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       # taz.de -- Deutsches CO2-Budget: Zu langsamer Ausstieg aus der Kohle
       
       > Eine Prognose im Auftrag eines Ökostromanbieters zeigt: Laufen die
       > Kraftwerke tatsächlich bis 2038, würde das das nationale CO2-Kontingent
       > sprengen.
       
   IMG Bild: Echte Bürde: Braunkohleabbau in Sachsen, Neukieritzsch für das benachbarte Kraftwerk Lippendorf
       
       Freiburg taz | Der [1][geplante Betrieb von Kohlekraftwerken bis zum Jahr
       2038] macht es für Deutschland praktisch unmöglich, sein nationales
       CO2-Restbudget einzuhalten. Das lässt sich aus einer Studie des Analysten
       Energy Brainpool im Auftrag des Ökostromers Greenpeace Energy ableiten.
       
       Das Rechnen mit Megatonnen CO2 ist inzwischen ein wichtiger Teil der
       Klimadiskussion geworden. In dieser Betrachtung bekommt jedes Land ein
       Gesamtbudget zugeordnet, das es in den kommenden Jahren noch ausschöpfen
       darf, um anschließend CO2-frei zu wirtschaften. Solche Budgetkalkulationen
       basieren auf Rechnungen [2][des Weltklimarats IPCC]. Die von den
       beteiligten Wissenschaftlern als gerade noch vertretbar definierte globale
       Menge an Emissionen wird dabei pro Kopf der Bevölkerung auf alle Länder der
       Erde aufgeteilt.
       
       Danach dürfte Deutschland, beginnend mit dem Jahr 2020, nur noch insgesamt
       4.400 Megatonnen CO2 ausstoßen. Fast 2.000 Megatonnen davon würden nach dem
       aktuellen Kohleausstiegs-Szenario allein für die Kohlekraftwerke gebraucht,
       rechnet die Studie vor. Damit würde Deutschland von seinem CO2-Kontingent
       45 Prozent für die Kohleverstromung brauchen.
       
       ## Reicht Budget sogar nur bis 2026?
       
       Das Fazit von Greenpeace Energy liegt auf der Hand: Ein schnellerer
       Kohleausstieg und ein stärkerer Ausbau der Erneuerbaren seien notwendig.
       „Es kann nicht sein, dass die Kohle einen großen Teil unseres ohnehin
       knappen Spielraums bei den noch möglichen Emissionen auffrisst“, sagte
       Sönke Tangermann, Vorstand des Ökostromanbieters. Und die Autoren der
       Analyse erklärten: „Je höher der Anteil der Emissionen der Kohlekraftwerke
       am CO2-Budget ist, desto mehr Emissionseinsparungen müssen andere Sektoren
       wie der Verkehr, die Industrie, der Gebäudesektor und die Landwirtschaft
       kurzfristig realisieren.“ Folgt man den IPCC-Zahlen, ist in allen Sektoren
       Eile geboten. Denn bei einem unverminderten CO2-Ausstoß in Deutschland, der
       im Jahr 2020 bei 739 Megatonnen lag, wäre das nationale Kontingent bereits
       2026 erschöpft.
       
       Ein wesentlicher Unsicherheitsfaktor der Simulationen ist [3][der
       CO2-Preis.] Die Studie geht im Hauptszenario von überraschend niedrigen 40
       Euro pro Tonne im Jahr 2038 aus. Doch bereits im vergangenen Monat lagen
       die Notierungen im Emissionshandel im Mittel bei knapp 54 Euro. Mancher
       Marktbeobachter geht sogar davon aus, dass der „Green Deal“ der EU nur mit
       Preisen von 200 oder 300 Euro pro Tonne umsetzbar sein wird.
       
       ## CO2-Preis ist der Schlüssel
       
       Zwar rechnet Energy Brainpool noch ein zweites Szenario mit einem Preis von
       immerhin 105 Euro pro Tonne, bei dem der CO2-Ausstoß der Kohlekraftwerke
       dann um 13 Prozent niedriger liegt als bei der ersten Variante. Aber auch
       dieser Wert ist wenig praxisgerecht, weil – wie die Autoren selbst
       einräumen – indirekte Effekte, wie zusätzliche Ökostrom-Investitionen,
       nicht eingepreist wurden.
       
       So machen die verschiedenen Szenarien vor allem die grundsätzliche
       Bedeutung des CO2-Preises deutlich, wodurch die politischen
       Ausstiegsbeschlüsse in den Hintergrund treten. Bundeswirtschaftsminister
       Peter Altmaier hatte bereits im Juli gesagt, der Kohleausstieg werde
       aufgrund der gestiegenen CO2-Preise „schneller gehen als ursprünglich
       erwartet“. Mit Bezug auf die aktuelle Studie betonte dann auch das
       Ministerium, das Gesetz gebe lediglich „einen regulatorischen
       Stilllegungspfad bis spätestens 2038“ vor. In den Jahren 2026, 2029 und
       2032 werde dieser überprüft. Was aber nichts daran ändere, dass sich
       marktgetrieben durch den Emissionshandel ein Ausstieg sehr wohl früher
       vollziehen könne.
       
       12 Aug 2021
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Bernward Janzing
       
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