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       # taz.de -- Taliban auf dem Vormarsch: Afghanistan fordert Abschiebestopp
       
       > Am Hindukusch reißt die Gewalt nicht ab, die Armee plant eine Offensive
       > gegen die Taliban. Die Regierung in Kabul rät deshalb davon ab, in das
       > Land abzuschieben.
       
   IMG Bild: Allein im Kampf gegen die Taliban: Soldaten der afghanischen Spezialkräfte in Kandahar
       
       Kabul afp/dpa | Nach mehreren militärischen Erfolgen der Taliban rüstet
       sich die afghanische Armee für weitere Angriffe. Angesichts der instabilen
       Lage rief Kabul europäische Staaten zu einem Stopp der [1][Abschiebungen
       nach Afghanistan] auf. Im Nordwesten bereitet die Armee unterdessen
       offenbar eine Gegenoffensive vor, nachdem die Taliban dort einen wichtigen
       Grenzübergang erobert haben.
       
       Die von den Taliban ausgehende Gewalt, aber auch die dritte
       [2][Coronawelle] hätten in Afghanistan „wirtschaftliche und soziale
       Unruhen“ ausgelöst, erklärte am Wochenende das Flüchtlingsministerium in
       Kabul. Das Ministerium appellierte an die europäischen Staaten, in den
       kommenden drei Monaten keine Afghan:innen abzuschieben. Dass derzeit
       Abschiebeflüge aus Europa in Afghanistan landeten, sei besorgniserregend.
       
       Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR lebten im Jahr 2018 fast
       2,5 Millionen afghanische Flüchtlinge im Ausland, die meisten in den
       Nachbarländern Pakistan und Iran. In der EU lebten offiziellen Angaben
       zufolge im vergangenen Jahr etwa 416.000 afghanische Asylbewerber:innen.
       
       Viele europäische Länder schieben abgelehnte Asylbewerber:innen nach
       Afghanistan ab, auch Deutschland. Erst am Mittwoch, 30. Juni, war eine
       Maschine mit 27 abgeschobenen Männern an Bord in Kabul eingetroffen. Es war
       die 40. Sammelabschiebung seit dem ersten derartigen Flug im Dezember 2016.
       Damit haben Bund und Länder bisher 1.104 Asylbewerber:innen nach
       Afghanistan zurückgebracht.
       
       Die Taliban hatten am Freitag den Grenzübergang Islam Kala unter ihre
       Kontrolle gebracht. An dem rund 120 Kilometer von der Provinzhauptstadt
       Herat entfernten Übergang wird der größte Teil des offiziellen Handels mit
       dem Iran abgewickelt.
       
       Seit dem Beginn des Abzugs aller Nato-Truppen Ende April haben die Taliban
       nach eigenen Angaben bereits 85 Prozent des Landes erobert. Sie
       kontrollieren demnach rund 250 der knapp 400 Bezirke in Afghanistan – eine
       Darstellung, die nicht unabhängig überprüft werden kann und von Kabul
       zurückgewiesen wird.
       
       Beobachter:innen befürchten, dass die Taliban nach dem vollständigen
       Abzug der USA und ihrer Nato-Partner aus Afghanistan wieder die Macht in
       dem Land übernehmen könnten. Die Islamisten stoßen bei ihrem Vormarsch
       teilweise kaum auf Gegenwehr. An anderen Orten gibt es heftige Kämpfe, wie
       derzeit um die Provinzhauptstadt Kala-i-Naw im Nordwesten des Landes.
       
       Am Flughafen von Kabul wurde in der Nacht zum Sonntag ein neues
       Luftabwehrsystem in Betrieb genommen, wie das Innenministerium mitteilte.
       Das nicht näher bezeichnete System soll die Hauptstadt vor Raketenangriffen
       schützen. Unklar war zunächst, wer das System eingerichtet hatte.
       
       Armeesprecher Adschmal Omar Schinwari erklärte, das System basiere auf
       einer „komplizierten Technologie“. Afghanistan habe es von seinen
       „ausländischen Freunden“ erhalten, die es zunächst auch betreiben würden.
       
       Die Türkei hatte angekündigt, nach dem Abzug der verbliebenen
       US-Soldat:innen Sicherheitsinfrastruktur für den Kabuler Flughafen
       bereitzustellen. Am Freitag sagte Staatschef Recep Tayyip Erdoğan, Ankara
       und Washington hätten sich auf den Umfang der türkischen Sicherung des
       Flughafens geeinigt.
       
       Während sich die Angriffe der Taliban zuletzt auf den Norden und Westen des
       Landes konzentrierten, war Kabul im vergangenen Jahr immer wieder Ziel von
       Angriffen durch die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS). Auch zu
       einem Raketenangriff auf den US-Hauptstützpunkt Bagram in diesem Jahr hatte
       sich der IS bekannt.
       
       Die letzten in Afghanistan stationierten Bundeswehrsoldat:innen
       [3][waren Ende Juni nach Deutschland zurückgekehrt.] Der
       Haupttruppensteller USA will seinen Abzug bis Ende August abschließen und
       damit den Einsatz beenden, der nach den Terroranschlägen vom 11. September
       2001 begonnen hatte.
       
       12 Jul 2021
       
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