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       # taz.de -- Die Wahrheit: Parfümiert beim Vertrauensarzt
       
       > Altwerden hat seine Vorteile: Man darf allerlei lustige Untersuchungen an
       > sich vornehmen lassen und lernt seltsame Vokabeln.
       
   IMG Bild: Blumige, holzige, fruchtige oder orientalische Düfte: Wer will ich sein und wie will ich wirken?
       
       Altwerden ist nichts für Feiglinge. So hieß das Buch des Schauspielers
       Joachim Fuchsberger. Er musste es wissen, denn er ist 87 Jahre alt
       geworden. Aber im Alter lernt man neue Wörter kennen. Meist handelt es sich
       um medizinische Fachbegriffe.
       
       Meine Ärztin im westirischen Ballyvaughan erklärte mir neulich, ich hätte
       eine „Diverticulitis“. Aha. Das Übersetzungsprogramm in meinem Handy
       verriet mir den deutschen Namen: „Divertikulitis.“ Noch mal. Aha. Meine
       Ahnungslosigkeit erinnerte mich an die Begegnung mit dem Vertrauensarzt der
       Lebensversicherung, von dem ich mir vor langer Zeit einen tadellosen
       Gesamtzustand bescheinigen lassen wollte, um eine Hypothek zu ergattern.
       Die Bank hatte nämlich eine Versicherung verlangt, falls ich vor
       Begleichung der Schulden sterben würde.
       
       Da Versicherungsprämien für Raucher ins Unermessliche stiegen, gab ich mich
       als Nichtraucher aus und sprühte mich vor Betreten der Arztpraxis mit
       Parfüm ein, was beim Arzt Irritationen auslöste. Das zweite Mal war er
       irritiert, als ich ihm versicherte, dass es mir prächtig gehe und ich mich
       erst vor Kurzem einer Kolostomie unterzogen hätte. Sein Gesichtsausdruck
       verriet, dass es ein Problem mit der Hypothek geben würde. Dabei hatte ich
       bloß zwei Buchstaben verwechselt: Ich meinte eine Koloskopie.
       
       Zum Glück konnte ich das kleine Missverständnis aufklären, so dass die Bank
       of Ireland die Hypothek herausrückte. Dieselbe Bank will nun aber, dass ich
       das Haus aufgebe und zu den Kindern ziehe, denn seit die Hypothek abbezahlt
       ist, verdient sie nichts mehr an mir. Die Bank hat im Fernsehen Werbung
       geschaltet, die suggeriert, dass alte Leute zu viel Platz beanspruchen und
       ihr Haus gefälligst an junge Menschen verkaufen sollen, die dafür eine
       Hypothek aufnehmen müssen.
       
       In dem Werbespot sieht man, wie sich eine alte Frau die Treppe in ihrem
       Haus herunterquält und ins Wohnzimmer geht, das furchterregend möbliert und
       Depressionen auslösend tapeziert ist. Dann kommen jedoch die Kinder und
       zeigen ihr ein todlangweiliges modernes Haus mit Extrazimmer für die
       Mutteraufbewahrung. Schließlich muss die alte Dame von ihrem eigenen Haus
       Abschied nehmen, wird ins neue verfrachtet – und Überraschung: Die Kinder
       haben die alten Möbel ins neue Mutterzimmer geschafft und sogar die
       Albtraumtapete aufgetrieben. Nun sitzt die Frau im identischen Raum, aber
       ein Bett gibt es dort nicht.
       
       Wegen Hypotheken soll man sich trotzdem vertrauensvoll an die Bank of
       Ireland wenden. Es ist dieselbe Bank, die nach dem Crash 2008 durch viele
       Milliarden Steuergelder gerettet wurde. Als sie wieder auf den Beinen war,
       klagte sie die Menschen, die aufgrund der Steuererhöhungen für die
       Bankenrettung mit Hypothekenzahlungen im Rückstand waren, aus ihren
       Häusern.
       
       Mögen die Bankiers von Divertikulitis oder einer anderen Krankheit, deren
       Namen ich leider noch nicht kenne, heimgesucht werden.
       
       5 Jul 2021
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Sotscheck
       
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