URI: 
       # taz.de -- Vor Präsidentschaftswahl in Sambia: Wahlkampf zerreißt das Land
       
       > Präsident Lungu und sein Herausforderer Hichilema ringen schon zum
       > dritten Mal um das Spitzenamt. Eine Niederlage kann sich keiner
       > vorstellen.
       
   IMG Bild: Unterstützerinnen von Präsident Edgar Lungu bei der Eröffnung eines Flufhafens, 9. August
       
       Lusaka taz | Das südliche Afrika gilt als relativ stabil im Vergleich zum
       Rest des Kontinents, und Sambia, das Land mit dem Motto „Ein Sambia, ein
       Nation“ und lange Zeit „Frontstaat“ gegen Apartheid und Kolonialismus
       ringsum, steht in der Region für Frieden und Harmonie. Doch während
       [1][Mosambik in einem neuen Bürgerkrieg versinkt], [2][eSwatini (Swaziland)
       von Unruhen] erschüttert wird und [3][Südafrika] sich gerade von den
       schwersten Gewaltakten seit Ende der Apartheid mit über 300 Toten erholt,
       könnte auch Sambias Wahl nunmehr in eine blutige Krise münden.
       
       Kein Wahlkampf seit der Unabhängigkeit 1964 hat Sambia so tief gespalten
       wie dieser, der bereits Dutzende Tote gefordert hat. Die regierende PF
       (Patriotic Front) von [4][Präsident Edgar Chagwa Lungu] und die
       oppositionelle UPND (United Party for National Development) des
       Geschäftsmanns Haikande Hichilema scheinen sich mehr auf Krieg als auf eine
       friedliche Wahl vorzubereiten, und sie betreiben beide den hässlichsten
       Wahlkampf seit Menschengedenken, mit Propaganda und gegenseitigen
       Schmähungen.
       
       Erst am vergangenen Donnerstag entging UPND-Vizepräsidentschaftskandidatin
       Mutale Nalumango nach eigenen Angaben einem Mordanschlag in der nördlichen
       Provinz Luapula. Nalumango berichtete, schwerbewaffnete Polizei habe ihren
       Autokonvoi gejagt und mit Tränengas und scharfer Munition auf sie
       geschossen, als sie den Palast eines traditionellen Führers verließ, dem
       sie einen Höflichkeitsbesuch abgestattet hatte. Sie sei „guter Dinge und
       bereit dazu, ihr Engagement mit der Wählerschaft fortzusetzen“, erklärte
       ihre Partei danach.
       
       Es war eine Woche, in der erstmals Sambias Armee ausgerückt war, um die
       Polizei gegen Gewalt im Wahlkampf zu unterstützen, nachdem die Regierung
       der Opposition vorgeworfen hatte, massive Störungen des Wahltags
       vorzubereiten. Was dann folgte, zeugte davon, wie spiegelbildlich dieser
       Wahlkampf verläuft: ein mutmaßlicher Gewalttäter wurde verhaftet – und die
       beiden großen Parteien behaupteten beide, der Mann gehöre zur jeweiligen
       Gegenseite.
       
       ## Dubiose Lieferung von Wahlzetteln
       
       Der Mann mit einer Halloween-Zombie-Gesichtsmaske und einer Ansammlung von
       Waffen wurde im Stadtteil Kanyama der Hauptstadt Lusaka festgenommen. Die
       regierende PF sprach von einem UPND-„Schläger“, der bereits für die
       Ermordung der PF-Aktivisten Danny Kasongo und Davies Kabunda in Kanyama
       verantwortlich gewesen sei – der Vorfall, der unmittelbar zum Einsatz der
       Armee führte.
       
       Die oppositionelle UPND sprach von einem „berüchtigten PF-Kader“, den die
       Armee festgesetzt habe, nachdem er die Menschen in seinem Wohlviertel
       terrorisierte. Die Behörden scheinen derweil nicht in der Lage zu sein, die
       Identität des Festgenommenen zu klären.
       
       Nicht weniger mysteriös gestaltete sich die Anlieferung der Wahlzettel, die
       in Dubai gedruckt worden sind und deren letzte Lieferung am 30. Juli am
       internationalen Flughafen „Kenneth Kaunda“ von Lusaka eintraf. Es war ein
       eigens von der Wahlkommission gechartertes Flugzeug – aber nach der Landung
       kam die wenige bekannte Firma Lee Bridge Limited und erhob Anspruch auf
       eine Fracht von Mobiltelefonen und Elektronikgeräten, die sich regelwidrig
       im selben Flugzeug befand.
       
       Es kursieren Behauptungen, dass zu wenig Wahlzettel angeliefert wurden. Die
       Wahlkommission hat nun die Elektronikfracht beschlagnahmt und am Flughafen
       eingelagert. Die Firma hat dem zugestimmt, „um zur Integrität der Wahlen
       beizutragen“.
       
       Derweil kübeln die beiden großen Parteien übereinander her. Die UPND
       behauptet, über Informationen zu verfügen, dass die Polizei und die PF dem
       UPND-Jugendsekretariat Waffen und Marihuana unterschieben wolle, um
       UPND-Jugendführer Gilbert Liswaniso zu inkriminieren. „Es ist kein
       Geheimnis, dass die PF eine Menschenjagd begonnen hat, um Jugendführer zu
       verhaften und den starken Wind des Wandels zu stoppen, der durch das Land
       bläst“, behauptete die Partei. „Es ist unter der PF zum Trend geworden,
       dass Parteikader unter fiktiven Vorwürfen festgenommen werden, um sie
       auszuschalten.“
       
       Zuvor hatte die PF der UPND vorgeworfen, angesichts ihrer bevorstehenden
       Niederlage Jugendliche zu trainieren, um Gewalt und Chaos zu schüren und
       damit die Wahlen zu stoppen.
       
