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       # taz.de -- Neuer Lucky Luke-Comic: Steckrüben am Bareback Mountain
       
       > Ein neuer Lucky Luke ist in der Stadt: „Zarter Schmelz“ ist eine
       > Comic-Hommage von Ralf König. Erwartungsgemäß geht es um sexuelle
       > Orientierung.
       
   IMG Bild: Lucky Luke und das schwule Paar Bud und Terrence im Valley
       
       Auch ein Revolverheld braucht mal ’ne Pause: Lucky Luke, der Mann, der
       schneller zieht als sein Schatten, möchte im neuen „Hommage“-Band „Zarter
       Schmelz“ einfach nur chillen. Das klappt am besten beim Kühehüten.
       
       Das Angebot des „Jobcenters“ in Straight Gulch kommt ihm da gerade recht:
       Fünf Schweizer Kühe, die von der Überseereise lila geworden sind, sollen
       zur Erholung im nahen Dandelion Valley grasen. Deren Besitzer Mr. Sprüngli
       reicht unter den Bewerbern auch ein paar Kostproben seiner Schokolade herum
       – eine im Westen unbekannte Delikatesse.
       
       Lucky bekommt den Job. Allerdings ist dem aufmerksamen Cowboy nicht
       entgangen, dass einer aus dem Bewerberkreis, der rothaarige, kräftige Bud
       Willis, ausgeschlossen wurde. Warum? Er soll eine „Steckrübe“ sein, also
       andere Cowboys lieben. Lucky nimmt den Außenseiter, der vergeblich auf
       seinen Freund Terrence McQueen wartet, trotzdem mit auf die grüne Wiese.
       
       75 Jahre Lucky Luke, das ist schon was. Der hochgewachsene Cowboy ritt
       erstmals 1946 durch das belgische Spirou-Comicmagazin. Damals noch
       Zigarette rauchend, sah er recht rundlich aus, wie eine Trickfilmfigur, was
       in der kürzlich erschienenen Nr. 100 der Albenreihe anzuschauen ist, in der
       die frühesten Abenteuer versammelt sind, die Lucky-Luke-Schöpfer Morris
       (Maurice de Bévère, 1923–2001) zeichnete.
       
       ## Coming-Out für den Revolverhelden?
       
       Neben der regulären, [1][heute von Achdé gezeichneten Reihe], die sich am
       klassischen Morris-Strich orientiert, gibt es seit 2016 auch Hommage-Bände,
       die von bekannten Künstlern in ihrem Stil gezeichnet werden. Darunter
       [2][der Berliner Zeichner Mawil mit „Lucky Luke sattelt um“] (aufs
       Fahrrad). Von Matthieu Bonhomme erschien kürzlich eine augenzwinkernd
       erzählte Hommage namens „Wanted“, darin wird der Held selbst steckbrieflich
       gesucht.
       
       Nun ist wieder [3][ein deutscher Zeichner an der Reihe: Ralf König], der
       durch seine Schwulen-Comics wie „Konrad und Paul“ über die Landesgrenzen
       hinaus bekannt ist. Mancher Lucky-Luke-Fan fürchtete wohl, dass König den
       coolen Revolverhelden rosa anziehen und dessen schwules Coming-out
       zelebrieren würde. Weit gefehlt!
       
       Lucky wird in seinem Wesen nicht verändert, dafür hat Ralf König – laut
       eigenen Angaben selbst mit der Serie groß geworden und bis heute begeistert
       von Morris’ zeichnerischem Können – zu viel Respekt vor der Comic-Legende.
       Stattdessen wird Lucky Luke mit der eigenen Legende – jeder kennt seinen
       Namen, gierige Autogrammjäger lauern ihm auf – sowie schwulen Cowboys
       konfrontiert. Und mit Homophobie.
       
       Während des andächtigen Weidens vor rosa Bergkulisse – den Kühen geht es
       besser – entsteht eine fast intime Beziehung zwischen Luke und dem
       sensiblen Bud. Der ist übrigens auch der (unzuverlässige) Erzähler: In der
       Rahmenhandlung schildert Bud, Jahre älter, seine Geschichte mit Lucky Luke.
       
       ## Bud und Terrence bewundern Lukes „Nippel“
       
       Als er ihn das erste Mal sah, erschien er ihm „nicht ganz so gutaussehend
       wie in den Bilderbüchern“, die „große Kunst“ wären. Dabei sieht Königs
       Version gar nicht so schlecht aus: cool, mit vorspringender Oberlippe,
       unrasiert.
       
       Bud wird im Plaudern nur manchmal von Terrence unterbrochen, der im
       Hintergrund gerade „Steaks paniert“ und seinen Partner dazu anhält, nicht
       so viel auszuschmücken. Das körperlich Anziehende wird in den mal spitzen,
       mal zotigen Dialogen und Off-Texten betont.
       
       So bewundert Bud Lucky Lukes Brustwarzen beim Baden im Fluss. Ralf König
       hatten in Morris’ Darstellungen immer Lukes „Nippel“ gefehlt, deshalb habe
       er die Gelegenheit ergriffen, ihn diesmal damit, also sexier zu zeichnen.
       Auch dessen „Long John“-Unterwäsche ist vorne leicht ausgebeult. Mehr
       gibt’s aber nicht zu sehen.
       
       Ralf König ballert dafür geradezu mit Anspielungen auf klassische Alben der
       Serie herum – und auf Western im Allgemeinen. Die Namen Bud und Terrence
       sind ihrerseits Reminiszenzen an zwei populäre italienische
       (Westernparodien-) Schauspieler. Narrativer Höhepunkt ist, als Bud Luke
       erzählt, wie er und Terrence sich beim Hüten einer Hammelherde (!) am
       Bareback Mountain näherkamen. Obwohl ins Komische überspitzt, erinnert die
       Szene an Ang Lees Cowboy-Liebesfilm „Brokeback Mountain“.
       
       Die sexuelle Orientierung spielt bei König erwartungsgemäß eine größere
       Rolle als in den für Kinder konzipierten Comics von Morris. Lucky Luke
       steht zur Liebe so: „Ich habe Jolly und den Sonnenuntergang, das reicht.“
       Für mehr Diversität sorgen Nebencharaktere: Das Flintenweib Calamity Jane,
       die ein Date mit der Indianerin Sitting Butch vom Stamm der Chicorée hat,
       oder deren quasselnde Begleitung Buffalo Bitch, ein Trans-Indianer. Beide
       reiten auf Pferden mit Regenbogenmähnen.
       
       Selbstverständlich endet es in einem Showdown in Straight Gulch. Die
       Kontrahenten: Bud und Terrence. Wird die Liebe siegen, oder muss das
       Dreamteam sich verleugnen? „Schwulcomix“-Altmeister Ralf König gelingt eine
       höchst amüsante, mit pointierten Dialogen gespickte Hommage.
       
       18 Jul 2021
       
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       ## AUTOREN
       
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