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       # taz.de -- Armut unter Eltern und Kindern: Alleinerziehende werden abgehängt
       
       > Fast die Hälfte der Ein-Eltern-Familien in Deutschland und insgesamt 2,8
       > Millionen Kinder und Jugendliche sind arm. Die Situation ist im Osten
       > teils besser als im Westen.
       
   IMG Bild: Alleinerziehende sind in Deutschland von Armut bedroht
       
       Gütersloh/Berlin afp/dpa/epd | Für alleinerziehende Familien ist das
       Armutsrisiko einer Studie zufolge größer als bei jeder anderen
       Familienform. Hierzulande gelten 42,7 Prozent aller
       [1][Ein-Eltern-Familien] als einkommensarm, wie aus der am Donnerstag
       vorgestellten Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung in Gütersloh
       hervorgeht. Von allen Kindern, die Hartz-IV-Kindersätze beziehen, leben
       demnach 45 Prozent in alleinerziehenden Familien.
       
       Das große Armutsrisiko sei allerdings nicht allein auf Arbeitslosigkeit
       zurückzuführen. Obwohl der Studie zufolge 40 Prozent aller
       alleinerziehenden Hartz-IV-Empfänger:innen erwerbstätig waren, reichte ihr
       Einkommen nicht, um das Existenzminimum für sich und ihre Kinder zu decken.
       Bei ihnen handle es sich um sogenannte Aufstockerinnen beziehungsweise
       Aufstocker.
       
       Eine andere Studie des Paritätischen Wohlfahrtverbands zeigt derweil, dass
       insgesamt rund 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland in Armut
       leben. Das ist jedes fünfte Kind. Mit einer Armutsquote von 20,5 Prozent im
       Vergleich zu anderen Altersgruppen seien Minderjährige [2][überproportional
       von Armut betroffen], kritisierte der Verband in Berlin. Auch der
       Paritätische kommt zu dem Ergebniss: Besonders hart und häufig treffe es
       Alleinerziehende.
       
       Dabei gebe es eine konträre Entwicklung zwischen Ost und West, bei starker
       regionaler Differenzierung. Während sich die Lage der Kinder und
       Jugendlichen in den ostdeutschen Ländern ausgehend von einem sehr hohen
       Niveau positiv entwickle, würden die Probleme in verschiedenen
       westdeutschen Ländern wie Bremen, Hessen, Niedersachsen oder
       Nordrhein-Westfalen teilweise dramatisch wachsen.
       
       Die sozialen Sicherungssysteme reichten nicht aus, um Kinderarmut effektiv
       zu verhindern, kritisieren die Studienautoren. Obwohl die Hartz-IV-Quoten
       sinken, wachse die Kinderarmut überdurchschnittlich. Das sei nicht nur
       besorgniserregend, sondern skandalös und ein Ausdruck armuts- und
       gesellschaftspolitischen Versagens, sagte der Leiter der Forschungsstelle,
       Joachim Rock.
       
       Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter beobachtet seit Corona zudem
       verstärkt Existenzängste. Häufig seien alleinerziehende Mütter im
       Niedriglohnsektor tätig, schildert die VAMV-Bundesvorsitzende Daniela
       Jaspers. „Verdienstausfälle hauen da voll rein. Rücklagen haben
       Alleinerziehende meist nicht.“ Vom Kurzarbeitergeld könnten sie kaum leben.
       Kinderbonus oder -krankengeld machten sich fast nicht bemerkbar. Wenn
       Frauen für die Erziehung beim Job reduzierten, brauche es nach einer
       Trennung finanziell ausgleichende „Solidarität“ im Unterhaltsrecht. Derzeit
       baden Frauen die Folgen nach der Trennung oft alleine aus, moniert auch
       Lenze.
       
       Ein Beispiel: Die Alleinerziehende Nina aus Düsseldorf arbeitet 28
       Wochenstunden im Einzelhandel, verdient netto 990 Euro. Das reicht nicht
       für sie, ihren Sohn (8) und die Tochter (19). Als SGB II-“Aufstockerin“
       erhalte sie im Schnitt 800 Euro pro Monat, erzählt die 41-Jährige. Fürs
       Homeschooling habe sie monatelang auf einen Laptop gespart. „Dafür mussten
       wir ganz schön bluten.“ Da der Ex-Partner keinen Unterhalt zahlt, will sie
       für den Sohn einen staatlichen Unterhaltsvorschuss beantragen. „Um an
       Unterstützungsleistungen zu kommen, ist aber immer viel Bürokratie
       erforderlich.“
       
       15 Jul 2021
       
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