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       # taz.de -- Schulsenator über Schule in der Pandemie: „Andere Länder haben mehr Herz“
       
       > Hamburgs Schulsenator Ties Rabe geht davon aus, dass es dank Masken,
       > Tests, geimpfter Lehrer und Luftfiltern nicht wieder zu
       > Schul-Schließungen kommt.
       
   IMG Bild: Hatte im vergangenen Schuljahr nicht nur Freude an seinem Job: Hamburgs Schulsenator Ties Rabe
       
       taz: Herr Rabe, am 5. August beginnt in Hamburg die Schule. Wie lange
       bleiben die Schulen diesmal offen? 
       
       Ties Rabe: Ich gehe davon aus, dass wir dieses Mal den Unterricht aufrecht
       erhalten können. Ich bin optimistisch. Erstens, weil Wissenschaftler noch
       einmal klar gestellt haben, wie schädlich Schulschließungen für junge
       Menschen sind. Zweitens, weil sich alle Erwachsenen haben impfen lassen
       können. Wir müssen Schulen nicht mehr schließen, um Eltern und Großeltern
       zu schützen. Und drittens haben wir in Hamburg das umfangreichste
       Sicherheitskonzept.
       
       Und wenn die Inzidenz steigt? Die Bundesnotbremse sah bei 165 Schließung
       vor. 
       
       Die Grenzwerte galten bis zum 30. Juni. Ich bin sicher, der Bundestag setzt
       diese Werte nicht wieder fest. Corona hat ein Stück seines Schreckens
       verloren. Höhere Inzidenzzahlen führen nicht mehr dazu, dass sich drei
       Wochen später Intensivstationen füllen und wir vier Wochen später mit
       schrecklichen Todesfolgen zu tun haben. Diese Folgen sind abgemildert durch
       die hohe Impfquote der älteren Bevölkerung.
       
       Sie sind gut vorbereitet? 
       
       Im Bundesvergleich müssen wir uns nicht verstecken. Erstens: Die
       Schulbeschäftigten erhielten alle ein Impfangebot. Zweitens: Wir testen
       weiter zweimal in der Woche alle Schüler. Ohne negativen Test darf keiner
       die Schule betreten. Drittens: In allen Gebäuden herrscht die
       Maskenpflicht. Viertens: Es bleibt bei der Lüftungspflicht. Alle 20 Minuten
       werden die Fenster komplett geöffnet. Und fünftens: [1][Wir kaufen
       Lüftungsgeräte] als zusätzlichen Schutz vor Aerosolen.
       
       Aber Hamburg hat nicht die sichereren PCR-Lolli-Tests. 
       
       PCR-Lolli-Tests werden in allen Ländern erprobt. Sie haben Nachteile, weil
       sie im Labor ausgewertet werden. Immer mehr Virologen sagen, dass bei
       höheren Inzidenzen die Labore so ausgelastet sind, dass der Lolli-Test
       nicht mehr untersucht werden kann. Dann haben die Schulen keine
       Testmöglichkeit mehr. Das muss man beachten.
       
       Warum schickt Hamburg nicht wie Schleswig-Holstein 250 Impfteams in die
       Schulen? 
       
       Wir nehmen den Rat der ständigen Impfkommission, Stiko, ernst. Die ist vom
       Bundesgesundheitsminister eingesetzt, damit wir uns rein fachlich beraten
       lassen, was gut für die Kinder und Jugendlichen ist. Und die Stiko ist hier
       klar: Ab 18 Jahre sollte sich jeder impfen lassen, unter 18 sollten sich
       jene mit einem Gesundheitsrisiko impfen lassen. Wer kein Risiko in sich
       trägt, kann sich impfen lassen, aber eine klare Empfehlung gibt es nicht.
       Hamburg nimmt das ernst. Denn wir haben das Wohl der Kinder im Blick und
       weniger die mediale Diskussion.
       
       Können Eltern, die das wollen, ihre Kinder impfen lassen? 
       
       Selbstverständlich. Die Gesundheitsbehörde ist dabei, Praxen zu
       organisieren, in denen Ärzte so ein Angebot machen. Auch Kliniken wirken
       daran mit. Und wir setzen an den berufsbildenden Schulen Impfteams ein.
       
       Warum nicht in den Oberstufen der Schulen? 
       
       Wir möchten erst mal dort impfen, wo wir viele junge Menschen erreichen.
       Die 30 Berufsschulen besuchen fast 50.000 einer Altersgruppe, denen die
       Stiko die Impfung empfiehlt. So viele sind es in keiner anderen Schulform.
       
