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       # taz.de -- Viva Con Agua baut Hotel in Hamburg: Gentrifizierung in Kauf genommen
       
       > Viva Con Agua baut ein Hotel im Hamburger Münzviertel. Der Verein
       > versucht einen Balanceakt zwischen Gemeinnützigkeit und Profit.
       
   IMG Bild: Sieht so die Zukunft der Gemeinnützigkeit aus? Visualisierung der Baupläne für das Münzviertel
       
       Hamburg taz | Eine Drohne fliegt durch blaue Bengalo-Rauchschwaden, während
       die Macher:innen von Viva Con Agua (VCA) in die Kamera lächeln.
       Gründerspirit trifft auf Gemeinnützigkeit. Am Montag war der erste
       Spatenstich für das neue Projekt der VCA-Familie – ein zwölfstöckiges Hotel
       mitten im Münzviertel, die „Villa Viva“. Von Hotel möchte hier aber niemand
       sprechen. Von „Gasthaus“ ist die Rede und von einer „Shareholder Gang“, die
       das Ganze finanziert. Von „Togetherness“ und „Synergie“. Mit wohlklingenden
       Anglizismen bewirbt Viva Con Agua sein neues Unternehmen.
       
       „Viva Con Agua setzt sich für die Grundbedürfnisse der Menschen ein:
       trinken und aufs Klo gehen. Schlafen ist der nächste logische Schritt“,
       sagt VCA-Gründer Benjamin Adrion. Bereits seit einigen Jahren versucht der
       sanktpaulianische Verein neben Spendengeldern neue Wege der Finanzierung
       ihrer gemeinnützige Projekte zu finden. Zur VCA-Familie gehören deswegen
       seit einigen Jahren auch gewinnorientierte Unternehmen. Der Gewinn fließt
       zu 100 Prozent zurück in soziale Projekte von VCA. Mineralwasser und
       Klopapier bieten sie schon an – ein Hotel in einem gentrifizierten Viertel
       ist aber doch etwas Anderes.
       
       Auf die Frage, ob das Hotel nicht in Widerspruch zu den bisherigen
       Unternehmen steht, antwortet Adrion: „Ich finde, dass auch hier die Idee
       von Viva Con Agua zu spüren ist. Das hier ist das Zusammenwirken einer
       Gemeinschaft, die das Ziel hat, soziale Projekte zu fördern.“
       
       Das Grundstück für die „Villa Viva“, das sich in Stadthand befand, sei
       aufgrund der Form schwierig zu bebauen, erklärt Finanzsenator Andreas
       Dressel (SPD). Deswegen habe die Stadt nur ein Drittel des ursprünglichen
       Kaufpreises verlangt. Zwischen Deichtorhallen und Hauptbahnhof wächst eine
       Vielzahl von anderen Hochhäusern in den Himmel, und mit ihnen die Mieten
       für Wohnraum.
       
       Günther Westphal von der Stadtteilinitiative Münzviertel sagt, er sei
       grundsätzlich zufrieden damit, wie VCA auf die Interessen der Anwohnenden
       eingehe. Seit zwei Jahren bestehe Kontakt zwischen dem Verein und der
       Initiative, die gegen die Gentrifizierung des Viertels kämpft. Die
       Messlatte liegt allerdings tief. Bis heute habe sonst kein anderes
       Unternehmen mit der Initiative zusammengearbeitet.
       
       Bezahlt wird das „Gasthaus“ durch Investor:innen, die in engem Kontakt zu
       VCA stehen. Kein Cent aus Spendengeldern sei in den Bau geflossen.
       
       Stellvertretend für die „Shareholder Gang“ spricht Mitra Kassai, Gründerin
       von „Oll Inklusiv“, das kulturelle Programme für Senior:innen
       organisiert. Der Unterschied zwischen konventionellen Investor:innen
       und der „Shareholder Gang“ sei, dass alle in erster Linie Gutes tun
       wollten. „Wenn ich das Geld wirtschaftlich anlegen wollte, hätte ich es
       nicht gemacht“, sagt die Geldgeberin lächelnd.
       
       5,5 Millionen Euro hätte die „Gang“ auf den Tisch gelegt – für 33 Prozent
       des Unternehmens, fügt Benjamin Adrion hinzu. Den Rest halte VCA. Erst nach
       20 Jahren hätten die Investor:innen das Recht, ihre Anteile zu
       verkaufen. VCA besäße ein Vorkaufsrecht. Mit dem Geld wird ein Kredit bei
       der Umweltbank bedient, die ausschließlich ökologische Kreditprojekte
       finanziert.
       
       Für die Zukunft seien weitere Hotels möglich, allerdings wolle VCA erst mal
       die „Füße stillhalten“. Benjamin Adrion sagt, dass es nicht darum gehe,
       „möglichst schnell Gewinn zu machen“. Weitere Projekte müssten mit dem Ziel
       der Wohltätigkeit geplant werden.
       
       Das H-Wort hat schlussendlich doch jemand benutzt: „Wir haben den Eindruck,
       es wird ein Hotel“, sagt Günther Westphal von der Stadtteilinitiative. Der
       Raum könnte auch anders genutzt werden. Ein bisschen recht hat er schon.
       
       13 Jul 2021
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Arne Matzanke
       
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