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       # taz.de -- Vormarsch der Taliban in Afghanistan: Demokratie hatte nie eine Chance
       
       > Die Taliban nehmen Stadt um Stadt ein. Die Politik des Westens ist
       > gescheitert – erst ihr „Krieg gegen den Terror“, dann der vorschnelle
       > Abzug.
       
   IMG Bild: Afghan:innen fliehen vor den Kämpfen zwischen den Taliban und dem afghanischen Militär aus Herat
       
       Es sieht nicht gut aus für Afghanistan. [1][Provinzhauptstädte fallen
       schneller an die Taliban], als auch der Autor es für möglich gehalten
       hätte. Selbst Kabul ist in Gefahr. Ob die Regierung zu einer Verteidigung
       fähig ist, steht in den Sternen. Welchen Preis eine Gegenoffensive hätte,
       sieht man in [2][Laschkargah] in Südafghanistan. Um einen Angriff auf die
       Taliban starten zu können, forderte die Armee die Bevölkerung auf, die
       Stadt sofort zu verlassen. Bombardements im Stadtzentrum folgten; Basare,
       Schulen, Krankenhäuser brennen. Zivilist:innen werden getötet.
       
       Nach dem 11. September 2001 klammerten sich viele Afghan:innen an die
       Hoffnung, dass die Anschläge von al-Qaida ihr verarmtes, von
       rückwärtsgewandten Islamisten regiertes Land wieder auf die weltpolitische
       Agenda gesetzt hatten. Dass der demokratische Westen ihnen helfen würde.
       Und er kam, versprach freie Wahlen und [3][Frauenrechte]. Allerdings wollte
       der Westen zugleich einen „Krieg gegen den Terror“ führen und brauchte dazu
       die Warlords mit ihren Milizen als Verbündete.
       
       Im Ergebnis entstand eine Fassadendemokratie mit einer korrupten Oligarchie
       als eigentlichen Machthabern. Der Westen akzeptierte, dass Wahlen gefälscht
       wurden und fälschte sogar mit. Das brachte den Taliban neuen Zulauf als
       Antiokkupations- und Antikorruptionstruppe.
       
       Afghanistans politische Eliten, aber auch Teile der Zivilgesellschaft
       verließen sich jahrelang darauf, dass die US-Amerikaner ihr Land nicht
       fallen lassen würden. Schließlich haben die USA etwa 1,5 Billionen Dollar
       in den Kampf gegen die Taliban investiert. Doch dann kam Trump. Nach dem
       Motto „America First“ wurde einseitig ein Truppenabzug beschlossen.
       
       ## Bündnis mit den Warlords
       
       Das jetzt bestmögliche Szenario wäre für die Afghan:innen immer noch
       schlimm: Der Westen müsste mit der Drohung Ernst machen, sämtliche
       Entwicklungsgelder zu sperren, falls eine Taliban-Regierung militärisch an
       die Macht kommt, und so Verhandlungen über ein Kriegsende erzwingen. Der
       Preis wäre, die von den USA installierte Regierung von Präsident Ghani
       fallen zu lassen – und viele Menschen- und Freiheitsrechte aufzugeben.
       
       Die Warlords, oft Islamisten wie die Taliban, wären sicher zur
       Verständigung bereit. Die Alternative wären Flächenbombardements der
       Städte, [4][die jetzt von den Taliban kontrolliert werden], was eine
       Verlängerung des Krieges bedeuten könnte.
       
       Eigentlich müssten die Afghan:innen demokratisch über ihre Zukunft
       entscheiden. Aber eine echte Demokratie hatte nie eine Chance – auch weil
       der Westen den „Krieg gegen den Terror“ wichtiger fand und sich mit den
       Warlords verbündete.
       
       8 Aug 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Eroberungskrieg-in-Afghanistan/!5788027
   DIR [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Laschkar_Gah
   DIR [3] /Taliban-und-USA-vergessen-die-Frauen/!5669007
   DIR [4] /Afghanistan-unter-der-Taliban-Herrschaft/!5767398
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Thomas Ruttig
       
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