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       # taz.de -- Japans Umgang mit dem Coronavirus: Ortung und Outing für Coronasünder
       
       > Wer nach Japan einreist und die Quarantänebestimmungen missachtet,
       > bekommt Ärger. Auch ein Internetpranger soll die Japaner abschrecken.
       
   IMG Bild: Ab in die Isolation: Wer nach Tokio fliegt, muss sich von anderen Menschen fernhalten
       
       Wer sich innerhalb der Olympia-Blase mit dem Coronavirus infiziert, muss
       bekanntermaßen [1][bis zu 14 Tage in ein Quarantänehotel] umziehen. Quasi
       zur Strafe für die Ansteckung stellt Japan jede Gastfreundschaft ein,
       sperrt die Missetäter in ein Zimmer mit verschlossenen Fenstern und
       malträtiert sie dreimal täglich mit kaltem und fettigem Essen.
       
       Außerhalb der Blase gelten weniger strenge Maßstäbe. Bis heute muss man
       beim Arzt klare Covidsymptome vorweisen, um einen PCR-Test zu bekommen –
       die staatliche Krankenkasse ist nämlich ziemlich knauserig. Wer sich in
       einem privaten Testzentrum für umgerechnet 150 bis 230 Euro auf eigene
       Kosten untersuchen lässt, muss wiederum nicht damit rechnen, bei einem
       Positivbescheid gemeldet zu werden. Diese Ergebnisse werden offiziell nicht
       gezählt, weil der Test nicht von einem Arzt gemacht wurde!
       
       Jetzt hat das Gesundheitsministerium seine nachlässige Einstellung
       zumindest in einem Punkt überdacht. Erstmals knöpft es sich diejenigen
       Ausländer und Japaner vor, die ins Land eingereist sind und sich danach
       nicht an die vorgeschriebene 14-tägige Selbstquarantäne gehalten haben. Wie
       die Olympiateilnehmer müssen diese Besucher und Rückkehrer ihre
       Körpertemperatur täglich in eine Smartphone-App eingeben.
       
       ## Regelmäßige Kontrollanrufe
       
       Das Ortungssystem ihres Handys muss eingeschaltet bleiben, damit sich
       automatisch prüfen lässt, ob die Wohnung oder das Hotelzimmer wirklich
       nicht verlassen werden. Die Behörde darf auch jederzeit anrufen und
       verlangen, dass man die Kamera einschaltet, um den aktuellen Aufenthaltsort
       zu überprüfen. Einem deutschen Bekannten von mir ist dies an mehreren Tagen
       hintereinander passiert.
       
       Allerdings berichtete das Ministerium schon kurz nach der Einführung dieser
       Vorschriften von täglich über 100 Eingereisten, die sich keineswegs zwei
       Wochen lang selbst isolierten. Darauf drohte das Außenministerium den
       Ausländern, die dabei erwischt würden, mit dem Entzug der
       Aufenthaltsgenehmigung. Noch „härter“ sollte die Strafe für japanische
       Delinquenten ausfallen: Ihre vollen Namen würden ins Internet gestellt! In
       dieser Woche war es so weit: Die Behörde veröffentlichte die Namen von drei
       Japanern, die nach der Rückkehr aus Südkorea und Hawaii komplett abgetaucht
       waren.
       
       An dieser Stelle verweisen viele Japanologen gerne auf die hiesige
       [2][„Schamkultur“]: Der einzelne Japaner halte sich an soziale Regeln,
       damit seine Gruppe ihn nicht öffentlich beschämt. In der westlichen
       „Schuldkultur“ wiederum laufe die Vermeidung von Verstößen über das
       Gewissen des Einzelnen. Als Westler in Japan halte ich diesen Unterschied
       für ziemlich konstruiert. Vielleicht funktioniert das Beschämen in der
       Dorfgemeinschaft, aber sicher nicht über eine Webseite des
       Gesundheitsministeriums. Die abschreckende Wirkung dieses Online-Prangers
       auf Japaner dürfte sich also in Grenzen halten.
       
       5 Aug 2021
       
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