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       # taz.de -- Wahl zum neuen ORF-Generaldirektor: Parteien mischen mit
       
       > Wer leitet künftig den ORF in Österreich? Diese Frage wird am Dienstag
       > entschieden. Es zeigt sich einmal mehr, welche Rolle die Politik dabei
       > spielt.
       
   IMG Bild: Sebastian Kurz mit dem amtierenden ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz im Jahr 2017
       
       Wien taz | Am Dienstag wird der neue Generaldirektor von Österreichs
       Leitmedium gewählt. Einige Medien, darunter das Magazin profil und die
       Wochenzeitung Falter, wollen nicht von Wahl sprechen, sondern von
       „Bestellung“. Laut profil-Herausgeber Christian Rainer habe der Vorgang
       „mit einer Wahl so viel zu tun wie die Bestellung von Fidel Castro zum
       Staatspräsidenten von Kuba hatte“. Denn nie zuvor konnte der Chef der
       Regierungspartei so frei über die Leitung des öffentlich-rechtlichen
       Rundfunks bestimmen. Es wird der bisherige Vizefinanzdirektor des ORF
       Roland Weißmann werden.
       
       Von den 35 Stiftungsräten, denen die „Wahl“ obliegt, sind 18 direkt oder
       indirekt von der konservativen ÖVP entsandt. Damit keiner aus
       Gewissensgründen ausscheren kann, wird diesmal nicht geheim, sondern offen
       abgestimmt. Auch die drei grünen Stimmen werden – gegen das
       Nominierungsrecht für zwei Posten auf der zweiten Ebene des ORF – in die
       Waagschale geworfen. Medien berichten daher seit Wochen nur mit Sarkasmus
       oder Zynismus über das Ritual, bei dem zehn Kandidaten und vier
       Kandidatinnen zunächst in einem Hearing ihre Vorstellungen von der Zukunft
       des ORF präsentieren dürfen.
       
       Früher, als Mehrheiten gefunden werden mussten, gab es Abstimmungsrunden,
       aus denen manchmal ein Kompromisskandidat als Sieger hervorging. Der
       amtierende Generaldirektor Alexander Wrabetz, der eigentlich politisch der
       SPÖ zugerechnet wird, hat sich dabei als so elastisch erwiesen, dass er
       drei Amtsperioden in Folge dienen durfte – mehr als jeder seiner Vorgänger.
       
       Diesmal werden ihm kaum Chancen eingeräumt. Er hat zwar, wie die Opposition
       klagt, zugelassen, dass die „Zeit im Bild 1“, die wichtigste
       Nachrichtensendung des Tages, zu [1][Sebastian-Kurz-Festspielen] verkommen
       ist, doch stellt er sich meist mannhaft vor seine Redakteurinnen und
       Redakteure, wenn sie von politischer Seite attackiert werden. Und in den
       Spätnachrichten, der „Zeit im Bild 2“, darf Armin Wolf weiterhin Politiker
       mit seinen scharfen Fragen löchern und darauf aufmerksam machen, dass sie
       seine Fragen nicht beantwortet haben. Und der Radio-Kultursender Ö 1, der
       täglich 24 Stunden werbungsfreien Qualitätsrundfunk liefert, ist für den
       Geschmack von ÖVP und FPÖ linksgrün verseucht.
       
       ## Aussichtslose Kandidaten
       
       Sämtliche ernstzunehmende Bewerber und die einzige bekannte Bewerberin
       kommen aus dem Haus. Als Erste wagte sich Lisa Totzauer, Channel-Managerin
       von ORF 1, aus der Deckung. Ihr wird zwar Kompetenz und ÖVP-Nähe
       attestiert, doch ist sie nicht die Wunschkandidatin des Bundeskanzlers. Sie
       habe zu viel Eigenständigkeit bewiesen, meinen Insider.
       
       Online-Direktor Thomas Prantner weist gerne darauf hin, dass er nicht der
       Kandidat der FPÖ ist, als der er wegen seiner einschlägigen Vergangenheit
       gemeinhin gesehen wird. Zehn Kandidaten sind so aussichtslos, dass sie
       schon im Vorfeld als „ferner liefen“ abgetan werden. Der Favorit Roland
       Weißmann hat seine Kandidatur erst spät offiziell gemacht. Er weiß, dass er
       keinen Wahlkampf braucht.
       
       Man sollte meinen, dass der ORF vor einer so wichtigen Weichenstellung die
       Kandidaten vorstellt und in Diskussionsrunden einlädt, ihre Pläne für
       Digitalisierung, wachsende Konkurrenz der Privaten und Verhältnis zur
       Politik auszuführen. Nichts dergleichen. Nur der Privatsender Puls24
       brachte eine solche Runde zustande, bei der um das heiße Thema der
       politischen Einflussnahme wacker herumgeredet wurde.
       
       ## Politisch organisierte „Freundeskreise“
       
       Der bekannte Verfassungsjurist Heinz Mayer tobt seit Tagen auf Twitter
       gegen die bevorstehende Farce und erinnert die Stiftungsräte an ihre
       zivilrechtliche Haftbarkeit „wenn nicht der beste Bewerber, die beste
       Bewerberin gewählt wird“. Er warnt: „Das kann teuer werden, wenn eine Klage
       kommt.“
       
       Sebastian Kurz hat sich nie zu seinen Vorstellungen vom
       öffentlich-rechtlichen Fernsehen geäußert. Wird er auf die bevorstehende
       „Wahl“ angesprochen, erwidert er, das sei Sache des Stiftungsrates, als
       habe er nie von den politisch organisierten „Freundeskreisen“ in diesem
       Gremium gehört.
       
       9 Aug 2021
       
       ## LINKS
       
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   DIR Ralf Leonhard
       
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