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       # taz.de -- Streit in der europäischen Medienszene: God save the Stream
       
       > In der EU ist eine Diskussion über die Begrenzung britischer Inhalte in
       > der Filmindustrie entbrannt. Aber wäre eine Quote überhaupt sinnvoll?
       
   IMG Bild: Dreh der britischen Spionage-Serie „The Ipcress File“ in Zagreb, Mai 2021
       
       Auch wenn sich nach dem Brexit die Anzahl der in Großbritannien ansässigen
       Fernsehsender auf 586 halbiert hat, bleibt die Insel damit als TV-Standort
       immer noch auf Platz eins in Europa.
       
       Die Film- und TV-Produktion wird ebenfalls nach wie vor komplett von den
       Briten dominiert – mit einem wesentlich höheren Anteil an Filmen sowie
       Serien als jeder andere Staat des Kontinents. Über die Hälfte der
       europäischen Inhalte beispielsweise, die auf den Streaming-Diensten in der
       EU verfügbar sind, [1][stammen aus dem Vereinigten Königreich].
       
       So manche EU-Funktionär*in muss das wohl geärgert haben. Denn vor Kurzem
       diskutierte eine Arbeitsgruppe für audiovisuelle Themen ein Arbeitspapier,
       in dem das Übergewicht britischer Inhalte in Mitgliedsstaaten der EU
       kritisch betrachtet wird.
       
       Eine mögliche Lösung wäre die Begrenzung von Filmen sowie Serien „Made in
       UK“. Doch dafür gibt es bisher keine gesetzliche Grundlage. Zwar muss ein
       gewisser Mindestanteil europäischer Produktionen im audiovisuellen
       Gesamtangebot vorhanden sein, aber da Großbritannien auch nach dem Brexit
       noch Mitglied im Europarat bleibt, gelten die Medienerzeugnisse von der
       Insel auch zukünftig als europäische Produktionen.
       
       ## Kulturelle Viefalt
       
       Ein EU-Rats-Sprecher erklärt die Debatte so: „Diese Diskussion hat
       stattgefunden, weil es da ein Interesse von verschiedenen Delegationen gab,
       darüber zu sprechen, wie die EU-Richtlinie zu den audiovisuellen
       Mediendiensten nach dem Brexit umgearbeitet werden könnte.“
       
       Der Rat der EU ist die europäische Institution, in der sich
       Minister*innen aus allen EU-Mitgliedsstaaten treffen, um
       Rechtsvorschriften zu diskutieren, zu ändern und anzunehmen. „Es gab einige
       Mitgliedstaaten, die ein größeres Interesse haben, ihre Sprache und ihre
       kulturelle Vielfalt auf den Plattformen stärker vertreten zu sehen, etwa
       Frankreich oder Spanien“, sagt der EU-Rats-Sprecher weiter. Es hätten aber
       keine Forderungen auf dem Tisch gelegen, sofort zu handeln.
       
       Zum Ende des Jahres wird allerdings ein Bericht der Europäischen Kommission
       über die Landschaft der On-Demand-Plattformen erwartet. Dann dürfte die
       Diskussion über die Begrenzung britischer Inhalte wieder Fahrt aufnehmen.
       Ob eine Quote tatsächlich in eine Rechtsform gegossen wird – das dürfte
       mindestens noch drei Jahre dauern. Dann erst steht nämlich die
       Überarbeitung der EU-Richtlinie zur Bereitstellung audiovisueller
       Mediendienste an.
       
       Sollten tatsächlich Restriktionen beschlossen werden, bleibt die Frage
       offen, wie sie umgesetzt werden können. Denn in einer internationalisierten
       Medienlandschaft wird es immer schwieriger, Filme oder Serien eindeutig
       einer Nation zuzuordnen.
       
       ## Tochter von Bertelsmann
       
       Hier nur einige Beispiele von vielen: Der englische Medienkonzern Sky
       produziert aktuell mit Canal+ aus Frankreich die Serie „Django“. Der
       Mehrteiler „Vienna Blood“, der auf dem ZDF lief, war eine Koproduktion mit
       britischer Beteiligung, produziert von Endor Productions aus London, diese
       ist wiederum Teil der ProsiebenSAT.1-Tochter Red Arrow Studios. Und der
       britische Unterhaltungsproduzent Fremantle ist Tochter von Bertelsmann in
       Deutschland.
       
       Auch das Argument, Sprache sowie Kultur der jeweiligen Länder durch eine
       Begrenzung besser zu schützen, ist nur teilweise wirklich stichhaltig.
       Große internationale Koproduktionen werden oft direkt in englischer Sprache
       gedreht, um sie weltweit besser verkaufen zu können, so wie zurzeit bei
       „Der Schwarm“.
       
       An der Verfilmung der Buchvorlage von Frank Schätzing sind deutsche,
       französische, italienische, Schweizer, österreichische und japanische
       Akteure beteiligt. Die vielfachen Verflechtungen sind sicher auch der
       Grund, warum deutsche Produzenten*innen und
       Programmvertriebler*innen sich zu dem Thema offiziell auffällig
       bedeckt halten.
       
       2 Aug 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://rm.coe.int/visibility-of-av-works-on-tvod-2020-edition/1680a12a0f%20S.22
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Wilfried Urbe
       
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