URI: 
       # taz.de -- Luftfilter in Schulen: Luftnummer oder Durchatmer?
       
       > Angesichts steigender Inzidenzen wachsen die Sorgen vor dem Herbst mit
       > Regelbetrieb. Die Bildungsverwaltung will über mehr Luftfilter beraten.
       
   IMG Bild: Schützt das Monster besser als offene Fenster?
       
       Berlin taz | Angesichts einer auch in Berlin wieder leicht steigenden
       7-Tage-Inzidenz und der sich ausbreitenden Deltavariante wird eine Frage
       zunehmend drängender: Wie umgehen mit den Schulen, wenn die Sommerferien
       Anfang August vorbei sind? Die von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD)
       ausgegebene Devise lautet nach wie vor: Regelbetrieb; die Schulen öffnen.
       Daran wird bisher nicht gerüttelt.
       
       Allerdings wolle man „unter anderem“ die Anschaffung weiterer
       Luftfiltergeräte „prüfen“, wie ein Sprecher von Scheeres der taz auf
       Anfrage sagte. In welcher Größenordnung das Land möglicherweise zusätzliche
       Geräte bestellen will und wann die ersten in den Schulen ankommen könnten,
       ist allerdings noch unklar.
       
       Der Sprecher sagte weiter, der Hygienebeirat werde in jedem Fall noch vor
       Schuljahresbeginn zusammenkommen, um sich „mit dem Hygienekonzept und
       sicherlich auch der Ausstattung mit Luftfiltern sowie weiteren Fragen“ zu
       beschäftigen.
       
       Die Luftfilterdebatte hatte zuletzt an Fahrt aufgenommen, als Bayerns
       Ministerpräsident Markus Söder (CSU) das Ziel ausgegeben hatte, dass bis
       zum Ende der Ferien in jedem Klassenzimmer in Bayern ein Luftfilter stehen
       müsse. Das bayerische Kabinett gab dafür in der vorigen Woche 190 Millionen
       Euro frei. In Nordrhein-Westfalen fordert eine Elterninitiative ebenfalls
       flächendeckende Filterausstattung, allerdings bisher vergeblich.
       
       In Berlin ist die Position der Schulsenatorin bisher: Luftfilter ja, aber
       nur da, wo das Lüften nicht ausreichend funktioniert. Dafür haben die
       Bezirke in den Schulen bereits im vergangenen Jahr die Bedarfe abgefragt.
       15 Millionen Euro hat die Finanzverwaltung bisher freigegeben. In drei
       Tranchen sollen bis Schuljahresbeginn insgesamt 7.748 Geräte ausgeliefert
       werden, wie Scheeres zu Ferienbeginn mit Vorausblick auf das neue Schuljahr
       sagte.
       
       Klar sei aber auch: Die Filter sind nur als „flankierende Maßnahme“
       gedacht. Es bleibe beim Lüften als Mittel der Wahl zur Reduzierung von
       Aerosolen im Raum, hatte ein Sprecher der taz dazu gesagt.
       
       ## Die vierte Welle droht
       
       Nun aber hat sich seit Ende Juni, als in Berlin die Sommerferien begannen,
       das Infektionsgeschehen verändert. Zugleich hat die Dynamik beim Impftempo
       nachgelassen, wie auch der Chef des Berliner Hausärzteverbands der taz
       berichtet; die Impfbereitschaft sinkt. In den Impfzentren bekommt man
       momentan kurzfristig Termine für Impfungen mit den Wirkstoffen von Moderna
       und Astrazeneca.
       
       Das bisherige Hygienekonzept von Scheeres sieht vor, dass SchülerInnen sich
       in der ersten Woche dreimal statt wie vor den Ferien zweimal selbst testen
       sollen. So hofft man, einem möglicherweise erhöhten Infektionsgeschehen
       durch Urlaubsreisen zu begegnen. Auch eine 14-tägige Maskenpflicht im
       Unterricht soll es geben.
       
       Die Frage ist, ob das ausreicht – und vor allem, ob ein Umsteuern noch
       ausreicht, wenn die Inzidenzen erst wieder kräftig steigen sollten – oder
       ob es dann nicht zu spät ist. „Wir erwarten natürlich, dass man sich in der
       Bildungsverwaltung mit der aktuellen Studienlage über die Ferien
       auseinandersetzt“, sagt der Vorsitzende des Landeselternausschusses, Norman
       Heise, der taz. Denn immerhin bauten die Eltern auch auf „die politische
       Zusage, dass es nach den Ferien Regelunterricht geben wird.“
       
       Heise ist eher skeptisch, ob die Luftfilter wirklich der Game Changer sein
       können für die Schulen in einer möglicherweise drohenden vierten Welle.
       „Der bisherige Ansatz, dass bedarfsgerecht geschaut wird, wo Lüften
       eventuell schwierig ist, erscheint mir sinnvoller, als die Geräte mit der
       Gießkanne zu verteilen.“
       
       Heise merkt allerdings auch an, dass es mit der bedarfsgerechten Steuerung
       in den vergangenen Monaten nicht immer funktioniert habe. Die letzten
       beiden Tranchen wurden nämlich zentral von der landeseigenen Berliner
       Immobilienmanagement GmbH statt von den Bezirken geordert. Da hätten
       Schulen plötzlich durchaus überraschend Geräte von der BIM bekommen – für
       die sie mitunter zumindest spontan keine Verwendung hatten.
       
