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       # taz.de -- Flutkatastrophe in Westdeutschland: Was die Freiheit wirklich bedroht
       
       > Einschränkungen für den Klimaschutz werden von vielen als Zumutung
       > empfunden. Doch ein Weiter-so hat viel schlimmere Folgen, wie man jetzt
       > sieht.
       
   IMG Bild: Altenahr (Ahrweilerkreis) am Freitag. Starkregen und Überflutungen sorgten für Chaos
       
       Es sind erschütternde Bilder und Nachrichten, die uns aus
       Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz erreichen. [1][Über 100 Tote,
       abgeschnittene Orte, eingestürzte Häuser, Milliardenschäden] – eine solche
       Unwetter-Katastrophe war für viele in Deutschland bisher kaum vorstellbar.
       
       In einer solchen Situation geht es zuerst darum, den Betroffenen
       unmittelbar zu helfen, bei der Rettung ebenso wie beim anschließenden
       Wiederaufbau. Doch ebenso wichtig ist es, alles zu tun, um vergleichbare
       Katastrophen in Zukunft so weit wie möglich zu verhindern. Und dazu gehört
       neben besserem Hochwasserschutz in den betroffenen Regionen vor allem, den
       Kampf gegen den Klimawandel zu beschleunigen.
       
       Eine solche Forderung ist keineswegs respektlos gegenüber den Opfern, wie
       manche kritisieren. Respektlos wäre es vielmehr, die Ursachen zu ignorieren
       und so weiterzumachen wie bisher.
       
       Denn auch wenn ein einzelnes Wetterphänomen nie unmittelbar auf den
       Klimawandel zurückgeführt werden kann, gibt es klare Belege dafür, dass die
       menschengemachte Erderhitzung die Wahrscheinlichkeit von extremen
       Starkregen-Ereignissen deutlich erhöht, weil warme Luft mehr Feuchtigkeit
       aufnehmen kann.
       
       ## Die Folgen des Klimawandels sind nun ganz nah
       
       Zudem bleiben Hoch- und Tiefdruckgebiete durch das veränderte Klima wohl
       länger an einem Ort, was einerseits zu Überschwemmungen und andererseits zu
       langer Trockenheit führen kann. [2][Wissenschaftler*innen warnen seit
       Jahrzehnten vor genau der Entwicklung, die jetzt eintritt].
       
       In vielen Teilen der Welt haben die Auswirkungen des Klimawandels – ob
       Starkregen, Dürreperioden oder Stürme – schon länger tödliche Konsequenzen.
       Doch in Deutschland schienen diese Folgen des CO2-Ausstoßes bisher weit weg
       zu sein; hier konnte man sich vor der Klimakrise weitgehend sicher fühlen.
       Das hat sich nun auf grausame Weise geändert.
       
       Was derzeit im Westen des Landes passiert, macht dabei schlagartig klar,
       wie realitätsfern viele Debatten in Deutschland bisher gelaufen sind. Ob
       [3][Tempolimit], [4][steigende Benzinpreise], Ölheizungsverbot oder weniger
       Fleisch und Flugreisen: Es ist der Kampf gegen die Klimakrise, der im
       Wahlkampf von vielen als ein Angriff auf die Freiheit dargestellt wird.
       
       Dabei ist es umgekehrt. Nachdem das Verfassungsgericht kürzlich schon
       gefordert hatte, dass bei politischen Entscheidungen auch die Freiheit der
       künftigen Generationen berücksichtigt werden muss, zeigt sich nun, dass die
       Klimakrise auch die Freiheit in der Gegenwart bedroht: Durch Wetterextreme,
       die Leben und wirtschaftliche Existenzen auslöschen und die Infrastruktur
       ganzer Regionen zerstören.
       
       ## Eine Chance für die deutsche Klimapolitik
       
       So schrecklich die Ereignisse sind: Sie könnten und müssten der
       Ausgangspunkt für ein neues Tempo in der deutschen Klimapolitik sein, ein
       Anlass, die kurzsichtige Abwehr der notwendigen Veränderungen endlich
       aufzubrechen. Ob das passiert, scheint aber zweifelhaft.
       
       Wenn CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet die Ereignisse am Abend der
       Katastrophe mit den Worten kommentiert, „weil jetzt ein solcher Tag ist,
       ändert man nicht die Politik“, dann zeigt das nicht nur, dass er das Ausmaß
       der Katastrophe und den dringenden Handlungsbedarf offenbar noch nicht
       verstanden hat. Sondern auch, dass er ein politisches Momentum nicht
       erkennt und nicht versteht, wie politische Führung funktioniert – anders
       als Angela Merkel, die nach Fukushima eine Kehrtwende in der Atompolitik
       vollzog, oder Joschka Fischer, der nach Srebrenica die Haltung der Grünen
       zu Militäreinsätzen neu ausrichtete.
       
       Die Veränderungen, die uns im Kampf gegen die Klimakrise bevorstehen,
       werden gewaltig sein. Dass sie Abwehrreflexe, Angst und Protest auslösen
       werden, ist absehbar. Doch gerade deshalb muss die Politik ihrer
       Verantwortung nachkommen und klarmachen, dass ein Weiter-so weitaus
       schlimmere Folgen haben wird, als die notwendigen Maßnahmen anzugehen. Wer
       das nicht begreift, ist zur verantwortungsvollen Führung dieses Landes
       nicht geeignet.
       
       16 Jul 2021
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Malte Kreutzfeldt
       
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