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       # taz.de -- Neue Richtlinien von Amazon Studios: Ein Möchtegern-Fortschritt
       
       > Amazon Studios führt neue Diversity-Richtlinien ein. Sie muten
       > fortschrittlich an, doch eigentlich wird die Schauspielerei damit
       > überflüssig.
       
   IMG Bild: Wer darf wen spielen? Schauspielerin Marion Cotillard in der Amazon-Produktion „Annette“ von 2021
       
       Wenn man in Zukunft von Amazon produzierte Serien und Filme anschaut, dann
       wird man dort besonders „authentische Geschichten“ zu sehen bekommen. Das
       jedenfalls verspricht Amazon Studios, das sich Mitte Juni neue
       „Inklusionsrichtlinien“ gegeben hat.
       
       Die sollen nicht nur regeln, wer vor und hinter der Kamera steht (Quoten
       für Geschlecht und Herkunft), sondern auch, welche Schauspieler:innen
       welche Rollen spielen dürfen. [1][In den Richtlinien] hießt es: „Es sollen
       nur noch Schauspieler engagiert werden, deren Identität (Geschlecht,
       Geschlechtsidentität, Nationalität, Ethnizität, sexuelle Orientierung,
       Behinderung) mit den Figuren, die sie spielen, übereinstimmt.“
       
       Wie soll so etwas überprüft werden? Wird man Nachweise verlangen, die
       belegen, dass eine Schauspielerin auch wirklich lesbisch ist wie die Rolle,
       die sie spielen soll? Was ist mit all den ungeouteten Schauspielerinnen?
       Werden sie auf diese Weise indirekt zum öffentlichen Outing gezwungen, weil
       sie ansonsten keine Rollen annehmen können, die nicht ihrer Identität
       entsprechen?
       
       Amazon Studios behauptet, mit den Richtlinien „für Diversität, Inklusion
       und Gerechtigkeit“ für die eigenen Inhalte einzutreten. Da kümmert sich
       endlich mal eine Produktionsgesellschaft um all die Unterdrückten. Ganz
       großes Kino. Doch im Grunde fordern sie die Abschaffung der Schauspielerei.
       
       ## Keine Ahnung vom Beruf
       
       Wer genau hinsieht, erkennt auch, dass die Verantwortlichen dieser
       Diversityregeln schlicht keine Ahnung von Schauspielerei haben. Nicht mit
       der Rolle übereinzustimmen, ist nämlich möglich: Ein Mörder muss nicht von
       einem Mörder gespielt werden. Eine Mutter kann von einer kinderlosen
       Schauspielerin verkörpert werden. Und ein homosexueller Schauspieler kann
       eben auch die Rolle eines Heterosexuellen übernehmen. Das ist
       Schauspielerei.
       
       [2][In dem Manifest #ActOut], das im Februar von 185
       LGBT-Schauspieler:innen veröffentlicht wurde, wird genau mit der von Amazon
       als Diversityrichtlinie verkauften Annahme aufgeräumt: „Bislang wird
       behauptet, dass, wenn wir gewisse Facetten unserer Identität, nämlich
       unsere sexuelle sowie Geschlechtsidentität, offenlegten, wir mit einem Mal
       bestimmte Figuren und Beziehungen nicht mehr darstellen könnten.“
       
       Das Manifest von #ActOut, war mutig, war progressiv. Die Richtlinien von
       Amazon Studios hingegen sind ein ärmlicher Versuch, Fortschritt zu
       demonstrieren.
       
       3 Aug 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://dei.amazonstudios.com/
   DIR [2] /Manifest-actout/!5747692
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Erica Zingher
       
       ## TAGS
       
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