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       # taz.de -- Komödie „Gasmann“ im Kino: Der Reiz des toxischen Losers
       
       > Parabel über den Theaterbetrieb: Die Kino-Satire „Gasmann“ von Arne
       > Körner treibt sich mit verkrachten Künstlern in St. Paulis Kneipen herum.
       
   IMG Bild: Seltsamer Literatenzirkel in St. Pauli: Szene aus dem Film „Gasmann“
       
       Bernd ist Schauspieler. Ihn erfolgreich zu nennen wäre stark übertrieben.
       Jahrelang hat er sich mit kleinen Rollen irgendwie durchgeschlagen, den
       Unterhalt für das gemeinsame Kind kann er davon aber nicht zahlen.
       Entsprechend säuerlich laufen die Übergaben.
       
       Und seine Ex ist nicht die Einzige, die wenig bis nichts von Bernd hält. Da
       ist auch noch der Regisseur des Stücks, bei dem er am St. Pauli Theater nun
       endlich eine Hauptrolle spielen soll. Frank Winter heißt er, es spielt ihn
       der Filmregisseur Peter Ott, und zwar, im Film, als Filmregisseur, der
       keine sonderlich große Lust auf diese erste Theaterarbeit hat.
       
       Dabei hat er das Stück selbst geschrieben, es heißt „Der Gasmann“ und dreht
       sich um zwei SS-Männer – der Titelheld ist speziell ein Verehrer von
       Goebbels – und zwei ihrer Opfer. Und Frank Winter hat zwar keine große
       Lust auf das Stück, dessen Proben er wegen seines nächsten Films abrupt für
       beendet erklärt.
       
       Er hat aber, noch schlimmer, Ideen. Etwa ein wenig ausgegorenes Konzept
       zwischen Realismus (Uniformen zum Beispiel) und Abstraktion (Bühnenbild und
       Requisite). Und seine schlimmste Idee: Er hält die Darsteller*innen von
       Tätern und Opfern bei den Proben separiert: Bei der Premiere sollen sie
       sich erstmals auf der Bühne begegnen.
       
       Was man vom Stück selbst halten soll oder könnte, geht aus den
       Probenausschnitten, die man sieht, nicht deutlich hervor. Der Ton, mit dem
       [1][Regisseur Arne Körner] das inszeniert, auch der Ton, in dem Peter Ott
       seine Regisseursfigur spielt, geht klar in Richtung satirischer
       Überzeichnung. Wobei sich die Sache darin dann auch immerzu schnell
       erschöpft, ohne dass eine weitere oder tiefere Einsicht daraus folgte.
       
       ## Film über das Theater und sein Milieu
       
       An der Idee mit den getrennten Proben ist das zentrale Problem ja, dass der
       Regisseur sich als passiv-aggressiver Diktator geriert und die
       Schauspieler*innen gar nicht erst fragt, wie sie das finden. Mit der
       Idee selbst befasst sich der Film aber nicht. Letztlich bleibt überhaupt
       unklar, ob „Gasmann“ über das Theater etwas über diesen Bernd erzählen will
       oder über diesen Bernd vom Theater. Oder über das Theater und Bernd vom
       Milieu.
       
       Fragt sich nur: welchem? St. Pauli, das ja, nur dass die Züge, mit denen
       das Buch von Arne Körner und Akin Sipal seinen Protagonisten übers
       Spielfeld bewegt, recht willkürlich bleiben. Da ist, neben der Ex, die man
       aber nur zweimal kurz sieht, vor allem eine Männerrunde als seltsamer
       Literaturzirkel, der sich in St. Paulis Kneipen trifft und aus entstehenden
       Texten rezitiert.
       
       Oder auch mal mit bescheuerten Sprüchen einen Obdachlosen fertigzumachen
       versucht. Eigentlich ist der Zirkel eine interessant zusammengewürfelte
       Truppe: ein Journalist darunter, ein Loser wie Bernd, dem der Chef in der
       Redaktionskonferenz heftig den Kopf wäscht. Das war es dann aber auch schon
       wieder mit diesem Milieu.
       
       Oder Uli, vom Ex-Staatsanwalt und Ex-Schlingensief-Darsteller Dietrich
       Kuhlbrodt trotz hohen Alters mit sehr viel mehr Körperspannung als Schluffi
       Bernd von Rafael Stachowiak gespielt. Uli haut einen Spruch nach dem
       anderen raus, später wird ein Stahlhelm vertickt, dem er sehr postum einen
       Schuss in die Stirn verpasst hat.
       
       Alle Szenen sind in einem nicht gut zu verortenden Halbrealismus gespielt.
       Nicht rein satirisch, aber auch nicht um präzise Wirklichkeitszeichnung
       bemüht. Und dann ist da noch eine Frau, fast ohne Text, auch ohne Namen
       (Gala Othero Winter), aber für Sex mit Bernd ist sie gut. Was sie jedoch an
       diesem toxischen Loser findet, kann und will der Film leider so wenig
       erklären, wie man sein eigenes Interesse an diesem Protagonisten letztlich
       versteht.
       
       22 Jul 2021
       
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