URI: 
       # taz.de -- Umweltfreundlichere Landwirtschaft: Ein historischer Kompromiss
       
       > Bauernverband und KritikerInnen sind sich einig über eine
       > umweltfreundlichere Landwirtschaft – eine riesige Chance für mehr
       > Klimaschutz nach der Wahl.
       
   IMG Bild: Die Kommission empfiehlt außerdem eine Tierhaltung, die eher den ethischen Vorstellungen der VerbraucherInnen entspricht
       
       Die Landwirtschaft liefert oft schlechte Nachrichten: Die Branche ist einer
       der größten Treiber des Klimawandels, viele Schweine werden erbärmlich
       gehalten, auf dem Land sterben immer mehr Vogelarten aus. Doch nun gibt es
       eine realistische Möglichkeit, der Lösung solcher Probleme bedeutend näher
       zu kommen. Denn zwischen fast allen wichtigen Umwelt- und
       Bauernorganisationen herrscht seit kurzem eine überraschende Harmonie:
       Allen voran der Deutsche Bauernverband und der Naturschutzbund haben sich
       in der vom Bundeskabinett gegründeten Zukunftskommission Landwirtschaft auf
       einen Plan geeinigt, [1][wie die Branche künftig klima- und
       umweltfreundlicher und trotzdem rentabel produzieren kann].
       
       Hoffen lässt vor allem die Tatsache, dass der [2][Bauernverband] erstmals
       wichtige Forderungen der UmweltschützerInnen unterschrieben hat. Dass er
       unter dem lang anhaltenden Druck der Gesellschaft seinen Widerstand in
       diesen Punkten aufgibt, ist eine riesige Chance, die die neue Regierung
       nach der Bundestagswahl nutzen kann – und muss. Fiel der Bauernverband
       bisher durch Kleinreden der Probleme auf, trägt er nun die schonungslose
       Analyse der Kommission mit.
       
       Demnach verursachte die Landwirtschaft 2020 rund 13 Prozent der
       Treibhausgas-Emissionen in Deutschland. Dass ein gutes Drittel der
       Grundwasserkörper in einem „schlechten chemischen Zustand“ seien, werde zu
       knapp 80 Prozent [3][durch Nitrat aus Düngern] verursacht. Diese
       Stickstoffverbindung ist potenziell gesundheitsschädlich; aus Grundwasser
       wird aber das meiste Trinkwasser gewonnen. Während viele LandwirtInnen das
       Artensterben einfach nicht wahrhaben wollen, stimmt ihr größter Verband nun
       beeindruckenderweise dem Gegenteil zu.
       
       Als negativ bewertet die Kommission, Tiere [4][durch Operationen wie das
       Kürzen von Schnäbeln oder Schwänzen] an reizarme und enge Ställe
       anzupassen. Dabei rechtfertigen viele Bauern diese brutale Praxis zynisch
       als Tierwohlmaßnahme.
       
       Geradezu historisch ist ebenfalls, dass die Agrarlobby sogar der These
       ihrer ärgsten KritikerInnen zustimmte, die heutige Landwirtschaft halse der
       Gesellschaft hohe „externe Kosten“ etwa durch Verschmutzung von Luft und
       Wasser auf. Dabei gehe es jährlich um „einen hohen zweistelligen
       Milliardenbetrag“. Allein dieses Eingeständnis hat die Arbeit in der
       Kommission gelohnt.
       
       ## Weniger Fleisch- und Milchkonsum
       
       Damit lassen sich nun überzeugend Reformen begründen, die das Gremium
       empfiehlt. Es rät zu Recht, den Konsum tierischer Lebensmittel wie Fleisch
       und Milch zu senken. Schließlich entstehen vor allem für ihre Produktion
       die Treibhausgase der Branche. Dieses Ziel haben der Bauernverband und die
       mit ihr traditionell eng verbundene CDU/CSU-Fraktion immer abgelehnt.
       
       Die Kommission empfiehlt außerdem eine Tierhaltung, die eher den ethischen
       Vorstellungen der VerbraucherInnen entspricht. Also mit mehr Platz, Zugang
       zum Außenklima und teils sogar zum Freien. Der [5][Abschlussbericht] des
       Gremiums rät auch, auf Operationen wie das Schweineschwanzkürzen zu
       verzichten.
       
       All das würde nicht nur die Akzeptanz der Tierhaltung in der Gesellschaft
       steigern. Es würde auch Fleisch verteuern, sodass die Nachfrage sinkt und
       das Klima entlastet wird. Die Kommission rät zwar, im Gegenzug etwa
       Hartz-IV-Empfängern mehr fürs Essen zu zahlen. Aber dieser soziale
       Ausgleich betrifft nur eine kleine Gruppe und würde den Umwelteffekt kaum
       schmälern.
       
       Sinnvoll ist auch die Empfehlung der Kommission, die Moore weitgehend
       wieder zu vernässen, die für die Landwirtschaft trockengelegt worden sind.
       Schließlich geben diese Flächen im trockenen Zustand einen Großteil der
       Treibhausgase ab, für die die Branche verantwortlich ist.
       
