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       # taz.de -- Kunsttipps der Woche: Souverän bis wild
       
       > Jenna Westras Porträts bei Schwarz Contemporary, unverständlich braune
       > Bilder bei Max Hetzler und die letzte Ausstellung der Reihe
       > „Merzbau-Garten“.
       
   IMG Bild: Ausstellungsansicht: Albert Oehlen, unverständliche braune Bilder
       
       Jenna Westras Portraitfotografie ist sehr komponiert und geradezu
       künstlich. Ihre Modelle erstarren in seltsamen Posen, die vor allem für die
       Linien im Bild gemacht zu sein scheinen. [1][Trotzdem erkennt man auf den
       Fotografien] bei Schwarz Contemporary nicht das übliche Diktat derjenigen,
       die den Auslöser drückt.
       
       Jenna Westra fängt mit ihren Portraits, für die sie mit unterschiedlichen
       Belichtungs- und Farbtechniken arbeitet, vielmehr einen kollaborativen
       Moment zwischen ihr als Fotografin und den weiblichen Modellen ein. Nur
       selten sind Gesichter zu sehen, dennoch lässt sich in den Ausschnitten
       verschränkter, verschlungener und in irgendeiner gemeinschaftlichen
       Tätigkeit verharrender Körper eine Zärtlichkeit unter den Posierenden
       erkennen.
       
       Es ist eine freundschaftliche, bestärkende Zärtlichkeit. In einem
       Einzelportrait tritt das Modell in einen Dialog mit der Abbildung ihrer
       selbst. Erfrischend, ungewöhnlich und feministisch, die Frau und ihren
       Körper in dieser hochästhetisierten aber hierarchielosen Form abzubilden.
       
       Es sind unverständliche Bilder und sie sind braun, doch sie machen Spaß.
       Dabei kommt diese spontane Freude an Albert Oehlens „[2][unverständlichen
       braunen Bilder]“ (auch „u.b.B.“ genannt) und seiner „Ö-Norm“-Serie in der
       Galerie Max Hetzler von einer malerischen Tiefe.
       
       Wie er die ästhetisch und ebenso politisch schwierige Farbe Braun auf
       ausschließlich großem Format mit leuchtendem Pink, Gelb, Grün oder Blau
       vermengt und sich dabei vom Kleks bis zum Sfumato leichtfüßig
       unterschiedlichster Maltechniken bedient, ist detailreich, voller
       Referenzen und vor allem frei.
       
       Albert Oehlen, [3][einer der bekanntesten deutschen Gegenwartskünstler],
       der auch von dem amerikanischen Galerieriesen Gagosian vertreten wird,
       greift für die kürzlich entstandene „u.b.B.“-Serie vereinzelt auf populäre
       Motive seiner früheren Bilder zurück: Da tauchen mal seine kubistischen
       Architekturen auf oder hineincollagierte Stoffe und Textfragmente.
       
       Und manchmal, ganz überraschend, zeichnet sich aus den braunen Flächen und
       Farbzügen das tief in die Bildgeschichte reichende, romantische Motiv einer
       Rückenfigur ab, allerdings in einer sehr abstrakten Abwandlung. All das
       wirkt – dreißig Jahre nachdem man ihn zu den „Jungen Wilden“ zählte – so
       souverän in seiner Wildheit, so „postwild“, dass es Freude macht.
       
       [4][Der Dadaist Kurt Schwitters] fertigte zwischen 1923 und 1948 vier
       bekannte Versionen seines Merzbau-Projekts an. Expressive
       Rauminstallationen, einer Tropfsteinhöhle gleich, deren Stalagmiten und
       Stalagtiten aus Sperrholz, Pappe und sonstig vorgefundenem und
       weiterverarbeitetem Material nur so wuchern.
       
       Christopher Kline und Sol Calero von Kinderhook & Caracas haben seit Sommer
       letzten Jahres dieses faszinierende aber doch eher eigenbrödlerische
       Kunstvorhaben Schwitters' in ein stetig wachsendes Kollaborationsprojekt
       umgewandelt. Jetzt, [5][während der dritten und letzten Ausstellung] ihrer
       Reihe „Merzbau-Garten“, überlagern nochmal elf Künstler:innen eine
       bereits zwei Mal übereinandergefügte Assemblage unterschiedlichster
       Malereien, Objekte, Videos oder Spielanleitungen zu einer totalen
       Installation.
       
       In dem schieren künstlerischen Getümmel tauchen dann Sophie Erlunds
       beschuhte Füße, Nigin Becks weinende Zwiebel oder Ellinor Aurora Aasgaards
       Repliken von Straßenmüll auf, um nur einige zu nennen. Nach einundeinhalb
       Jahren Pandemie, in denen man sich kaum begegnen konnte, findet hier
       zumindest unter den Objekten von 27 Künstler:innen ein großes Treffen
       statt.
       
       28 Jul 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.schwarz-contemporary.com/exhibitions/current/jenna-westra-mellow-drama
   DIR [2] https://www.maxhetzler.com/news/2021-07-23-albert-oehlenalbert-oehlen-x-sven-ake-johansson-rhythm-ace-slingerland
   DIR [3] /!5691150/
   DIR [4] /!5599834/
   DIR [5] http://www.kinderhook-caracas.com/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sophie Jung
       
       ## TAGS
       
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