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       # taz.de -- Putins Bürgersprechstunde: Beschädigter Leader
       
       > Wladimir Putin empfiehlt sich in seiner Bürgersprechstunde als „Leader“ –
       > während die Infektionen steigen und Oppositionelle kriminalisiert werden.
       
   IMG Bild: Auf die Frage nach der Zukunft antwortete Putin, das Beste komme erst noch
       
       Sie hätte so schön werden können, die alljährliche Veranstaltung von
       [1][Wladimir Putin] an diesem Mittwoch, bei der sich Russlands Präsident
       Fragen der Bürger*innen stellte – alle vorher sorgsam ausgewählt,
       versteht sich. Doch leider gibt es dieses verflixte Virus. Und da lautet
       der Befund für [2][Russland]: Dumm gelaufen! Obwohl mit Vakzinen beileibe
       nicht unterversorgt, explodieren – wieder einmal – die Coronazahlen. Ein
       Großteil der Bevölkerung weigert sich jedoch bislang hartnäckig, den Arm
       hinzuhalten. Und das trotz der Einführung von Zwangsmaßnahmen und
       staatlicher Köder wie Lotteriegewinnen und bescheidenen pekuniären
       Motivationshilfen.
       
       Dass Putin mit seiner Werbung für die Spritze nebst Coming-Out, auch er
       habe sich mit [3][Sputnik] impfen lassen, dieser weit verbreiteten Skepsis
       etwas entgegen setzen kann, darf bezweifelt werden. Denn der Unwille vieler
       Russ*innen, sich den Schuss abzuholen, ist vor allem ein Misstrauensvotum
       gegen den Staat und damit nicht zuletzt auch gegen Putin selbst. Woher soll
       das Vertrauen auch kommen, wenn jede/r weiß, dass offizielle Daten geschönt
       sind? Zudem dürften sich viele noch an die Anfangszeit der Pandemie
       erinnern, als einige Ärzt*innen und Mitarbeiter*innen in Kliniken,
       die unangenehme Wahrheiten ausgesprochen hatten, gefeuert wurden oder gar
       unter merkwürdigen Umständen zu Tode kamen.
       
       Putin hat längst begriffen, dass es mit seinem Nimbus als starker „Leader“
       und Garant für Stabilität nicht mehr allzu weit her ist. Um das zu
       erkennen, war auch aufschlussreich, was bei der „Volksfragestunde“ beredt
       beschwiegen wurde. Themen wie Opposition und Zivilgesellschaft kamen
       schlicht nicht vor. Gleichzeitig vergeht jedoch kein Tag, an dem kritische
       Geister nicht kriminalisiert und mit Strafen belegt werden. Erst in dieser
       Woche wurden vier weitere ausländische Organisationen als „unerwünscht“
       gelabelt – mit allen strafrechtlichen Konsequenzen für die Beteiligten.
       
       Warum, liegt auf der Hand. Mitte September finden Dumawahlen statt, und da
       möchte die Kremlpartei „Einiges Russland“ eine satte Mehrheit einfahren –
       nicht zuletzt, um weiter an der Verfassung herumbasteln zu können.
       
       Obwohl der Staat schon entsprechende Vorarbeit geleistet hat und im Herbst
       kaum noch ein*e Oppositonelle*r zur Wahl stehen dürfte, ist der
       Wahlsieg kein Selbstläufer. Die Zustimmungswerte zu „Einiges Russland“
       gehen steil nach unten – wenn die Menschen im Herbst überhaupt an die Urnen
       gehen. Denn bei der Wahlbeteiligung, die bereits 2016 mit 47,8 Prozent
       einen postsowjetisch historischen Tiefstand erreichte, sehen
       Expert*innen noch Luft nach unten.
       
       Auf die Frage, ob seine größten Errungenschaften in der Vergangenheit oder
       der Zukunft liegen, meinte Putin: Das Beste komme erst noch. Angesichts des
       Umstandes, dass er schon jetzt bis 2036 im Amt bleiben kann, dürfte das für
       viele eher wie eine Drohung klingen.
       
       1 Jul 2021
       
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   DIR Barbara Oertel
       
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