       Dem Klima nützen könnte auch, wenn sich Politik und Landwirtschaft an die
       Kommissionsempfehlung halten, 10 Prozent der Agrarlandschaft etwa für
       Brachen, Hecken oder Baumreihen zu reservieren. Das nützt Pflanzen- und
       Tierarten, die dort leben können. Ihnen wäre auch geholfen, falls die
       Landwirtschaft, wie von der Kommission empfohlen, den Einsatz von
       Pestiziden reduziert.
       
       Es ist vernünftig, dass die Bauern für diese Maßnahmen bezahlt werden
       sollen – nicht nur mit den EU-Agrarsubventionen, die künftig für
       gesellschaftlich gewünschte Leistungen gezahlt werden sollen, sondern auch
       mit zusätzlichem Geld etwa aus einer Tierwohlabgabe auf Fleisch. Klar:
       Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass Tiere nicht unter
       qualvollen Bedingungen gehalten oder Grundwasservorkommen verschmutzt
       werden. Man könnte fragen: Warum sollten die LandwirtInnen für diese
       Selbstverständlichkeiten Geld erhalten?
       
       Aber ohne finanziellen Ausgleich werden viele Bauern pleite gehen, denn
       mehr Natur- und Tierschutz erhöht die Kosten. Deshalb hat die immer noch
       einflussreiche Agrarlobby über die CDU/CSU bisher erfolgreich Fortschritte
       blockiert oder lange hinausgezögert. Dass die Bauern für diese Strategie
       jetzt sozusagen noch belohnt werden sollen, ist nicht gerecht – aber
       schlicht notwendig. Wer etwas für Umwelt und Tiere in der Landwirtschaft
       erreichen will, muss die Branche fordern, aber auch auf sie zugehen. Sonst
       erreicht man am Ende fast nichts.
       
       KritikerInnen haben der Kommission vorgeworfen, der Kompromiss sei an
       manchen Stellen vage und teils sogar schwach. Dies gilt zum Beispiel für
       die Passage über die schädlichen Effekte von Pestiziden, die viel
       deutlicher hätte ausfallen können. Aber: Eine Grundsatzkommission kann nur
       die grobe Richtung festlegen. Um wie viel zum Beispiel die Zahl der Tiere
       reduziert werden muss, kann erst nach weiteren Verhandlungen konkret über
       dieses Thema festgelegt werden.
       
       Da jetzt selbst der Bauernverband eingeräumt hat, dass in Deutschland zu
       viel Vieh gehalten wird, können CDU und CSU auf diesen Kurs einschwenken.
       Und das erhöht die Chance auf Verwirklichung dieser richtigen Forderungen
       ungemein.
       
       9 Jul 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Bauernverband-fordert-mehr-Klimaschutz/!5783602
   DIR [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Deutscher_Bauernverband
   DIR [3] /Umweltschaeden-durch-Duengeverordnung/!5780472
   DIR [4] /Tierschutz-in-Niedersachsen/!5208343
   DIR [5] https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Bodenschutz/zkl_abschlussbericht_bf.pdf
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jost Maurin
       
       ## TAGS
       
   DIR Landwirtschaft
   DIR Schwerpunkt Bio-Landwirtschaft
   DIR GNS
   DIR Lesestück Meinung und Analyse
   DIR Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR EU-Rechnungshof
   DIR Landwirtschaft
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR Landwirtschaft
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Fleischhaltige Ernährung: Essen ohne Sinn fürs Klima
       
       Beim Grillen heizen wir der Erde ganz schön ein – vor allem, wenn viel
       Fleisch auf dem Rost liegt. Das hat auch eine soziale Komponente.
       
   DIR Bundesregierung und Klimaschutz: Plan zum Moorschutz gescheitert
       
       Umwelt- und Agrarministerium können sich nicht auf eine Strategie zum
       Erhalt der Moore einigen. Der Grund: Bauern fürchteten Einbußen.
       
   DIR Slapp–Klagen in der EU: Klagen als Schikane
       
       Journalist:innen und Aktivist:innen werden durch juristische
       Manöver eingeschüchtert. Das EU-Parlament und die EU-Kommission wollen
       handeln.
       
   DIR Ökonom über Vorstoß von Supermarktketten: „Aldi will mit Tierschutz werben“
       
       Mehrere Handelsketten wollen Fleisch aus sehr engen Ställen auslisten. Sie
       reagieren auf Wünsche der Verbraucher, sagt Ökonom Achim Spiller.
       
   DIR Umweltschäden durch Düngeverordnung: Teure Überdüngung
       
       Weil Bauern zu viel düngen, entstünden jährlich drei Milliarden Euro
       Umweltkosten, so Wasserversorger. Auch das neue Recht sei nicht EU-konform.
       
   DIR Klimaschutz in Italien: Vom Nachzügler zum Musterland?
       
       Italien pumpt besonders viel Geld in den klimagerechten Umbau des Landes.
       Umweltverbände kritisieren, dass die Industrie dabei zu sehr geschont wird.
       
   DIR Bauernverband fordert mehr Klimaschutz: Wir müssen weniger Fleisch essen
       
       Selbst der Bauernverband stimmt nun Klimaschützern zu. Das zeigt der
       Abschlussbericht der Zukunftskommission Landwirtschaft.