       Sie wollten 10.000 Luftfilter besorgen. Sind die schon da? 
       
       Wir haben eine Ausschreibung gemacht, wie es Vorschrift ist. Normalerweise
       dauert so etwas rund ein halbes Jahr. Wir haben die Frist deutlich verkürzt
       und sind zuversichtlich, dass wir in der nächsten Woche entscheiden können,
       welche Firmen entsprechende Geräte zuliefern. Die ersten Probegeräte sind
       bereits geliefert und werden zusammen mit den Herstellern von Fachleuten
       der Schulbehörde in Augenschein genommen.
       
       Wann steht das erste Gerät? 
       
       Wir gehen davon aus, dass 14 Tage nach Schulöffnung die ersten Geräte
       geliefert werden. Zurzeit ist das nicht so dringend nötig, weil Lüften
       angesichts der hohen Temperaturen draußen gut möglich ist. In dem Moment,
       wo es kühler wird, rund um die Herbstferien, möchten wir alle Geräte
       ausgeliefert haben.
       
       Müssen oder können Schulen diese Geräte einsetzen? Es könnte ja auch sein,
       dass von ihnen Geräusch ausgeht. 
       
       Die Geräte funktionieren wie eine Dunstabzugshaube in der Küche. Ein
       Ventilator saugt Luft an und drückt sie durch ein Mehrschichtfiltersystem.
       Das ist mit Geräusch verbunden. Wir achten darauf, dass es leise Geräte
       sind und wollen sie jetzt erst mal mit den Schulen ausprobieren. Ob es dann
       eine Pflicht gibt, sie ständig zu betreiben, muss dann erörtert werden. Im
       Kern sind sie angeschafft, damit sie laufen und nicht, damit sie in der
       Ecke stehen.
       
       Wie lange müssen Hamburgs Schüler noch Maske tragen? 
       
       Die Maske hat sich als Mittel bewährt, um Corona-Infektionen zu vermeiden.
       Wir werden diese Regel aber spätestens mit den Herbstferien noch einmal
       überprüfen und uns mit den anderen Bundesländern kurzschließen. Es kann im
       Einzelfall Lockerungen geben, wenn es sie auch in anderen Lebensbereichen
       gibt. Wir haben vor Kurzem im Senat beschlossen, dass beim Vereinssport die
       Maske abgesetzt werden kann. Das haben wir dann auf den Schulsport
       übertragen.
       
       Was ist Ihr Eindruck, wie geht es den Schülern? 
       
       Die meisten haben die größte Sorge, dass der Unterricht wieder
       eingeschränkt wird. Der Ärger über Maßnahmen wie Testen oder Maske steht
       dahinter zurück. Wir hören von Schulleitungen herzzerreißende Geschichten.
       Kinder flehen, nicht in Quarantäne zu müssen und weiter die Schule besuchen
       zu dürfen.
       
       Es haben jetzt zum zweiten Mal Schüler in der Pandemie ihre Schulzeit
       beendet. Sie finden weniger Ausbildungsplätze. Tut der Senat genug, ihnen
       eine Perspektive zu bieten? 
       
       Ja, sehr viel. Nur ist das Wichtigste, dass hier die Wirtschaft auch an die
       Zukunft denkt und Ausbildungsplätze anbietet. Wir finden es schwierig, dass
       hier das Angebot erheblich zurückging. Darüber reden wir mit den Kammern.
       Damit die jungen Menschen nicht auf der Straße sitzen, haben wir unsere
       Auffangmaßnahmen deutlich verstärkt.
       
       Ihre Bremer Kollegin Claudia Bogedan hat aufgehört. Ist es frustrierend, in
       der Pandemie Bildungssenator zu sein? 
       
       Ja. Alle Kultusminister waren doch überrascht, mit welcher Leichtigkeit in
       Deutschland Schule zur Disposition gestellt wurde. Andere Länder wie
       beispielsweise Frankreich haben mehr Herz für Kinder und Schule entwickelt.
       Es hat im letzten Jahr nicht nur Spaß gemacht, dieses Amt auszuüben und
       immer wieder gegen hoch emotionale Vorbehalte und Vorwürfe aus Politik,
       Verbänden, Medien und Öffentlichkeit für offene Schulen zu kämpfen.
       
       5 Aug 2021
       
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   DIR Kaija Kutter
       
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