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       # taz.de -- Krieg in Äthiopien: Tigray will weiterkämpfen
       
       > Nach ihrem Sieg über Äthiopiens Armee warnt Tigrays Regionalregierung,
       > sie könne den Krieg ausweiten. Zugleich bittet sie um humanitäre Hilfe.
       
   IMG Bild: Jetzt beherrschen sie wieder ganz Tigray: TPLF-Kämpfer Anfang Mai in der Stadt Hawzen
       
       Addis Abeba taz | Der [1][Krieg in der nordäthiopischen Tigray-Region] ist
       noch lange nicht vorbei, trotz des einseitigen Waffenstilstands der
       föderalen Regierung von Äthiopien. „Ein Witz“, nennt Getachew Reda, der
       Sprecher der Regionalregierung von Tigray, die Waffenruhe. „Unser
       Hauptaugenmerk liegt darauf, die feindlichen Kampffähigkeiten zu
       verringern. Wenn es notwendig ist, nach Amhara zu gehen, werden wir es tun.
       Wenn es nötig ist, nach Eritrea zu gehen, werden wir es ebenfalls tun.“
       
       Einen Tag, nachdem die vor acht Monaten von Äthiopiens Armee aus Tigrays
       Hauptstadt Mekelle vertriebene Regionalregierung zurückkehrte, jagen ihre
       siegreichen Truppen die zurückziehenden föderalen äthiopischen
       Streitkräfte. Getachew meldet, dass am Dienstag bei Kämpfen an der Grenze
       zur Region Afar östlich von Tigray hunderte von Soldaten der äthiopischen
       Armee getötet wurden. Das ist aber nicht unabhängig zu bestätigen.
       
       Nach Berichten von der Grenze zwischen Tigray und dem Nachbarland Eritrea
       gibt es keine eritreischen Truppen mehr in Tigray – sie hatten dort seit
       November Äthiopiens Armee gegen die Tigray-Regionaltruppen utnerstützt. „In
       der Nacht von Montag auf Dienstag gab es eine massive Bewegung eritreischer
       Truppen aus den tigrayischen Städtchen Axum und Shire in Richtung Sheraro“,
       erzählte ein Bewohner der Region der Presseagentur Reuters. Sheraro liegt
       nahe der eritreischen Grenze. Er schickte ein kurzes Video von Bewohnern
       der Kleinstadt Shire, die sich in Fahrzeuge drängten und unter Freuderufen
       eine große gold-rote Tigray-Flagge schwenkten.
       
       Eritrea hat sich dem äthiopischen Waffenstillstand in Tigray nicht
       ausdrücklich angeschlossen. Eritreische Truppen werden beschuldigt, in
       Tigray Greueltaten wie Morde und Vergewaltigungen begangen zu haben. Sie
       waren in Tigray geblieben, auch nachdem der äthiopische Premierminister
       Abiy Ahmed gesagt hatte, die Eritreer hätten sich bereit erklärt, nach
       Hause zu gehen. Als sie dann schließlich doch gingen, zog auch Abiy die
       föderalen äthiopoischen Truppen zurück. Das könnte bedeuten, das die
       äthiopische Armee nicht in der Lage war, allein den Tigray-Regionaltruppen
       zu widerstehen.
       
       ## Mindestens 12 getötete Mitarbeiter von Hilfsorganisationen
       
       Das ist eine Blamage für die Streitkräfte, die vor dem Krieg vor allem von
       Offizieren aus Tigray geführt worden waren. Als Abiy Tigray angreifen ließ,
       musst er sich stattdessen an ethnische Amhara-Milizen wenden, Nachbarn und
       historische Rivalen der Tigrayer. Die Amhara-Milizen wurden der ethnischen
       Säuberung beschuldigt und des Versuchs, sich Teile Tigrays anzueignen.
       Umgekehrt haben die Tigray-Truppen Kriegsverbrechen gegen ethnische Amharas
       begangen.
       
       Die Regionalregierung von Tigray steht vor einer gewaltigen Aufgabe. Bei
       den Kämpfen seit November wurden Tausende von Menschen getötet, zwei
       Millionen vertrieben und Hunderttausende an den Rand einer Hungersnot
       gebracht – nach Vorwürfen der tigrayischen Seite absichtlich von Äthiopien
       durch das Blockieren von Hilfe verursacht, was Äthiopien zurückweist. Viele
       Vertriebene können nicht nach Hause, weil ihre Häuser und Ortschaften
       zerstört wurden und weder Wasser noch Nahrung vorhanden sind. Gerade jetzt
       in der Regensaison mangelt es Bauern an Saatgut für den Anbau.
       
       Die tigrayische Regionalregierung hat nun Hilfsorganisationen gebeten, so
       schnell wie möglich Hilfe nach Tigray zu bringen. Hilfswerke machen sich
       aber große Sorgen über die Unsicherheit durch die Fortsetzung der Kämpfe.
       Seit Anfangs des Krieges wurden mindestens 12 Mitarbeiter von
       Hilfsorganisationen getötet.
       
       Boris Cheshirkov, Sprecher des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) appellierte
       an alle Konfliktparteien, sich an das humanitäre Völkerrecht zu halten.
       „Wir fordern, die Zivilbevölkerung, einschließlich der Vertriebenen, zu
       schützen und sicherzustellen, dass humanitäre Helfer weiterhin ihre
       Aufgaben wahrnehmen und so viele Menschen wie möglich erreichen können.“
       
       30 Jun 2021
       
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