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       # taz.de -- Präsident von Zypern: Der Mann mit den goldenen Pässen
       
       > Der Inselstaat ist Einfallstor in die EU – mittels gekaufter
       > Staatsbürgerschaft. Dafür steht der zyprische Präsident Nikos
       > Anastasiades.
       
   IMG Bild: Nicos Anastasiades – Präsident der Republik Zypern
       
       Die Rede am vergangenen Freitag wird dem Präsidenten von Zypern wohl wenig
       Freude bereitet haben: „Unglücklicherweise, das muss ich einräumen, gab es
       keine gebührende Sorgfalt auf Seiten der Regierung, um Lücken,
       Schwachstellen und Hintertüren zu schließen“, sagte [1][Nikos Anstasiades],
       und weiter: „Deshalb zögere ich nicht, mich für unsere Fehler ehrlich zu
       entschuldigen“, so sprach der 73-jährige Konservative im staatlichen
       Fernsehen. „Was sich da abgespielt hat, war die schmerzhafteste Zeit meiner
       40-jährigen politischen Karriere.“
       
       Die Rede ist vom größten Korruptionsskandal, der die geteilte
       Mittelmeerinsel in den letzten Jahrzehnten heimgesucht hat. 13 Jahre lang,
       von 2007 bis 2020, hat die Republik Zypern gegen die Zahlung hoher
       Geldbeträge ausländische Staatsbürger eingebürgert. Goldene Reisepässe gab
       es für jeden, der bereit war, mindestens 2,5 Millionen Euro zu investieren.
       Und weil Zypern Mitglied der EU ist, waren diese Pässe gleichzeitig das
       Eintrittsticket für die EU.
       
       Ist dieses Schema schon anrüchig genug, so trieben es windige
       Geschäftsleute im Verbund mit bestechlichen Politikern noch weiter. Auch
       vorbestrafte Kriminelle kamen gegen weitere Bonuszahlen in den Genuss
       goldener Pässe, ja so gar Namensänderung wurden offenbar ermöglicht.
       Besonders beliebt waren die Pässe bei reichen Russen, Ukrainern und
       Chinesen. Warnungen des Generalstaatsanwalts wurden vom Innenminister in
       der Hauptstadt Nikosia ignoriert.
       
       Aufgeflogen ist das Ganze erst durch die Berichterstattung des TV-Senders
       al-Dschasira, der [2][mit versteckter Kamera] drehte, wie Unmögliches
       möglich gemacht wurde. Erst kamen Dementis, dann rumorte es im Ministerien.
       Wütende Demonstranten gingen auf die Straße. Schließlich musste der
       Parlamentspräsident zurücktreten und ein Abgeordneter der linken
       Akel-Partei seinen Hut nehmen. Das Programm der goldenen Pässe wurde
       eingestellt. Viel mehr allerdings geschah nicht.
       
       ## Nicht verwickelt
       
       Anastasiades selbst war in die Deals nach allem, was man weiß, nicht
       verwickelt. Betroffen ist er trotzdem. Bei der Parlamentswahl in diesem
       Frühjahr erhielt seine regierende DISY das schlechteste Ergebnis seit 40
       Jahren, und auch die anderen etablierten Parteien mussten zugunsten von
       Rechtsradikalen und Populisten Federn lassen. Das Wahlvolk, da sind sich
       die politischen Analysten einig, hatte die zyprische Politikerkaste
       abgestraft.
       
       Seit vier Wochen liegt der Abschlussbericht einer Untersuchungskommision
       über die Pass-Affäre vor. Demnach haben 6.779 Menschen die zyprische
       Staatsbürgerschaft erhalten. 3.609, also mehr als die Hälfte, bekamen sie
       illegal. Ein kleiner Teil von ihnen soll den zyprischen Pass jetzt wieder
       verlieren.
       
       Anastasiades regiert das Land seit 2013, fünf Jahre später wurde er
       wiedergewählt. Sieben Amtsjahre lang ließ er also die Korrupten in der
       Bürokratie gewähren. Um seine Wiederwahl muss er sich freilich keine Sorgen
       machen, denn diese ist nach zwei Amtsperioden nicht mehr möglich.
       
       4 Jul 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://twitter.com/anastasiadescy?lang=de
   DIR [2] https://www.youtube.com/watch?v=Oj18cya_gvw
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Klaus Hillenbrand
       
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