URI: 
       # taz.de -- Biologe über Artensterben und Klimakrise: „Walkot hilft dem Klima“
       
       > Die Meeressäuger sind natürliche Klimaschützer. Dabei helfen auch ihre
       > Ausscheidungen, erklärt der Biologe Morten Iversen.
       
   IMG Bild: Ein Wal kann 33 Tonnen Kohlenstoff speichern – so lange er lebt: in einem Netz verhedderter Pottwal
       
       taz: Herr Iversen, ein einziger Wal soll fürs [1][Klima] so gut sein
       [2][wie mehr als 1.000 Bäume]. Wie das denn? 
       
       Morten Iversen: Ein großer Wal lagert in seinem Körper ungefähr 33 Tonnen
       Kohlenstoff, irgendwann stirbt er und der Kohlenstoff sinkt mit ihm auf den
       Meeresboden. Ein Baum bindet pro Jahr 21 Kilogramm. Darauf basiert diese
       ungefähre Rechnung. Hinzu kommt, dass der Walkot dem Klima hilft. Er ist
       wie Eisendünger für Phytoplankton, also für einzellige Pflanzen im Meer,
       die ebenfalls CO2 binden. Wie alle Pflanzen braucht Phytoplankton aber
       natürlich auch Sonnenlicht, Wasser und weitere Nährstoffe.
       
       Der Walkot kann also nicht die ganze positive Wirkung für sich
       beanspruchen, er hilft nur nach. 
       
       Genau. Und nach dem Absterben der Pflanzen landet der gebundene Kohlenstoff
       dann auch irgendwann auf dem Meeresboden, wo er Millionen Jahre lagern
       kann. Diesen Effekt nennt man „biologische Pumpe“.
       
       Gerade erst haben Weltbiodiversitätsrat und Weltklimarat [3][einen Bericht
       herausgebracht], in dem sie naturbasierte Klimaschutzlösungen fordern.
       Walschutz wäre so eine Lösung, oder? 
       
       Ja, auf jeden Fall. Obwohl die Wale allein uns natürlich nicht vor dem
       Klimawandel retten. Für dieses Problem gibt es nicht genug Wale. Bevor die
       Menschen im 20. Jahrhundert mit dem industriellen Walfang anfingen, haben
       Wale durch ihre Körper pro Jahr insgesamt 200.000 Tonnen Kohlenstoff auf
       dem Meeresboden gebunden. Im Jahr 2001 war dieser Wert auf 30.000 Tonnen
       Kohlenstoff zusammengeschrumpft. Da ist also eine ganz schöne Lücke zu dem,
       was wir Menschen so an Treibhausgasen ausstoßen.
       
       Stimmt, das sind ja pro Jahr aktuell rund 50 Milliarden Tonnen, wenn nicht
       gerade [4][eine Pandemie herrscht, die die Weltwirtschaft und damit die
       Emissionen ein bisschen bremst]. Wie sehr hilft denn der Walkot? 
       
       Untersuchungen dazu gibt es zum Beispiel für die Pottwalpopulation im
       Südozean. Die allein kann pro Jahr schon die Bindung von 400.000 Tonnen
       Kohlenstoff stimulieren. Selbst wenn man gegenrechnet, was die Tiere an CO2
       ausatmen, bleibt davon noch etwa die Hälfte. Wobei ich sagen muss: Es ist
       extrem schwierig, den Effekt von Walkot exakt zu messen. Um auch nur die
       Ausscheidungen selbst zu untersuchen, fahren wir den Walen mit dem
       Schlauchboot hinterher und hoffen, dass sie Kot ausscheiden, den wir mit
       einem Eimer abfangen können. Im Südozean, dem Meer, das die Antarktis
       umgibt, ist das Wetter dafür fast immer zu schlecht.
       
       Tritt dieser Effekt nur im Südozean auf? 
       
       Nein, aber da ist er besonders wirksam, weil es dort einen Eisenmangel im
       Wasser gibt, den der Walkot ausgleicht. Je nachdem, welche Stoffe im Wasser
       fehlen, fällt Walkot bei der Bildung von Phytoplankton unterschiedlich
       stark ins Gewicht.
       
       Haben Sie denn das Gefühl, dass die Verknüpfung von Klima- und Naturschutz
       politisch genug Aufmerksamkeit bekommt? 
       
       Auf keinen Fall. Um bei den Walen zu bleiben: Zum Beispiel wird zugelassen,
       dass im Südozean immer mehr Krill gefangen wird, der zu den
       Lebensgrundlagen von Walen gehört. Das sind winzige Krebstiere, deren
       Lebensraum schon durch den Klimawandel immer kleiner wird.
       
       Statt dem Krill breiten sich nun Salpen aus, das sind Manteltiere, die
       sehen so ähnlich aus wie Quallen. Wale fressen auch Salpen, die sind aber
       sozusagen Fast Food: Sie sind viel größer als Krill und stopfen voll, haben
       aber weniger Nährwert. Immerhin gibt es Hinweise darauf, dass auch der Kot
       von Salpen Eisen liefern kann. Vielleicht können sie also einen Rückgang
       der Walpopulationen ausgleichen.
       
       Wenn es einem jetzt nur um die Kohlenstoffbilanz geht … 
       
       Ja, in Bezug auf den Kohlenstoff, sonst natürlich nicht. Dass viele
       [5][Leute auf ein Boot steigen], um Salpen anzugucken, glaube ich
       jedenfalls nicht.
       
       12 Jul 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Schwerpunkt-Klimawandel/!t5008262
   DIR [2] /Klimaschutz-in-Luebeck/!5776995
   DIR [3] /Forscherin-ueber-Klima--und-Artenkrise/!5778195
   DIR [4] /Rettung-fuers-Klima/!5702522
   DIR [5] /Klimawandel-in-Norwegen/!5459297
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Schwarz
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR Wale
   DIR Schwerpunkt Artenschutz
   DIR Interview
   DIR klimataz
   DIR Mikroplastik
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR Buch
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Gefahr für Meerestiere: So viel Mikroplastik fressen Wale
       
       Weil die Menschheit die Meere verschmutzt, nehmen Wale große Mengen an
       Kunststoff auf. Teils sind es zehn Millionen Teilchen – und zwar täglich.
       
   DIR Natürlicher Klimaschutz: Mehr CO2 im Meer
       
       Die Erderhitzung führt zu weniger kohlenstoffhaltigem Plankton. Binden die
       Meere deshalb jetzt weniger CO2? Eine neue Studie zeigt: erst mal nicht.
       
   DIR Reaktionen auf EU-Klimapaket: Für 1,5 Grad reicht es nicht
       
       Klimaschützer finden die EU-Ziele zu niedrig und den Weg zu unsozial. Die
       Wirtschaft wiederum fühlt sich nicht ausreichend „geschützt“.
       
   DIR Forscherin über Klima- und Artenkrise: „Emissionen drastisch senken“
       
       Der Welt-Klimarat und der Welt-Biodiversitätsrat müssen zusammenarbeiten,
       sagt die Klimaforscherin Almut Arneth. Die Krisen ließen sich nur zusammen
       lösen.
       
   DIR Neue Bücher über globale Umweltfrage: Im Strudel der dreifachen Öko-Krise
       
       Josef Settele und Frank Uekötter schreiben unterschiedlich über
       hochkomplexe Zusammenhänge. Beide vermeiden Sperrigkeit und Alarmismus.
       
   DIR Klimawandel in Norwegen: Den Walen wird es zu warm
       
       Touristen-Safaris zu den Meeressäugern in Norwegen werden immer unsicherer.
       Die Wale ziehen sich in nördlichere Gewässer zurück.