       ## Proteste möglich
       
       Knappe Wahlumfragen erhöhen die Spannung. Eine von einem in Afrika
       respektierten Meinungsforschungsinstitut gibt Amtsinhaber Lungu einen
       klaren Sieg mit 500.000 Stimmen Vorsprung vor Hichilema – Sambia hat rund
       19 Millionen Einwohner, von denen gut 8 Millionen im Wahlregister stehen.
       Bei der letzten Wahl 2016 hatte Lungu mit nur 100.000 Stimmen Vorsprung
       gewonnen, ein Vorsprung von unter 3 Prozentpunkten. Das hatte zu
       Fälschungsvorwürfen und Protesten geführt.
       
       Mit Protesten ist auch jetzt zu rechnen, sollte Hichilema – der schon zum
       dritten Mal gegen Lungu antritt – erneut zum Verlierer gekürt werden. „Die
       UPND und alle Sambier werden ihre Stimme mit allen gesetzlichen Mitteln
       verteidigen und werden sicherstellen, dass die Wahlmanager, in diesem Fall
       die Wahlkommission, eine korrekte Wiedergabe des Volkswillens liefert“,
       sagte UPND-Generalsekretär Batuke Imenda. Aber aus PF-Sicht kommt eine
       Niederlage überhaupt nicht in Frage.
       
       Als PF-Sprecher Amos Chanda gefragt wurde, ob die Regierungspartei im Fall
       einer Niederlage die Macht abgeben werde, antwortete er im
       Regierungsgebäude von Lusaka: „Man kann nicht die Macht abgeben, wenn man
       gewinnt. Wir können nicht über eine Machtübergabe sprechen, denn wir sehen
       Kontinuität“.
       
       Es mehren sich nun die internationalen Aufrufe zu einer friedlichen Wahl.
       „Seit der Unabhängigkeit ist Sambia ein Leuchtturm des Friedens in der
       Region und auf dem Kontinent gewesen“, sagte die UN-Koordinatorin für
       Sambia, Coumba Mar Gadio. „Frieden in Sambia ist kostbar und sollte bewahrt
       werden. Gewalt, Hassreden, Polarisierung und spalterische Rhetorik haben in
       einer Demokratie keinen Platz.“
       
       David Young, der US-Botschafter in Sambia, erinnerte an die laufenden
       US-Finanzhilfen für Wahlen und demokratische Institutionen in Sambia und
       warnte: „Wenn Menschenrechte und demokratische Freiheiten verletzt werden,
       können und werden die USA Visarestriktionen, Reiseverbote und
       Finanzsanktionen verhängen. Wir werden jeden, der [5][Gewalt fördert, den
       Wahlprozess untergräbt], fälscht oder korrumpiert oder sonst wie
       demokratische Rechte bricht, zur Rechenschaft ziehen.“
       
       11 Aug 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Krieg-gegen-Islamisten-in-Mosambik/!5792207
   DIR [2] /Unruhen-in-eSwatini/!5779375
   DIR [3] /Nach-der-Gewalt-in-Suedafrika/!5787936
   DIR [4] /Eskalierende-Gewalt-in-Sambia/!5786386
   DIR [5] /Wahlkampf-in-Sambia/!5776876
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Arnold Mulenga
       
       ## TAGS
       
   DIR Sambia
   DIR Edgar Lungu
   DIR Präsidentschaftswahl
   DIR Sambia
   DIR Sambia
   DIR Sambia
   DIR Sambia
   DIR Sambia
   DIR Sambia
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Sambias neuer Präsident: Eher dürftige 100-Tages-Bilanz
       
       An Präsident Hakainde Hichilema richten sich große Erwartungen. Noch hat er
       nicht bewiesen, dass Sambias Politik nun weniger korrupt wird.
       
   DIR Giftgasangriffe an Schulen in Sambia: Über 100 verletzte Schüler
       
       Schwere Belastungsprobe für den neuen Präsidenten: Eine Serie mysteriöser
       Giftgasanschläge, die schon vor Jahren begann, scheint sich fortzusetzen.
       
   DIR Machtwechsel in Sambia: Hoffnung auf Neuanfang
       
       Sambias Oppositionsführer Hichilema hat die Präsidentschaftswahl gewonnen.
       Sein Sieg ist unerwartet klar, der Amtsinhaber erkennt die Niederlage an.
       
   DIR Eskalierende Gewalt in Sambia: Wahlkampf mit der Waffe
       
       In Sambia macht Präsident Edgar Lungu die Streitkräfte mobil. Er will die
       zunehmende Gewalt vor den anstehenden Wahlen eindämmen.
       
   DIR Kenneth Kaunda ist tot: Afrikas letzter Gründervater
       
       Sambia trauert um seinen ersten Präsidenten. Kenneth Kaunda führte sein
       Land 1964 in die Unabhängigkeit. Nun starb er im Alter von 97 Jahren.
       
   DIR Wahlkampf in Sambia: „Mickey Maus“ sorgt für Unruhen
       
       In Sambia sind wegen der Coronapandemie Wahlkundgebungen verboten. Das
       heizt das politische Klima in dem Land weiter an.