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       # taz.de -- Eröffnetes Humboldt Forum in Berlin: Zwingburg der falschen Gesten
       
       > Das Berliner Stadtschloss steht seit jeher für Überlegenheit. Sein
       > undemokratischer Charakter zieht sich bis ins Jetzt – durch das koloniale
       > Raubgut im Innern.
       
   IMG Bild: Hier steht heute das wiederaufgebaute Stadtschloss – 1997 stand noch der Palast der Republik
       
       Berlin taz | Das Humboldt Forum ist kein Schloss. Es ist auch keine Kopie
       des Berliner Schlosses, sondern bestenfalls das Bild davon – und das auch
       nur von drei Seiten. Gerade die Ostseite des Gebäudes in Richtung der
       ehemaligen Doppelstadt Berlin-Cölln wurde nicht rekonstruiert. Hier hatten
       bis zum Abriss der Kriegsruine zu DDR-Zeiten die ältesten Teile des
       Schlosses gestanden. Sie fehlen jetzt und sind durch eine Spreeterrasse
       ersetzt.
       
       Nun kann man nicht mehr erahnen, dass das durch den brandenburgischen
       Kurfürsten ab 1443 begonnene Schloss zunächst eine Zwingburg war. Es sollte
       die Stadtbürger in Schach halten. Auch der berühmte „Berliner Unwille“
       konnte 1448 die Herrschaft der Hohenzollern nicht abschütteln.
       
       So undemokratisch fängt die Geschichte des Schlosses an. Als dann Andreas
       Schlüter dem „König in Preußen“ anlässlich seiner Krönung in Königsberg im
       Jahr 1701 eine standesgemäße erweiterte Residenz baute, waren die barocken
       Formen bei einem römischen Palazzo abgeguckt. Das Humboldt Forum prunkt
       also heute genauso wie zu Hochzeiten des Feudalabsolutismus. Eine Mehrheit
       des deutschen Bundestags, der die Rekonstruktion im Jahr 2002 beschloss,
       sah darin kein Problem.
       
       Einsprüche aber gibt es aktuell zuhauf. Nicht mehr der Abriss des zuvor
       hier stehenden [1][Palastes der Republik] ist das Skandalon, sondern das
       koloniale Raubgut im Inneren des Humboldt Forums. Es fragt sich nun, ob
       nicht schon die Fassaden einen falschen Geist ausstrahlen, lief doch der
       Weg unter den Hohenzollern schnurstracks hinein in Kolonialismus und
       Imperialismus. Das von Eosander von Göthe eingefügte Westportal im Schloss
       wiederholt sogar die Form des Triumphbogens des Septimius Severus aus dem
       Jahre 203, errichtet nach den Siegen über die Parther. Die Geschichte ist
       oft grausam gegenüber den Besiegten; zuweilen wird ihnen noch das
       Wertvollste als Beute entrissen.
       
       Sich barocke Fassaden zurückzuholen und dazu die im 19. Jahrhundert
       ergänzte Kuppel mit Kreuz und der Aufschrift, „daß im Namen Jesu sich
       beugen sollen aller derer Kniee, die im Himmel und auf Erden und unter der
       Erde sind“, ist nicht bloß bauliche Rekonstruktion. Es handelt sich um die
       Wiederholung einer Überlegenheitsgeste.
       
       So etwas kann man allenfalls ironisch zum Besten geben. Und so muss man
       wohl auch die Forderung des [2][Fördervereins Palast der Republik e. V. zur
       Wiedererrichtung] des geschleiften DDR-Baus verstehen: Mit fast denselben
       Slogans wie einst die Schlossfreunde beruft sich der Förderverein auf die
       Historie. Mit einem Unterschied: Jetzt gelte es, die „historische Mitte
       komplexer zu machen“.
       
       21 Jul 2021
       
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   DIR [1] /Fotoserie-zum-Palast-der-Republik/!5206820
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