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       # taz.de -- Viktoria Berlin spielt nun Dritte Liga: Die neue Nummer Drei
       
       > Wenn die Dritte Liga am 25. Juli startet, ist mit dem FC Viktoria 1889
       > erstmals wieder ein Berliner Club dabei. Eine himmelblaue
       > Erfolgsgeschichte.
       
   IMG Bild: Das war noch Regionalliga Nordost: Na, mal sehen, ob die Aufstiegsfreude anhält
       
       Berlin taz | Lang ist die Liste der Vereine, die sich allein in jüngerer
       Vergangenheit als kommende Nummer Drei im Berliner Fußball ausgerufen
       haben. Die eigentlichen Platzhirsche für die Position hinter Hertha und
       Union, der DDR-Rekordmeister BFC Dynamo und der Sepp-Herberger-Club Tennis
       Borussia, haben eine Lücke gelassen, in die schon so mancher Provinzclub
       versucht hat vorzustoßen.
       
       Die Träume aber waren stets größer als die Realität, platzten aufgrund
       mangelnder Professionalität, geringem Interesse oder windiger Investoren.
       Für den in Berlin United umbenannten Club Italia unter Trainer [1][Icke
       Häßler] war schon in der 6. Liga Schluss, andere wie der [2][Berliner AK]
       hatten in der Regionalliga ausgeträumt.
       
       Keinem Verein gelang der Sprung in den Profifußball der Dritten Liga, die
       seit Unions Aufstieg 2009 ohne Berliner Verein auskommen musste. Bis jetzt.
       
       Wenn am Wochenende die Dritte Liga startet, ist mit dem FC Viktoria 1889
       erstmals wieder ein Berliner Club dabei. Im Jahnsportpark empfangen die
       Lichterfelder am Sonntag die Victoria aus Köln. Der Aufstieg gelang
       Viktoria in nur elf Spielen bis zur coronabedingten Unterbrechung der
       Regionalliga Nordost im November, die allesamt gewonnen wurden. Mit der
       Entscheidung über den Abbruch der Saison im März stand der Club als
       Aufsteiger fest – acht Jahre nach dem Aufstieg in die Regionalliga.
       
       ## Chinesischer Investor
       
       Eigentlich hatte sich Viktoria schon eingereiht in die Liste der mit großen
       Ambitionen Gescheiterten. Der 2013 aus der Verschmelzung des BFC Viktoria
       1899 – Deutscher Meister 1908 und 1911 – und des LFC Berlin hervorgegangene
       Verein wollte 2018 mit Hilfe eines chinesischen Investors durchstarten,
       ähnlich wie zuvor Hoffenheim oder Leipzig. Doch nach nur einem halben Jahr
       endete man in der Insolvenz; vereinbarte Zahlungen waren nicht erfolgt,
       hieß es damals.
       
       Auf den Profifußball hatte man sich in der kurzen Zeit schon vorbereitet,
       mit der Ausgliederung der ersten Männermannschaft aus dem Großverein. Mit
       1.600 Spieler*innen in etwa 70 Mannschaften hat Viktoria die größte
       aktive Fußballabteilung aller Vereine im Land.
       
       Den Himmelblauen, wie die Viktorianer aufgrund ihrer Vereinsfarbe auch
       genannt werden, gelang es danach aber, neue Investoren an Land zu ziehen
       und die eigenen Pläne längerfristig zu verfolgen, etwa mit der Erschließung
       eines großen Trainingszentrums in Mariendorf, das für die in der Bundesliga
       spielenden Teams der U19 und der U17 sowie für die in der dritten Liga
       spielenden Frauen noch bessere Bedingungen bietet.
       
       Geld kommt von den Hamburger Brüdern Zeljko und Tomislav Karajica und ihrer
       SEH Sports & Entertainment Holding, die als Gesellschafter eingestiegen
       sind und sich im Sportbusiness auskennen: Zeljko verantwortete die
       Entstehung des Sportsenders Sport1 und das Sportangebot von ProSiebenSat1,
       holte etwa die Footballliga NFL ins deutsche Fernsehen. Der im November
       gegründeten European Football League steht er als CEO vor. Tomislav hat
       sein Geld als Immobilienentwickler gemacht, half als Geschäftsführer dabei,
       die Basketballmannschaft Hamburg Towers in die Bundesliga zu führen, und
       ist mit SEH auch Eigentümer des österreichischen Fußballclus SK Austria
       Klagenfurt.
       
       ## Auch ein bisschen Größenwahn
       
       Erfahrung ist also da – und auch ein bisschen Größenwahn. Im Zuge der
       Frage, wo man kommende Saison spielen werde – das 1926 erbaute Heimstadion
       Lichterfelde mit seinen 4.000 Plätzen ist nicht profifußballtauglich –
       liebäugelte man zunächst mit dem Olympiastadion, ehe der Senat das Stadion
       im Jahnsportpark für zunächst zwei Jahre freigab.
       
       Zeljko Karajica ließ aber bereits verlauten, dass das Prenzelberger Stadion
       bei einem Zweitligaaufstieg zu klein wäre und man dann doch nach
       Charlottenburg müsste. Angesichts einer fehlenden Fanszene und lediglich
       wenigen hundert Zuschauern, vor allem Vereinsmitgliedern, die bisher die
       Spiele der Viktoria besuchen, eine gewagte Prognose.
       
       Auch sportlich scheint ein Aufstieg erst mal kein realistisches Ziel. An
       Gegner vom Kaliber 1860 München oder Eintracht Braunschweig muss sich das
       Team von Trainer Benedetto Muzzicato, der selbst noch keine Profierfahrung
       hat, zunächst gewöhnen.
       
       Namhaft verstärkt hat sich das Team bislang auch nicht, sieht man mal vom
       offensiven Mittelfeldspieler Tolcay Cigerci ab, der schon
       Zweitligaerfahrung besitzt. Dazu kommen einige junge Talente wie Torhüter
       Julian Krahl vom 1. FC Köln. In der Vorbereitung unterlag Viktoria dem 1.
       FC Union mit 2:5 und jeweils mit einem Tor gegen die Zweitligisten Hansa
       Rostock und Hannover 96. Immerhin gegen Ligakonkurrent Magdeburg gab es ein
       3:3. Egal aber, wie die Saison läuft: Den dritten Rang der Berliner Vereine
       kann Viktoria erst mal keiner mehr streitig machen.
       
       24 Jul 2021
       
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   DIR Erik Peter
       
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