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       # taz.de -- Neue Verfassung für Chile: Die Frau mit der Flagge
       
       > Die Mapuche Elisa Loncon leitet den chilenischen Verfassungskonvent. Sie
       > wurde mit 96 von 155 Stimmen zu dessen Präsidentin gewählt.
       
   IMG Bild: Hat große Pläne für ihr Land: Elisa Loncon, hier im Januar 2021
       
       Santiago de Chile taz | Mit der Flagge der Mapuche in der Hand hält Elisa
       Loncon ihre erste Ansprache als Präsidentin des chilenischen
       Verfassungskonvents. Sie spricht auf Mapudungun, der Sprache der Mapuche,
       und auf Spanisch. „Dieser Konvent wird Chile in ein plurinationales und
       interkulturelles Land verwandeln, das die Mutter Erde beschützt“, sagt sie.
       Mit 96 von 155 Stimmen wurde sie zur Vorsitzenden der Versammlung gewählt,
       die in den nächsten Monaten eine neue Verfassung für Chile erarbeiten wird.
       
       Elisa Loncon Antileo wurde 1963 als vierte von sieben Geschwistern in
       Traiguén im Süden Chiles geboren – in Wallmapu, wie die Mapuche ihr Land
       nennen. Sie sind das größte indigene Volk Chiles. Erst leisteten sie
       erfolgreich Widerstand gegen die Inkas, dann gegen die Spanier. Erst der
       unabhängige chilenische Staat brach die Verträge und unterwarf die Mapuche
       in einer blutigen Militäraktion. Bis heute dauert der daraus resultierende
       [1][Konflikt zwischen den Mapuche und dem chilenischen Staat] an.
       
       Loncons Urgroßvater kämpfte gegen die Besetzung durch das chilenische
       Militär im 19. Jahrhundert. Sie selbst erlebte die Pinochet-Diktatur in
       ihrer Kindheit und Jugend. In der Schule wurde sie rassistisch
       diskriminiert und als „Indianerin“ bezeichnet. Ihre Familie wurde während
       der Diktatur verfolgt, ihr Großvater verhaftet. Als Studentin war sie Teil
       der Widerstandsbewegung gegen die Diktatur.
       
       Heute hat Loncon zwei Doktortitel und arbeitet als Professorin an der
       Universidad de Santiago. Dort setzt sie sich für die Rechte der indigenen
       Völker ein, insbesondere für das Recht auf Bildung und Sprache. Die
       Englisch- und Mapudungun-Lehrerin hat ihre akademische Laufbahn dem Studium
       indigener Sprachen gewidmet und Lehrpläne entwickelt.
       
       ## „Die politische Macht teilen“
       
       „In Chile kann nicht weiter das Spanische aufgezwungen werden. Bei der
       neuen Verfassung geht es darum, die politische Macht zu teilen. Dazu gehört
       auch die Macht der Sprache“, sagt sie. Loncon fordert beispielsweise
       permanente Übersetzer im [2][Verfassungskonvent], damit die indigenen
       Mitglieder sich in ihren eigenen Sprachen ausdrücken können.
       
       Insgesamt wurden 17 Sitze des Verfassungskonvents für elf indigene Völker
       reserviert, darunter für die Mapuche, Aymara, Quechua und Diaguita. Mit
       ihnen gemeinsam will Loncon sich dafür einsetzten, dass Chile sich als
       plurinationaler Staat konstituiert. In der aktuell gültigen Verfassung, die
       aus der Pinochet-Diktatur stammt, werden die indigenen Völker und ihre
       Rechte nicht anerkannt. „Wir fordern kollektive Rechte: Selbstbestimmung,
       Land, Sprache, Kultur, Geschichte, Identität“, sagt Loncon.
       
       Besonders wichtig für ihre Wahl zur Präsidentin war für sie die
       Unterstützung der Machi Francisca Linconao, ebenfalls Abgeordnete im
       Verfassungskonvent und spirituelle Autorität der Mapuche. Linconao ist eine
       bekannte Aktivistin für die Rechte der Mapuche und war deshalb schon
       mehrfach im Gefängnis.
       
       „Der Traum unserer Vorfahren wird wahr: Es ist möglich, Chile neuzugründen“
       – so beendete Loncon ihre Ansprache im Konvent.
       
       5 Jul 2021
       
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