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       # taz.de -- Rugby und Diversität: So oval wie die Welt
       
       > Ins 7er-Rugbyturnier startet Japan als Geheimfavorit. Auch weil die
       > japanische Auswahl nichts mit dem Spuk von „ethnischer Reinheit“ zu tun
       > hat.
       
   IMG Bild: Japanisches Rugby erscheint in Rot-Weiß, ist aber sehr bunt
       
       Bei den Olympischen Spielen von Tokio zählt die Gastgebertruppe der Männer
       beim Rugbyturnier tatsächlich zu den Geheimfavoriten. Das scheinbar
       übermächtige Südafrika schlugen die Sakura Blossoms, wie sich die
       japanischen Rugbymänner nennen, bei der WM 2015 sensationell mit 34:32.
       Seitdem hat das ostasiatische Land, in dem Rugby bis dato wenig zählte,
       eine schnelle Aufholjagd hingelegt. Überraschungssiege gegen große Gegner
       hat es immer wieder gegeben. Nun könnte der erste große Titel bevorstehen.
       Zumal Südafrikas Coach Neil Powell positiv getestet wurde, zwei Wochen lang
       in Quarantäne muss und seine Mannschaft zunächst nur [1][aus der Ferne
       coachen] darf. In Japan sehen nicht Wenige in dieser Schwächung Südafrikas
       eine indirekte Stärkung des eigenen Teams.
       
       Wenn es wirklich dazu käme, dann würde so eine japanische Rugbymedaille
       mehr bedeuten als nur Sport. Um das zu verstehen, genügt ein Blick auf den
       Kader. Keine japanische Nationalmannschaft ist derart international: Da
       sind etwa die Leistungsträger Jose Seru und Kameli Soejima, die beide in
       Fidschi geboren wurden. Außerdem kam Lote Tuqiri in Fidschi zur Welt, wuchs
       dann in Australien auf. Brackin Henry kommt aus Neuseeland, genau wie Colin
       Raijin Bourke. Von zwölf Spielern kommt knapp die Hälfte aus dem Ausland.
       Damit stehen die Spieler der 7er-Rugbymannschaft für das, was die Tokioter
       Spiele offiziell hochheben wollen. „Unity in diversity“ lautet ein Motto
       von „Tokyo 2020“: Einheit in Vielfalt.
       
       Es ist eine Idee, die im Japan dieser Tage auch Wunschdenken ist. Nur gut
       zwei Prozent der Bevölkerung hat einen ausländischen Pass, die
       Migrationspolitik ist streng, gut Englisch sprechen im Land wenige. Im Land
       dominiert das Narrativ, Japan sei eine „homogene Gesellschaft“. Diese
       vermeintliche Ähnlichkeit der Einwohner sehen viele als Grund für die
       niedrige Kriminalität und relativ starken sozialen Zusammenhalt – auch im
       Zuge der Coronakrise.
       
       Für Japaner, die sich ein diverseres Land wünschen, dienen die Sakura
       Blossoms als Identifikationsgeber. Als Japan vergangenen Herbst erstmals
       die Rugby-WM veranstaltete, erreichte die Gastgebermannschaft sensationell
       das Viertelfinale. Die WM hat das rustikale Spiel populär gemacht, zum
       Ansehen und zum Spielen.
       
       ## So richtig ist Rugby erst seit vier Jahren da
       
       Zwar gab es Rugby schon um die Wende zum 20. Jahrhundert an Universitäten,
       als sich Japan nach einer 250-jährigen Isolationsperiode gerade der Welt
       geöffnet hatte. Aber größere Aufmerksamkeit erhielt der Sport erst vor vier
       Jahren.
       
       Bei der WM 2015 in England hatte schließlich der Underdog Japan, der in
       seiner WM-Historie bis dato nur einmal 1991 gegen Simbabwe gewonnen hatte,
       den Turniermitfavoriten Südafrika besiegt. Die Tageszeitung Nikkei jubelte
       das Ergebnis zu „einer der größten Überraschungen der Geschichte“ herauf.
       Obwohl Japan einige Tage später trotz zwei weiterer Siege in der
       Gruppenphase ausschied, hagelte es Erfolgsmeldungen. Mit der Aussicht, dass
       2019 die WM ins eigene Land kommen würde, wurde die Öffentlichkeit
       hellhörig. Mittlerweile berichten Zeitungen täglich über Rugby.
       
       Und seither ist Japans Kader immer wieder von Spielern geprägt, die nicht
       in Japan zur Welt kamen und teilweise auch die Sprache kaum sprechen.
       Anfangs gefiel das nicht allen im Land. Nach dem legendären Sieg gegen
       [2][Südafrika] 2015 twitterte daher der Führungsspieler Ayumu Goromaru:
       „Diese Spieler haben sich dafür entschieden, für Japan zu spielen und nicht
       für ein anderes Land. Sie sind die besten Freunde, die wir haben.“ Mit
       ihnen ist Japan auf Platz zehn der Weltrangliste geklettert.
       
       Am heutigen Montag beginnt das Turnier mit zwölf Mannschaften für die
       Gastgeber mit Spielen gegen Fidschi und Großbritannien, am Dienstag dann
       gegen Kanada. Danach würde die fest eingeplante K.o.-Runde folgen. Sollte
       es beim nach 2019 zweiten großen Turnier vor heimischer Kulisse nun zu
       einem Medaillengewinn kommen, würden wohl auch die Skeptiker dieser bunten
       Truppe stolz werden. Denn Medaillen für Japan zählen ja immer.
       
       26 Jul 2021
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Felix Lill
       
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