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       # taz.de -- „Für Billstedt bedeutet das Urteil einen Verlust“
       
       > Zwei Kitabetreiber*innen wollten zum ersten August eine neue Kita
       > in Billstedt eröffnen, scheiterten aber an der Baugenehmigung. Schuld
       > daran ist ein Gerichtsurteil, das nicht nur vielen Kitas, sondern auch
       > den zuständigen Behörden Probleme bereitet
       
   IMG Bild: Ohne Spielplatz keine Kita – aber Zugang zu einem Spielplatz zu bekommen, wird für manche Kitas zum Problem
       
       Interview Sarah Mahlberg
       
       taz: Sie wollten eine Kita in Billstedt eröffnen und durften nicht. Warum
       nicht? 
       
       Kolja von Busch:Kitas brauchen ein Außengelände von sechs Quadratmetern pro
       Kind. Für Krippenkinder muss das direkt am Gebäude anliegen, für ältere
       Kinder reichte es bisher aus, einen Spielplatz in der Nähe zu haben, der
       innerhalb von 15 Minuten fußläufig zu erreichen ist. Wir haben bereits in
       Winterhude eine Kita eröffnet, da war das gar kein Problem. Für Billstedt
       haben wir also auch Spielplätze rausgesucht, aber jetzt erfahren, dass wir
       sie nicht nutzen dürfen.
       
       Was spricht dagegen? 
       
       Melisa Suhonjic:Es gibt ein Urteil des Hamburger Verwaltungsgerichts vom
       letzten Herbst. Es besagt, dass die Stadt einem ein Sondernutzungsrecht
       erteilen muss, wenn man als Kita ihre Spielplätze nutzen will. Dann müssten
       die Kitakinder den Spielplatz allerdings exklusiv nutzen und würden ihn den
       anderen Kindern wegnehmen. Deshalb haben wir dieses Recht vom Bezirksamt
       nicht bekommen.
       
       Von Busch:Wir können auch verstehen, warum. Natürlich geht das nicht, dass
       ein Spielplatz nur einer Kita gehören soll. Es ist für die Gruppen doch
       interessanter, wenn da noch andere Kinder sind.
       
       Worauf zielt der Urteilsspruch? 
       
       Von Busch: Das Urteil sollte eigentlich eine Signalwirkung haben, dass
       Kitas Spielfläche brauchen und es Außenspielplätze geben muss. Der Anlass
       für den Prozess war, dass ein Kitaträger zur Kasse gebeten wurde, weil er
       die öffentlichen Spielplätze nutzte. Er hat geklagt und Recht bekommen, die
       Stadt darf kein Geld von ihm verlangen. Allerdings hat sie jetzt ein
       Mitbestimmungsrecht, wer auf ihre Spielplätze darf.
       
       Wie haben die Umweltbehörde und die Ämter für Grünflächen das Urteil
       aufgenommen? 
       
       Um eine solche Regelung hatten sie nicht gebeten und wissen wohl gerade
       selbst nicht, wie sie damit umgehen sollen. Wie kann man einer Kita
       erlauben, einen Spielplatz zu nutzen, aber einer anderen nicht? Nach
       welchen Kriterien soll entschieden werden? Wir glauben, dass dem
       Verwaltungsgericht die Auswirkungen dieser Entscheidung nicht so bewusst
       waren.
       
       Kommt es denn oft vor, dass Spielflächen nicht direkt an der Kita sind und
       Kinder so weit laufen müssen? 
       
       Suhonjic:Das Gesetz, das vorschreibt, dass eine Kita überhaupt ein
       Außengelände braucht, gibt es erst seit einigen Jahren. Dass es keine
       Spielfläche direkt am Haus gibt, ist nicht unüblich. Aber bisher konnte man
       sich befreien lassen von der Regel, wenn man Grünflächen in der Umgebung
       vorweisen konnte.
       
       Was bedeutet das für Sie und andere Kitaträger*innen? 
       
       Von Busch: Es wird noch schwieriger, Räumlichkeiten zu finden. Es ist
       bisher schon schwierig, Räume zu finden, die das Außengelände für die
       Krippenkinder bieten. Wenn das Urteil gültig bleibt, bräuchten wir in
       Zukunft viel größere Flächen. In Hamburg gibt es solche Flächen aber kaum.
       
       Suhonjic: Es könnte dann passieren, dass irgendwann nur noch Krippen neu
       eröffnet werden. Dann müssten wir die Kinder mit drei Jahren rausschmeißen.
       Einen Raum zu finden, ist ohnehin sehr schwierig bei einer Kitagründung.
       Schwieriger, als Personal zu finden.
       
       Denken Sie, dass das alle Viertel gleichermaßen treffen wird, oder ärmere
       Viertel wie Billstedt besonders? 
       
       Suhonjic: Das wird sich durch alle Viertel ziehen, aber Billstedt ist nicht
       der beliebteste Stadtteil. Die meisten Träger suchen sich lieber Viertel
       aus, die weniger „schwierig“ sind, weshalb das Urteil für Billstedt auch
       einen Verlust bedeutet.
       
       Was für eine Kita haben Sie denn geplant? 
       
       Suhonjic: Wir haben einen künstlerischen Schwerpunkt mit Theater und Musik.
       Die Idee dahinter ist, dass Theater das Selbstbewusstsein von Kindern
       stärkt und ihnen ermöglicht, besser für sich einzustehen. Mit Kinderrechten
       haben wir uns auch viel beschäftigt. Außerdem enthält Theater
       Sprachförderung, die aber nebenbei läuft und in den Alltag integriert ist.
       Gerade in Billstedt wohnen viele Menschen mit Migrationshintergrund, sodass
       das ganz besonders nützlich wäre.
       
       Wie wollen Sie jetzt gegen die Auflagen vorgehen? 
       
       Suhonjic:Es ist geplant, dass Behörden und Betroffene sich zusammensetzen
       und eine Lösung finden, die für alle Kitas und Spielplätze gut ist. Leider
       wird das noch dauern. Wir wollten eigentlich zum 1. August eröffnen und
       haben auch schon Kinder auf der Warteliste, die wir jetzt auf den Dezember
       vertrösten mussten. Die Nachfrage ist aber so groß, dass eigentlich keine
       Zeit ist, dieses Problem so lange zu betrachten. Es ist Platz für alle da.
       Die meisten Kinder sind vormittags in der Kita und erst nachmittags mit
       Freunden auf dem Spielplatz. Von daher würden wir niemanden stören.
       
       9 Aug 2021
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sarah Mahlberg
       
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