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       # taz.de -- GDL-Chef Claus Weselsky über Tarifstreit: „Wir müssen klare Signale setzen“
       
       > Im Tarifkonflikt mit der Deutschen Bahn bereitet sich die Gewerkschaft
       > Deutscher Lokomotivführer auf einen Streik vor. Der Vorsitzende Weselsky
       > gibt sich kämpferisch.
       
   IMG Bild: „Es gibt überhaupt keinen Zeitpunkt, an dem ein Streik im Eisenbahnsystem günstig ist.“
       
       taz: Herr Weselsky, was ärgert die in der GDL organisierten Lokführer und
       Zugbegleiter am meisten an ihrem Arbeitgeber? 
       
       Claus Weselsky: Die Ignoranz gegenüber Problemen von Mitarbeiterinnen und
       Mitarbeitern, die 24 Stunden am Tag, 7 Tage in der Woche ein rollendes
       System am Leben erhalten. Die Beschäftigten haben Führungskräfte wie bei
       der Deutschen Bahn nicht verdient. Die wissen nicht, unter welchen
       Arbeitsbedingungen die Beschäftigten unterwegs sind und haben kein
       Interesse daran, die auftretenden Probleme zu lösen. Hier herrscht
       absoluter Frust.
       
       Das ist eine Kritik an der DB-Führung, die durch Streiks nicht behoben
       werden könnte...
       
       Sie haben mich gefragt, was die größten Probleme meiner Leute sind. Und der
       Arbeitsalltag ist von der Erfahrung geprägt: Der Mensch ist eine
       Personalnummer und hat zu machen, was angewiesen ist.
       
       Die GDL droht mit Arbeitskampf. [1][Bis zum 9. August läuft die
       Urabstimmung.] Was sind die konkreten Ziele? 
       
       Wir fordern eine Lohnsteigerung über der Inflationsrate. Es kann nicht
       sein, dass sich die Führungskräfte Boni in die Tasche stopfen, und der
       Mitarbeiter draußen hat mehr als 2 Prozent Inflationsrate in diesem Jahr
       und null Einkommenserhöhung. Das ist doch unanständig! Außerdem kämpfen wir
       für den Erhalt unserer Betriebsrente. Da geht es um einen
       „Zusatzversorgungstarifvertrag“, wo die kleinste Rente, die am Ende 150
       Euro pro Monat ausmachen soll, um 50 Euro gekürzt werden soll, also um ein
       Drittel! Weil das Management sich verzockt hat, [2][Milliarden an Schulden
       hat] und nun keine Rückstellungen mehr bilden will.
       
       Wenn man uns ernsthaft nur das Schreckensszenario anbietet, [3][das eine
       andere Truppe namens EVG abgeschlossen hat], dann treibt das DB-Management
       uns gezielt in diesen Arbeitskampf.
       
       Ist der Zeitpunkt für einen Streik günstig? Im August sind Schulferien, der
       Lockdown ist endlich gelockert. 
       
       Wir werden nicht bis zum Ende der Ferien abwarten, um niemanden zu
       beeinträchtigen. Denn es gibt überhaupt keinen Zeitpunkt, an dem ein Streik
       im Eisenbahnsystem günstig ist. Sollen wir etwa nachts zwischen halb zwei
       und zwei streiken, wo niemand weiter betroffen wäre, als durch eine halbe
       Stunde Verspätung? Das ist nicht der Effekt, den wir erzielen wollen.
       
       Wir müssen das Management empfindlich treffen und als Eisenbahner klare
       Signale setzen: So nicht mit uns! Wäre es nach der Bahn gegangen, hätten
       wir Anfang April 2021 Verhandlungen gehabt, die scheitern und bereits dann
       zu einem Arbeitskampf hätten führen können. Aber das ging uns viel zu
       schnell. Wir wollten nicht überhitzen und vor allen Dingen auch nicht in
       irgendeine Falle laufen. Deswegen haben wir wissentlich die Sommermonate
       angestrebt.
       
       Was ist Ihrer Meinung nach das Kalkül des DB-Vorstands? 
       
       Es ist klar erkennbar, dass die andere Seite den Arbeitskampf gezielt
       provoziert. Das hängt zusammen [4][mit dem Tarifeinheitsgesetz]. Man stellt
       darauf ab, die GDL absichtlich und wider besseres Wissen, also entgegen der
       Faktenlage, als klein darzustellen.
       
       Die Bahn hat entschieden, dass wir angeblich nur in 16 Betrieben des
       DB-Konzerns die Mehrheit hätten. Es gibt insgesamt 174 Wahl-Betriebe, die
       im Kernsystem Eisenbahn zum Tragen kommen, davon 71 in den drei großen
       Fahrbetrieben Cargo, Fernverkehr und Regio und 103, die in den Bereichen
       Netz, Fahrweginstandhaltung und Fahrzeuginstandhaltung eine Rolle spielen.
       
       Unsere Zielsetzung ist es, in diesen 174 Betrieben die Mehrheit zu
       erlangen. Dies ist einerseits legitim, es wird uns andererseits vom
       Tarifeinheitsgesetz aufgezwungen. Deswegen sind Schlagzeilen nach dem Motto
       „Machtkampf EVG gegen GDL“ im Prinzip nichts anderes als das Ergebnis der
       parlamentarischen Gesetzgebung [5][durch CDU und SPD]. In den letzten zwölf
       Monaten haben wir über 3.000 neue Mitglieder aufgenommen, alles aktive
       Eisenbahner, keine Rentner und Pensionäre. Von daher bin ich
       zuversichtlich, dass wir bei einer gerichtsfesten Zählung in den Betrieben
       in einer wesentlich größeren Anzahl jetzt schon die Mehrheit abbilden.
       
       Wie beurteilen Sie das Wirken des [6][Verkehrsministers Andreas Scheuer]? 
       
       Er hat es geschafft, tatsächlich mehr Geld ins System zu bringen. Das wäre
       sehr positiv, wenn es in ein System fließen würde, das effizient ist und
       sich darauf konzentriert, was für uns alle gemeinsam von Bedeutung ist:
       Nicht durch Tunnelgraben oder irgendwelche Großprojekte, die als
       Leuchttürme dann dastehen, sondern im Kleinen und Alltäglichen verbessern
       wir die Eisenbahn. Hier mal eine Weiche, dort ein Stück zweites Gleis,
       einen Flaschenhals ausbauen, der den Zugverkehr und die Kapazität verengt.
       
       Diese Vorgabe hat er jedoch nie gemacht. Und daher sage ich glasklar:
       Dieser Verkehrsminister hat für das System Eisenbahn versagt, weil er
       undifferenziert Geld reinpumpt und sich vom Bahn-Management erklären lässt,
       was er zu tun hat.
       
       Sie sind ja selbst CDU-Mitglied, gehören also der Schwesterpartei der CSU
       an, eine besondere Absurdität der Konstellation, oder? 
       
       Nennen Sie es ruhig Absurdität oder Anachronismus, dass ein CDU-Mitglied
       Gewerkschaftsvorsitzender ist. Meine Parteizugehörigkeit und die
       Parteizugehörigkeit meiner Mitglieder sind deren Privatangelegenheit. Wir
       konzentrieren uns auf die Verbesserung von Arbeits- und
       Einkommensbedingungen. Ich bin sehr konservativ und hab damals in der CDU
       die einzige Möglichkeit gesehen. Dass ich das heute differenzierter
       betrachte, liegt unter anderem daran, dass meine Partei Miterfinderin des
       Tarifeinheitsgesetzes ist.
       
       21 Jul 2021
       
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   DIR Elmar Wigand
       
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