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       # taz.de -- Die Wahrheit: Auf der Überlebensinsel
       
       > Wenn „Team F für besondere Aufgaben“ zu Fahndungszwecken unterwegs ist,
       > ist Spannung garantiert. Diesmal: die Suche nach einem Ruhesitz.
       
       Wie die verehrte Kolumnistenkollegin Susanne F. kürzlich an dieser Stelle
       berichtete, fahndete unlängst das „Team F für besondere Aufgaben“ nach
       einem Ruhesitz für verdiente Wahrheit-Autoren. Schließlich kann man es ja
       nicht dem Zufall überlassen, wo uns dereinst das Gnadenbrot mit passender
       Weinbegleitung serviert wird.
       
       Nach einem winzigen Drama um einen Garagenparkschein ignorierte ich
       großzügig Sticheleien, ob Vornamen, die mit P beginnen, eigentlich
       irgendwas mit Verpeiltheit zu tun hätten, denn Teamgeist war gefordert. Vor
       uns lag eine vom Deutschen Wetterdienst mit 17 Grad und Dauerregen
       angekündigte Woche, in der wir in nassem Ölzeug zwischen Schafen
       herumstapfen und SUV-Attacken würden ausweichen müssen. Sagte ich schon,
       dass unsere Recherche auf Sylt begann?
       
       Ich sah unsere Abende statt an der Strandbar bei der Paarung
       ferienwohnungstypisch klebriger Memorykarten verrinnen, doch Ureinwohner
       klärten uns auf, für „die Insel“ gelte der dänische Wetterdienst, und der
       hatte Mitleid. Bei blauem Himmel bestaunten wir Glasvitrinen am Dünenrand,
       in denen niedliche Porschewelpen an den Scheiben kratzten und um ein
       Zuhause bettelten.
       
       Abends schnappten wir die Lidl-Tüte mit dem Wein und bestaunten von unserer
       Lieblings-Trinkerinnenbank den Sonnenuntergang, im Rücken den Aushub für
       künftige Luxusvillen, vor uns auf den Deichwiesen glückliche Rindviecher.
       Mit fortschreitendem Alkoholkonsum erwogen wir, die Baugrube zu besetzen
       und für die greise Wahrheit-Truppe zu sichern, waren aber leider bereits
       unpässlich.
       
       Wäre es nach der Taxifahrerin gegangen, die uns am letzten Abend in ein
       Schlemmerrestaurant chauffierte, hätten wir sowieso keine Chance mehr aufs
       Rentenalter. Knapp übers Steuer linsend stopfte sie Chips in sich hinein,
       goss literweise Pepsi hinterher und pries in atemlosem Einheimischenidiom
       die Produkte der „Sylter Landschlachterei“, an der wir vorbeirasten: „Super
       Currywurst und Gulasch! Ab in die Mikrowelle – und denn schön in’n
       Fernsehsessel!“
       
       Ich starrte in den zwei Zentimeter entfernten Graben und wünschte nichts
       sehnlicher, als in einem Fernsehsessel zu sitzen. „Mein Mann kann den Wagen
       ja gar nicht fahren“, ratterte die Furie am Steuer munter weiter, wobei sie
       sich sehr lange zu mir umdrehte, „der wiegt 130 Kilo und ist auf den
       Feldwegen so schwer zu lenken.“ Der Mann? Das Auto? „Und? Wisst ihr denn
       schon, wann ihr zurückwollt?“ Frau F. neben mir umklammerte bleich den
       Haltegriff und blickte flehend. „Wir … äh, wollen das erst mal noch offen
       lassen“, ächzte ich.
       
       Am Ziel fielen wir dem Sommelier in die Arme, der sofort seine Chance
       ergriff: „Champagner, die Damen?“ Wir feierten unser Überleben, bis wir
       pleite waren, und besetzten dann sicherheitshalber doch die Baugrube. Sie
       finden uns auf unserer Bank hinterm Sandwall nahe dem Deich, Weinspenden
       werden gern entgegengenommen.
       
       29 Jul 2021
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Pia Frankenberg
       
       ## TAGS
       
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