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       # taz.de -- Svenja Jäger über eine Ausstellung im Tempelhofer Hangar 2: Wo Künstlerinnen endlich sichtbar werden
       
       Sollen drei große Künstler genannt werden, fallen mir sofort Picasso,
       Monet, Chagall ein, und das ist wirklich nur ein Bruchteil. Werde ich aber
       nach Künstlerinnen gefragt, sieht es schon ganz anders aus. Frida Kahlo
       kenne ich und kann ein bisschen was zu ihr erzählen. Ich weiß auch, dass es
       da noch einige mehr gibt – aber spontan benennen kann ich sie nicht.
       
       Das ist traurig, aber die Realität. Zum einen liegt es daran, dass Männer
       einen leichteren Werdegang hatten und schon im 16. Jahrhundert
       Kunstunterricht an staatlichen finanzierten Akademien nehmen konnten,
       während für Frauen der Zugang erst in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts
       geschaffen wurde. An der Académie Julian in Paris zahlten sie für eine Zeit
       auch doppelt so viel wie die Männer.
       
       Irgendwann hatten Frauen denselben Zugang zu den Kunsthochschulen, deutlich
       sichtbarer wurden sie trotzdem nicht. Über sie wird weniger geschrieben und
       gesprochen, vor allem stellen sie auch seltener aus. Aber nur weil sie
       weniger sichtbar sind, heißt das nicht, dass es wenige gute Künstlerinnen
       gibt.
       
       Camille Morineau wagte den Umbruch zuerst in der Pariser Kunstszene. Im
       Centre Pompidou stellten viele männliche Künstler aus. Für Camille Morineau
       war das ein Problem. Sie wusste ja, dass es genauso weibliche Künstlerinnen
       gab. In den Jahren 2009–2011 kuratierte sie die Ausstellung
       „elles@centrepompidou“, die ausschließlich Werke von Künstlerinnen zeigte.
       Auch in anderen Museen setzte sie auf Weiblichkeit.
       
       Im Jahr 2014 gründete sie dann die Organisation „Aware – Archives of Women
       Artists, Research & Exhibitions“. Auf deren Internetseite werden
       mittlerweile über 650 Künstlerinnen dokumentiert. Die Partnerschaften mit
       Unis, Museen und Forschungszentren werden weltweit geknüpft.
       
       Am 14. Juli feierte nun die Ausstellung „Be AWARE – Frauen in der
       Geschichte der Kunst“ im Rahmen von „Diversity United“ Premiere. Im Hangar
       2 des ehemaligen Flughafens Tempelhof kann noch bis zum 19. September die
       weibliche Kunstgeschichte erlebt werden.
       
       ## Schaffen, Zeigen, Schreiben
       
       Vier Thematiken stehen dabei im Fokus: Beim „Schaffen“ geht es um die
       Schwiergkeiten, die Künstlerinnen in ihrer Karriere hatten. Beim „Zeigen“
       sollen sich Künstlerinnen nicht mehr von ihren männlichen Kollegen in den
       Schatten stellen lassen, sondern sichtbarer werden. Dafür braucht es das
       „Schreiben“ von Frauen über Künstlerinnen. „Sichzusammentun“ schließlich
       passiert in Kollektiven, worüber erst eine Veränderung erreicht werden
       kann.
       
       „Geschichte neu schreiben mit weiblichen Künstlerinnen ist Veränderung“, so
       Camille Morineau selbst über „Be AWARE“.
       
       Und ihr Anliegen wurde auch in der Hauptausstellung „Diversity United“
       umgesetzt. Dort wurde darauf geachtet, dass ein ausgeglichenes
       Geschlechterverhältnis entsteht. Künstlerinnen können hier zumindest
       gesehen werden.
       
       Nachfolgend soll die Ausstellung auch in anderen Städten ihren Platz
       finden. So sind nach Berlin auch Moskau und Paris geplant.
       
       15 Jul 2021
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Svenja Jäger
       
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