       ## Nicht effizienter als Lüften?
       
       Welchen Nutzen die Filter tatsächlich haben, ist derweil noch immer recht
       ungeklärt. Eine erste breiter angelegte Studie unter Real- statt
       Laborbedingungen, die die Stadt Stuttgart in Auftrag gegeben hat, deutet
       offenbar darauf hin, dass der Effekt der Geräte eher überschaubar ist. Die
       Studie wird voraussichtlich erst im Laufe des Monats veröffentlicht.
       Medienberichte zitieren allerdings bereits Ergebnisse, wonach die Filter
       nicht effizienter seien als ordnungsgemäßes (Quer-)Lüften.
       
       In Berlin läuft jetzt, in wesentlich kleinerem Rahmen, ein Modellprojekt
       mit Luftfiltern in zwei Kitas der Eigenbetriebe SüdOst in Neukölln und
       Treptow-Köpenick an. „Wir wollen nachvollziehen, inwiefern Luftfilter ein
       geeignetes Mittel sein können, um das Infektionsgeschehen in den Kitas zu
       reduzieren“, sagt der Neuköllner Jugenstadtrat Falko Liecke (CDU) der taz.
       
       Zuvor hatten sich Eltern der SüdOst-Kitas in der Reuterstraße und Am
       Treptower Park für ein solches Modellprojekt eingesetzt. Wie viele Geräte
       welchen Typs angeschafft werden sollen und wer die wissenschaftliche
       Begleitung des Projekts übernehmen soll, ist allerdings noch nicht geklärt.
       Man wolle dafür nun eine Kooperation mit dem Landesamt für Gesundheit und
       Soziales abstimmen, sagt Liecke. Momentan beantrage der Bezirk Fördergelder
       des Bundes für das Vorhaben. Dann sei auch klar, in welchem Umfang Geräte
       beschafft werden könnten.
       
       Gernot Klemm (Linke), Lieckes Amtskollege in Treptow-Köpenick, klingt
       allerdings schon jetzt einigermaßen skeptisch: Luftfilter „erfordern
       Wartungs- und Reparaturaufwand, müssen in die Kitaorganisation integriert
       werden und sind zudem sowohl in Anschaffung als auch im Unterhalt sehr
       kostspielig“, lässt er sich in einer gemeinsamen Pressemitteilung der
       Bezirke zitieren. Gleichzeitig sei „unklar, ob sie einen relevanten Nutzen
       bringen“.
       
       Das allerdings ist ein dringender werdendes Erkenntnisinteresse, dass Klemm
       mit vielen Berliner Eltern teilen dürfte.
       
       11 Jul 2021
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anna Klöpper
       
       ## TAGS
       
   DIR Schule und Corona
   DIR Luftfilter
   DIR Sandra Scheeres
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Lesestück Recherche und Reportage
   DIR Bildungschancen
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Schule und Corona
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Corona-Regeln für Berliner Schulen: Weiter Maske tragen in den Schulen
       
       Die Verlängerung der Maskenpflicht gilt bis zum 3. Oktober.
       Gesundheitssenatorin Kalayci (SPD) verteidigt verkürzte Quarantäne für
       Schulkinder.
       
   DIR Sommerschulen gegen Lernrückstände: Pauken in den Ferien
       
       In Berlin machen Nachhilfeprojekte des Senats in den Sommerferien Schule,
       doch muss das sein? Ein Besuch im Angesicht steigender Inzidenz.
       
   DIR Schulbetrieb nach den Ferien: Bedingt unterrichtsbereit
       
       Im Herbst sollen die Schulen trotz Deltavariante normal öffnen. Wie die
       Politik den Regelunterricht plant – und wo die Probleme liegen.
       
   DIR GEW-Vorsitzende über neues Schuljahr: „Ich würde mein Kind impfen lassen“
       
       Masken und Schnelltests werden uns auch im Herbst begleiten, sagt
       GEW-Vorsitzende Maike Finnern. Krisenfest seien die Schulen damit aber
       nicht.
       
   DIR Berliner Coronaschuljahr macht Ferien: Doch Hoffnung bis zuletzt
       
       Es gibt mittlerweile Konzepte und es gibt die nötige Infrastruktur in den
       Schulen. Trotzdem bleibt es eher beim bangen Blick nach vorn.
       
   DIR Beratungen der Kultusministerkonferenz: Nach den Ferien ins Klassenzimmer
       
       Nach den Sommerferien soll es wieder Regelbetrieb geben, empfiehlt die
       Kultusministerkonferenz. Außerdem erlässt sie eine Empfehlung zum Umgang
       mit Antisemitismus.