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       # taz.de -- Berliner Corona-Summer-of-Love: Eine Art Neunziger-Revival
       
       > Party geht endlich wieder. Und jetzt geht es auch mal raus an die Ränder
       > der Stadt. Der neue Hip-Bezirk wird gerade ausgerechnet Schöneweide.
       
   IMG Bild: Auch im YAAM-Club in Nähe des Ostbahnhofes geht wieder was: Partygänger warten auf Einlass
       
       Auch schon im [1][Ava Club] gewesen? Oder im [2][gArt.n], den man wirklich
       genau so schreibt? Schon wild getanzt in der Brache Agiles oder im Sounds
       Garten? Falls nicht: Kein Problem, lässt sich alles noch dieses Wochenende
       nachholen, vielleicht im Rahmen eines Club-Hoppings, wie man das gängige
       Wandern von Party zu Party in präpandemischen Zeiten nannte.
       
       Es ist tatsächlich passiert: Berlin erlebt einen echten Partysommer und
       erfindet sich ein Stück weit neu. Keine Ahnung, ob die oben erwähnten
       Locations auch noch existieren werden, wenn in hoffentlich nicht all zu
       weit entfernter Zukunft Corona kaum noch jemanden interessiert und die
       etablierten Clubs wieder das Berliner Nachtleben bestimmen. Aber jetzt sind
       sie da und wollen entdeckt werden. Zumindest ein klein wenig aufregend ist
       das schon.
       
       Denn wann hatte man das zuletzt, dass man es gleich mit einer richtigen
       Welle an neuen Partyorten zu tun hat, die jeder für sich das Versprechen
       mitbringen: Hier könnte es richtig gut werden! Das muss irgendwann in den
       frühen Neunzigern gewesen sein, von denen immer alle erzählen. Aber das ist
       ziemlich lang her, und von der damaligen Dynamik ist nicht mehr so viel
       übrig geblieben. Vor Corona ging man halt in die Clubs, die man bereits
       kannte, weil neue, die man unbedingt noch kennen lernen sollte, kaum noch
       auftauchten.
       
       ## Gefühlt an jeder Ecke eine temporäre Partylocation
       
       Aber jetzt, wo wieder gefeiert werden darf, spielen beim Berliner
       Corona-Summer-of-Love die bekannten Läden nur eine untergeordnete Rolle.
       Entweder, weil sie wegen der fehlenden betanzbaren Außenfläche schlichtweg
       weiter geschlossen sind. Aber auch, weil beispielsweise einen Sekt im
       Sektgarten des [3][About Blank] zu trinken schon ein Stück weit weniger
       spannend klingt, als mal auszuprobieren, wie es so im [4][Deus Temple
       Berlin] läuft oder was einen genau in der [5][Köpenicker Straße 18]
       erwartet.
       
       Berlin will wieder erforscht werden, die Stadt durchläuft damit durchaus
       eine Art Neunziger-Revival. Damals erlebte vor allem der Osten der Stadt
       eine Blütezeit des Nachtlebens. Jetzt geht es auch mal raus an die Ränder
       der Stadt. Der neue Hip-Bezirk wird gerade ausgerechnet Schöneweide, wo
       gefühlt an jeder Ecke eine zumindest temporäre Partylocation hochgezogen
       wurde.
       
       Für einen echten Berliner Summer of Love 2021 fehlen sicherlich ein wenig
       die optimalen Rahmenbedingungen. Freie Liebe wie im ersten Summer of Love
       der Hippies 1967 ist bei immer noch bestehenden Abstandsregeln nur schwer
       zu bewerkstelligen. Auch das Gefühl, mit einer glückverheißenden Droge wie
       Ecstasy im Zusammenspiel mit einer radikal neuen Musik wie Acid die ganze
       Welt neu ordnen zu können wie im britischen Second Summer of Love Ende der
       Achtziger, wird sich kaum einstellen.
       
       Wobei es durchaus ja noch passieren kann, dass ein ganz bestimmter
       Corona-Sound diesen Sommer prägen wird. Vielleicht klingt der ein Stück
       weit düsterer als vorher, genauso gut kann aber das noch etwas
       wahrscheinlichere Gegenteil eintreten, weil die Leute jetzt einfach keine
       Lust mehr haben auf irgendwelche Stimmungsdrücker.
       
       Natürlich wird auch das Virus den Partysommer weiter prägen. Gerade
       interessiert sich ja kein Mensch dafür, was Karl Lauterbach bei Markus Lanz
       so erzählt. Oder macht der Mann gerade vielleicht sogar Urlaub? Doch wenn
       es so weitergeht mit Delta, den steigenden Inzidenzen und dem Aufbau einer
       vierten Welle, könnte der ganze schöne Spaß auch bald schon wieder ein Ende
       finden.
       
       Wird also Zeit, endlich mal beim Cura in der Rudolfstraße 18 aufzuschlagen,
       um zu schauen, was da so läuft, so lange dort überhaupt noch etwas läuft.
       
       24 Jul 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.club-ava-berlin.de/
   DIR [2] https://gartn.xyz/
   DIR [3] http://aboutparty.net/
   DIR [4] https://wellenwerk-berlin.de/de/home-page/deusfountain/
   DIR [5] http://www.xn--kpenicker-strasse-zzb.de/Koepenicker18.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Hartmann
       
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