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       # taz.de -- Coronaproteste am Wochenende: Ein Jubiläum mit Gewalt
       
       > Bei den Querdenkendemos am Wochenende kam es zu Ausschreitungen, ein
       > Teilnehmer stirbt nach Polizeikontrolle. Innensenator verteidigt
       > Polizeitaktik.
       
   IMG Bild: Dieses Jahr gab es Polizeigitter, die das Regierungsviertel schützten
       
       Berlin taz | Trotz allem war der [1][groß angekündigte Protestjahrestag]
       der Querdenkerbewegung kein Erfolg. Waren am 1. August vergangenen Jahres
       noch etwa 30.000 Menschen auf die Straße gegangen, mobilisierte die
       Bewegung an diesem Sonntag nur etwa 5.000 Demonstrierende gegen die
       Coronamaßnahmen.
       
       Im Vorfeld waren fast alle Versammlungen verboten worden. Die Polizei
       schaffte es allerdings nicht, dies auch durchzusetzen: Über den ganzen
       Sonntag hinweg lieferten sich Protestierende und Staatsgewalt quer durch
       die Stadt [2][Katz- und Mausspiele]. Immer wieder kam es dabei auch zu
       gewalttätigen Attacken auf Polizist:innen und Journalist:innen.
       Passant:innen wurden in öffentlichen Verkehrsmitteln angepöbelt, ihre
       Masken abzusetzen. Videos auf Twitter zeigen auch das teils rabiate
       Vorgehen der Polizei.
       
       Zunächst hatten sich die Querdenker:innen am Olympischen Platz in
       Charlottenburg gesammelt, am Mittag dann eine Polizeikette durchbrochen und
       waren daraufhin unbegleitet den Kaiserdamm entlang marschiert. Später
       versammelten sich die vielfach aus Süddeutschland angereisten
       Protestierenden am Großen Stern. Um Szenen wie die Erstürmung der
       Reichstagstreppen im vergangenen Jahr zu vermeiden, sperrte die Polizei das
       Regierungsviertel hermetisch ab.
       
       Wasserwerfer wurden aufgefahren, allerdings nicht eingesetzt. Am Nachmittag
       lief ein weiterer Protestzug durch Schöneberg und Kreuzberg. Abends
       versammelten sich einige Hundert Querdenker:innen am Alexanderplatz und
       am Berliner Dom.
       
       Gewerkschaftler brutal attackiert 
       
       Eine brutale Attacke gab es am Rande auf den Landesgeschäftsführer der
       Deutschen Journalisten- und Journalistinnen-Union (dju) in Verdi, Jörg
       Reichel, der am Nachmittag von seinem Fahrrad gezerrt, geschlagen und
       getreten wurde. Dabei wurde auch versucht, ihm das Handy zu entreißen. Die
       Täter, die den unangemeldeten Aufzug zuvor koordiniert haben sollen, ließen
       erst von ihm ab, als Passant:innen eingriffen. Wegen Verletzungen an
       Schulter und Beinen musste Reichel im Krankenhaus behandelt werden.
       
       Der Angriff erfolgte an der Ecke Köthener Straße/Bernburger Straße in
       Kreuzberg. Just hier hatte am Morgen die Verteilung der Zeitschrift
       Demokratischer Widerstand stattgefunden. Das Gratisblatt wird von Anselm
       Lenz herausgegeben, der im März vergangenen Jahres mit den Hygienedemos am
       Rosa-Luxemburg-Platz die Coronaproteste angestoßen hatte. Renate Gensch,
       Berliner Vorsitzende der dju, sagte: „Eine solche Tat ist
       verabscheuungswürdig. Die körperliche Unversehrtheit und die Pressefreiheit
       sind höchstes Gut.“
       
       Innensenator Andreas Geisel (SPD) verteidigte gegenüber dem Inforadio das
       Vorgehen der Polizei bei den verbotenen Demos. Die 2.000 am Einsatz
       beteiligten Beamt:innen hätten „professionell und verhältnismäßig“ auf
       eine schwierige Lage reagiert. Auch Martin Pallgen, Sprecher der
       Senatsinnenverwaltung, sagte der taz, ein konsequenteres Vorgehen wäre mit
       dem Risiko verbunden gewesen, „Menschen durch Polizeieinsätze zu
       verletzen“.
       
       Dies sei „unverhältnismäßig“, da die Polizei „im Namen des
       Gesundheitsschutzes“ gehandelt habe. Die Demoverbote verteidigte Pallgen:
       Da im Vorfeld offen Rechtsbrüche angekündigt worden waren, habe der
       Ermessensspielraum der Versammlungsbehörde „Richtung null“ tendiert.
       
       ## Todesfall nach Polizeigewahrsam
       
       Im Zuge der Demonstration kam es auch zu einem Todesfall. Ein 49-jähriger
       Mann – anscheinend ein Protestierender – habe während einer
       Identitätsfeststellung über ein Kribbeln im Arm und in der Brust geklagt,
       so die Polizei.
       
       Ein Rettungswagen habe den Mann ins Krankenhaus gebracht, wo dieser
       gestorben sei. Die Querdenker-Bewegung versucht den Mann zu einem Märtyrer
       zu erklären und veranstaltete am Montag eine „Trauerkundgebung“. Insgesamt
       gab es am Wochenende nach Polizeiangaben mehr als 600 vorläufige
       Festnahmen.
       
       Niklas Schrader, innenpolitischer Sprecher der Linken, kritisierte, die
       Polizei sei „streckenweise überfordert und polizeitaktisch sowie
       zahlenmäßig nicht immer gut aufgestellt“ gewesen. Allerdings gestand er die
       „Riesenherausforderung“ ein, die „rücksichtslos und aggressiv“ auftretenden
       Protestierenden in Schach zu halten. Auch der Ruf nach „größeren
       Repressionsmaßnahmen“ sei „sicherlich zu einfach“. Derweil teilte die
       Polizei am Montag mit, drei weitere für die kommende Woche angekündigten
       Demonstrationen verboten zu haben.
       
       2 Aug 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Anstehender-Coronaprotest/!5786035
   DIR [2] /Coronaproteste-in-Berlin/!5786192
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Erik Peter
   DIR Timm Kühn
       
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