorher durch Los bestimmte Wahlhelfer die Stimmabgaben von
       220 bis 250 Wählern organisieren und überwachen. Doch solange nicht über
       die Annulierungen entschieden ist, kann der Wahlrat Castillo noch nicht
       offiziell zum Sieger ausrufen.
       
       Am Samstag rief jede Seite zu Großdemonstrationen auf. Fujimoris Anhänger
       versammelten sich auf dem Campo de Marte von Lima. Allenthalben schwangen
       Menschen mit dem Trikot der peruanischen Fussballnationalmannschaft die
       Nationalflagge. Gleich zu Beginn des Wahlkampfs hatte Fujimori das Trikot
       für sich vereinnahmt.
       
       Und überall Schilder mit derselben Botschaft: Nein zum Kommunismus. Rosaura
       Pelaez und Walter Magan waren zuvor noch nie auf einer Demo gewesen. Ihre
       kleine Schneiderei mit 15 Angestellten liess ihnen keine Zeit dazu. Doch in
       diesem Jahr sind sie schon zum fünften Mal auf einer Demo. „Wir haben
       Angst, dass wir hier eine kommunistische Regierung und eine Diktatur
       bekommen, so wie in Venezuela oder Cuba“, sagt Pelaez. Würde Castillo
       Präsident, so die Kleinunternehmerin, wolle sie auswandern. „Nach Ecuador,
       oder Spanien“.
       
       ## Fujimori schürt geschickt die Angst vor dem Kommunismus
       
       Castillo ist zwar auf der Liste der marxistisch-leninistischen Partei Peru
       Libre gewählt worden. In den letzten Wochen hat er aber ein Bündnis mit der
       Linkspartei Juntos por el Peru um Veronika Mendoza geschlossen und immer
       wieder betont, dass er keine Unternehmen verstaatlichen werde. Zudem hat er
       den bekannten Wirtschaftsprofessor Pedro Francke zu seinem
       wirtschaftspolitischen Sprecher ernannt. Doch Fujimori hat die fast
       irrational scheinende Angst vor dem Kommunismus, der mit Castillo um sich
       greifen würde, geschickt geschürt.
       
       Zwei Kilometer weiter ist davon nichts zu spüren. Auf der Plaza San Martin
       treffen die ersten Anhänger Castillos ein. Aus allen Landesteilen sind
       Abordnungen nach Lima gekommen, um zu betonen, dass ihre Stimmen gültig
       sind.
       
       Castillo hatte in einigen Landkreisen fast 90 Prozent der Stimmen geholt.
       Der Protestzug ist so bunt und vielfältig wie Peru selber: viele tragen
       Trachten oder den für Cajamarca typischen hohen Strohhut, ohne den sich
       Castillo nie sehen lässt.
       
       Ronderos aus Cajamarca schwingen ihre Geisseln. Ronderos waren ursprünglich
       Bürgerwehren gegen Viehdiebe, haben aber auch den Vormarsch der
       Terrororganisation Leuchtender Pfad gestoppt. Auch Castillo ist Rondero.
       
       ## Castillo verkörpert für seine Anhänger einen Neuanfang
       
       Auf dem Platz vor dem Gebäude des Nationalen Wahlrats stehen Zelte, in
       einem Auto wird Essen ausgegeben. Joel Acuna aus dem Amazonasgebiet um
       Satipo ist schon seit zehn Tagen in Lima, um „meine Wählerstimme zu
       verteidigen“. Er ist Lehrer und Gewerkschafter wie Castillo. „Wir wollen
       eine neue Verfassung. Wir wollen Gleichheit. Und dass wir die Gewinne aus
       unseren Rohstoffen in Bildung und Gesundheit stecken können“.
       
       Für die Menschen, die ihn gewählt haben, steht Castillo für einen
       Neuanfang. Peru hatte in den letzten vier Jahren vier Präsidenten, und alle
       Präsidenten seit 1985 sind oder waren wegen Korruption angeklagt. „Er ist
       einer von uns“, das sagen die Menschen vom Land immer wieder auf die Frage,
       warum sie einen bis dato unbekannten Lehrer vom Land als Präsidenten haben
       wollen.
       
       Rein rechnerisch ist Castillo der Sieg kaum noch zu nehmen. Die Wahlräte
       haben die Annullierungsversuche bisher wegen Formfehler oder Ablauf der
       Eingabefrist zurückgewiesen.
       
       ## Fujimori spielt auf Zeit
       
       Doch Fujimori gibt nicht auf. Sie appelliert an die nächste Instanz des
       Wahlrates, fordert von der Wahlbehörde ONPE Einsicht in das
       Wählerverzeichnis und hat juristische Mittel angekündigt, um den gesamten
       Wahlgang für ungültig erklären zu lassen.
       
       Damit spielt sie auf Zeit. Denn sobald sie ihre Niederlage einräumt, wird
       die Staatsanwaltschaft bei ihre anklopfen wegen verschiedener Verfahren
       wegen Geldwäsche und Bilden einer kriminellen Vereinigung. Für Peru spielt
       sie mit dem Feuer.
       
       Je länger Fujimori die offizielle Ausrufung Castillos als Präsidenten
       hinauszögert, desto stärker kommt aus dem ultrarechten Lager der Ruf nach
       einem Militärputsch oder sogar nach einer Absetzung des amtierenden
       Präsidenten. Am Freitag musste Übergangspräsident Francisco Sagasti
       Stellung beziehen zu einem Brief pensionierter Militärs. Die hatten die
       Armeeführung zum Einschreiten aufgerufen. Sagasti kündigte strafrechtliche
       Ermittlungen gegen die Unterzeichner des Briefes an.
       
       Am Samstag abend jedoch feiern die Castillo-Anhänger ihren neuen
       Präsidenten, als ob schon alle Hürden genommen wären. Die Stimmung ist
       ausgelassen, viele tanzen Huaynos, den typischen Andentanz, auf der Plaza
       San Martin. Um die Corona-Sperrzeit kümmert sich niemand.
       
       Dieses Mal sind sich die beiden Lager auf den Strassen nicht begegnet. Die
       Demos verliefen friedlich. Doch sobald ein Präsident ausgerufen wird, kann
       sich das sehr schnell ändern.
       
       20 Jun 2021
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Hildegard Willer
       
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